Kfz-Innenraum-Technik Ablagefächer kann man bald per Fingerzeig entstehen lassen
Die Entscheidung für ein Auto hängt auch vom Interieur ab, sage Forscher des IWU. Sind etwa die Ablagefächer so positioniert, wie man es braucht? Wenn nicht, kann man sie jetzt auf Befehl erzeugen...
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Leiht man sich jedoch ein Auto über Car Sharing, hat man dagegen wenig Einfluss auf die Gestaltung des Innenlebens. Experten vermuten, dass sich langfristig ein deutlicher Trend zum Car-Sharing bildet. Wie, fragen sich deshalb Autohersteller, lässt sich das Innenleben von Autos dann noch individuell gestalten – also an die Wünsche des jeweiligen Nutzers anpassen, fragen auch die IWU-Forscher.
Mit einer Handbewegung die Ablagefläche entstehen lassen...
Die Experten am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU haben zur Beantwortung der Frage mit dem Automobilzulieferer Brose Fahrzeugteile gearbeitet, heißt es. Und sie haben daraufhin eine innovative Ablage entwickelt, die sich im Armaturenbrett verberge und nur bei Bedarf ausforme. Es heißt etwa, dass, wenn der Fahrer das Auto verlässt, und er etwas darin vergessen hat, wird er durch Formänderungen der Ablage an den vergessenen Inhalt erinnert. Die Bewegung beruhe auf einer Faltstruktur – ähnlich wie beim Origami – sowie Formgedächtnislegierungen, verrät Lukas Boxberger, Gruppenleiter am Fraunhofer IWU. Das Besondere an solchen Formgedächtnislegierungen sei, dass sie sich deformieren ließen und in der gewählten Form bleiben, bis sie durch Erwärmung wieder ihre Ursprungsgeometrie annehmen würden.
Eine fleischfressende Wasserpflanze war das Vorbild
Bei der folgsamen Ablage funktioniert das so: Bewegt der Nutzer seine Hand über die entsprechende Stelle des Armaturenbretts, erkennt das ein Sensor. Das setzt einen Automatismus in Gang. Für einen kurzen Moment fließt Strom durch die Drähte einer Formgedächtnislegierung, die dabei auch die benachbarten Ecken des quadratischen Ablagebereiches miteinander verbinden. Die Drähte werden warm und ziehen sich wieder in ihren Ursprungszustand zusammen. Die vier Ecken würden also gleichmäßig in Richtung Mitte des quadratischen Bereichs gezogen und der innere Teil werde nach unten gedrückt, erklären die Forscher. Es entsteht so eine Art Schale. Das Faltprinzip, heißt es, ist von einer fleischfressenden Wasserpflanze inspiriert Leere der Nutzer das Fach wieder – oder lege er erst gar nichts hinein – werde die Mulde wieder flach. Der Strom, informiert Boxberger, fließt nur dann durch die Drähte, wenn sich das Ablagefach verformt. Das System gilt als äußerst robust, weil es 3 Mio. Bewegungszyklen ohne Materialermüdung aushalte. Einen Demonstrator haben die Experten bereits mithilfe der Additiven Fertigung hergestellt, heißt es weiter.
Die industrielle Herstellung ist in Arbeit
Für eine spätere Serienfertigung sei der 3D-Druck allerdings nicht rentabel. Die Forscher arbeiten deshalb daran, wie die variable Ablage durch Spritzgießen und alternativ über ein Rolle-zu-Rolle-Verfahren gefertigte werden könnte. Und während sich der Spritzguss nur für Großserien eignet, sind beim Rolle-zu-Rolle-Verfahren Groß- und Kleinserie gleichermaßen möglich,merken die Experten an.
Auch in diesem Fall, heißt es, stand die Natur Pate: Genauer gesagt, die menschliche Haut sowie deren Unterbau. Denn sie besteht aus zahlreichen verschiedenen Schichten, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. So schützt die Außenhaut beispielsweise vor Schädigungen aus der Umwelt, während die Muskulatur für die Bewegung sorgt. Das Gleiche gelte auch bei der technologischen Weiterentwicklung der variablen Ablage, welche die IWU-Forscher nun umsetzen wollen. Ihre Außenschicht – quasi die Epidermis – schützt die Ablage vor der Umwelt. Die rezeptive Schicht enthält die Sensoren, die etwa registrieren, wenn der Nutzer seine Hand über den Bereich bewegt. Das Endoskelett, das für Festigkeit und Bewegungsvorgabe sorgt, wird durch einen steiferen Kunststoff dargestellt. Und die Formgedächtnisdrähte repräsentieren die Muskulatur, indem sie für die Bewegung sorgen.
Hochwertig und wiederverwertbar soll das Ziel sein
Lassen sich diese einzelnen Schichten besser miteinander verkleben, verpressen oder aufdrucken? Diesen Fragen werden sich die Forschenden nun widmen und Fertigungsverfahren entwickeln, die zu wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll wiederverwertbaren und zugleich qualitativ hochwertigen Produkten führen. Langfristig sollen auch weitere Geometrien, etwa tiefere Ablagefächer, sowie eine Herstellung der Ablage aus verschiedenen Materialien wie Holzfurnier oder Textilien möglich sein. Auch andere Anwendungen sind denkbar: Selbstständige Sonnenschutzsysteme, Lüftungsein- respektive -auslässe, eine individuelle Anpassung des Sitzes an den Nutzer – der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
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