Porträt Bahn frei für den ICE 4
Pünktlich zum 25. Geburtstag ihrer Hochgeschwindigkeitszüge will die Deutsche Bahn mit einer neuen ICE-Generation das Fernverkehrsangebot überarbeiten. In den Zügen kommt dabei ein neuartiges Triebwagensystem zum Einsatz, das künftig eine flexible Zugbildung ermöglichen soll. Jeder Triebwagen verfügt über eine komplett eigenständige Antriebsanlage.
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Sie verbinden den Norden mit dem Süden, den Osten mit dem Westen, Hamburg mit München, Berlin mit Würzburg oder Frankfurt mit Köln. Die ICE-Züge der Deutschen Bahn machen ein ganzes Land mobil. Wenn sie ausfallen, ist der Aufschrei groß. Seit mittlerweile 25 Jahren sind sie fester Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Damit sie das auch in Zukunft bleiben, wird gerade an den Zügen und am Angebot gearbeitet.
Bis zum Jahr 2030 möchte die Deutsche Bahn ihr Fernverkehrsangebot um 25 Prozent ausbauen. Über 150 ICE-Fahrten mehr pro Tag sollen zu den bestehenden Verbindungen hinzukommen. Eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung dieses Plans spielt dabei die neue ICE-Generation. Der ICE 4 soll zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 den Regelbetrieb aufnehmen – und Schritt für Schritt seine Vorgänger der Generation 1 und 2 ersetzen.
ICE 4: Hohe Sitzplatzkapazität und geringerer Energieverbrauch
Zunächst startet im Spätherbst jedoch eine mehrmonatige Einführungsphase. Unter realen Einsatzbedingungen sollen die Züge und die in ihnen verbaute Technik auf Zuverlässigkeit geprüft werden. Auf der Strecke Hamburg-Hannover-Nürnberg-München kommen dann bereits zwei der neuen ICE 4 vereinzelt zum Einsatz.
Die Züge bestehen aus insgesamt zwölf Wagen und bieten Platz für 830 Fahrgäste. Damit verfügen die neuen ICE über eine hohe Sitzplatzkapazität. Mit einem Leergewicht von 670 t sind sie dennoch deutlich leichter als ihre Vorgänger. Auch der Energieverbrauch pro Sitzplatz ist um 22 % geringer. Ermöglicht wird dies zum einen durch das aerodynamische Design des Zuges, zum anderen durch weiterentwickelte Laufdrehgestelle des Herstellers Bombardier. Diese weisen ein geringeres Gewicht auf und schonen zudem Gleise und Gleisbett.
Powercars mit komplett eigenständigem Antrieb
Neu an den Zügen ist das sogenannte Powercar-Konzept. Es handelt sich hierbei um ein modular aufgebautes Antriebssystem. Die zwölfteiligen ICE 4 bestehen dabei stets aus sechs Laufwagen und sechs Powercars – Triebwagen, die mit einer jeweils identischen Antriebstechnik ausgestattet sind. Das heißt, jedes Powercar besitzt eine komplett eigenständige Antriebsanlage – mit Transformator, Traktionsstromrichter, Kühlanlage und vier Fahrmotoren. Verbaut sind die Anlagen in den Unterflurcontainern der Züge. Die Powercars sollen künftig eine flexible Zusammensetzung der Züge ermöglichen.
Technische Neuerungen sind zudem im Bereich der Bordelektronik zu finden. So wird im ICE 4 erstmals die von Siemens entwickelte Fahrzeugsteuerung Siemens Bahnautomatisierungssystem Profinet (SIBAS PN) eingesetzt. Ebenso wie bei den Powercars setzt man hier auf Entkopplung. In jedem Wagen gibt es dann einen Rechner, der ausschließlich für die Systeme des jeweiligen Wagens zuständig ist – also zum Beispiel Türen oder Klimaanlage steuert. Die zugweite Steuerung befindet sich im jeweils führenden Endwagen. So können die Wagen beliebig ausgetauscht und angeordnet werden.
Gearbeitet hat man auch an der in den Zügen verbauten Klimaanlage. In der Vergangenheit sorgte diese oft für Ärger bei den Reisenden. Etwa wenn die Anlage bei hohen Temperaturen im Sommer gänzlich ausfiel. Zukünftig sind die Wagen der neuen ICE-Generation mit zwei redundanten Kältekreisläufen ausgestattet. Es soll gewährleistet werden, dass die Klimaanlage auch bei Umgebungstemperaturen zwischen –25 und +45 °C funktioniert.
Vom Weltrekord zum Einsatz im Personenverkehr
Angefangen hat für den ICE alles am 2. Juni 1991. Damals startete vom Bahnhof Hamburg-Altona aus der erste ICE der Deutschen Bahn zu seiner Jungfernfahrt nach München – begleitet von vielen Schaulustigen, die den „weißen Blitz“ aus nächster Nähe betrachten wollten. Mit insgesamt 25 Zügen war die erste ICE-Generation im Jahr 1991 auf den Schienen unterwegs. Ihren Vorgänger – den Intercity – übertrafen die Züge dabei um 100 km/h.
Ausgestattet mit Drehstromtechnik, einer digitalen Antriebssteuerung, Hochgeschwindigkeits-Stromabnehmern sowie einem neuartigen Bremssystem stellte der ICE damals eine technische Revolution im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge dar und setzte neue Maßstäbe. Besonders stolz war man auch darauf, mit dem neuen Zug den Geschwindigkeitsrekord des französischen TGV gebrochen zu haben. Im Jahr 1988, also drei Jahre vor Einführung des ICE in den Publikumsverkehr, war der Testzug „Intercity Experimental“, der bereits das Kürzel ICE führte, bei einer Probefahrt auf eine Geschwindigkeit über 400 km/h beschleunigt worden. Weltrekord.
Fahrgastinformation in Echtzeit
Im Jahr 1996 folgte dann mit den ICE 2 die nächste Generation, deren Züge sich vor allem durch ihre Kupplungsfähigkeit und Teilbarkeit auszeichneten. Mit dem ICE T stellte die Bahn zur Jahrtausendwende ein Modell vor, das durch seine Neigetechnik vor allem für den Einsatz auf kurvenreichen Strecken geeignet ist. Taxierte die Höchstgeschwindigkeit der Züge bislang bei 280 km/h, stellte der ICE 3 diesen Wert schließlich mit einer Spitzengeschwindigkeit von 330 km/h in den Schatten. Die Maximalgeschwindigkeit des ICE 4 liegt mit 250 km/h wieder deutlich niedriger.
Anders als ihre Vorgänger bieten die ICE-4-Züge jedoch nun erstmals Platz für die Mitnahme von Fahrrädern. Neu sind auch ein tageszeitabhängiges Beleuchtungssystem und ein Fahrgastinformationssystem, das in Echtzeit über Reiseverlauf und Anschlusszüge informiert. Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube erklärte bei der Präsentation des neuen Zuges am 14. September in Berlin: „Der ICE 4 startet eine neue Ära: Er ist das Rückgrat unseres zukünftigen Fernverkehrskonzepts.“
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