Selbsthilfe Bauteile nach Serienende langfristig sichern

Redakteur: M.A. Frauke Finus

Je älter eine Maschine, desto größer die Gefahr für den Instandhalter, dass ein benötigtes elektronisches Bauteil nicht mehr verfügbar ist. Um sich hier selbst zu behelfen und Lösungen auszuarbeiten, hat sich das Kooperationsnetzwerk Elektronik-Nachserienverfügbarkeit gegründet.

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„Die Netzwerkmitglieder unterstützen sich nicht nur gegenseitig, auch externe KMUs profitieren vom Gemeinschafts-Know-how.“ Joachim Kleylein-Feuerstein, Leiter des Fachgebiets Regenerative Mechatronik der IPA-Projektgruppe.
„Die Netzwerkmitglieder unterstützen sich nicht nur gegenseitig, auch externe KMUs profitieren vom Gemeinschafts-Know-how.“ Joachim Kleylein-Feuerstein, Leiter des Fachgebiets Regenerative Mechatronik der IPA-Projektgruppe.
(Bild: Uni Bayreuth)

Viele Unternehmen kennen die Situation: Eine Maschine fällt aufgrund eines defekten elektronischen Bauteils komplett aus. Doch das Ersatzteil wird nicht mehr in Serie hergestellt und ist – wenn überhaupt – nur noch zu hohen Kosten erhältlich. Das Kooperationsnetzwerk Elektronik-Nachserienverfügbarkeit (E-NV) hat sich dieser Problematik angenommen. Unter der Leitung der Projektgruppe Prozessinnovation des Fraunhofer IPA entwickeln zehn Unternehmen mit dem Lehrstuhl für Umweltgerechte Produktionstechnik der Universität Bayreuth praktikable Lösungen. Im Gespräch mit MM-Redakteurin Frauke Finus stellt Joachim Kleylein-Feuerstein, Leiter des Fachgebiets Regenerative Mechatronik der IPA-Projektgruppe, das Konzept vor.

Herr Kleylein-Feuerstein, praktisch jedes Unternehmen kennt die Situation – eine Maschine fällt komplett aus, weil ein einziges elektronisches Bauteil defekt ist. Was war hier die Ausgangslage, der Sie sich gegenüber gestellt sahen?

Die Lebenszyklen elektronischer Baugruppen verkürzen sich stetig, die Produktkomplexität steigt und die Variantenvielfalt wächst rapide. Bei Produkten mit einer Nutzungsdauer von über einem Jahrzehnt ist das besonders problematisch. Fällt eine elektronische Komponente aus, verursacht die Instandsetzung enorme Kosten und kann den Restwert sogar übersteigen. Zahlreiche Elektronikbaugruppen sind bereits wenige Jahre nach Produktionsende nicht mehr oder nur noch zu hohen Preisen verfügbar. Während sich in großen Unternehmen eigene Abteilungen mit diesem Problem beschäftigen, fehlen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) jedoch meist die Mittel. Der Ausgangspunkt zur Gründung der Kooperationsnetzwerkes E-NV war also für die KMUs Lösungen und Auswege zu bieten.

Und wie genau nehmen Sie sich im Netzwerk jetzt dieser Problematik an?

Wir wollen die Problematik mit vier unterschiedlichen Technologien lösen. Diese sind: Langzeitlagerung, Refabrikation, Nachkonstruktion und Zuverlässigkeitstechnik.

Wer genau ist eigentlich das „Netzwerk“ und was bietet es?

Das Kooperationsnetzwerk besteht aktuell aus zehn Firmen, davon sind neun aus dem Mittelstand. Da die Mitglieder aus unterschiedlichen Branchen und Tätigkeitsfeldern stammen, ergänzen sie sich im Netzwerk optimal. Zusätzlich ist noch eine Forschungseinrichtung Netzwerkpartner. Das Netzwerkmanagement hat die Fraunhofer-Projektgruppe Prozessinnovation übernommen. Wir bieten unseren Mitgliedern die Möglichkeit, gemeinsam Kooperationsprojekte durchzuführen und das Know-how im Bereich Obsoleszenzmanagement auf- und auszubauen. Daneben beraten wir aber auch externe Kunden, welche eine Obsoleszenzproblem mit einer Elektronikbaugruppe haben. Im Kooperationsnetzwerk werden dafür kundenspezifische Lösungen erarbeitet.

Sind die Ergenisse nur für Netzwerk-Mitglieder zugänglich?

Nein. Die Netzwerkmitglieder unterstützen sich nicht nur gegenseitig, auch externe KMU profitieren vom Gemeinschafts-Know-how. Wir beraten sowohl Anwender, die Ersatzteile benötigen als auch Hersteller, die die Nachserienverfügbarkeit für ihre Kunden gewährleisten wollen.“

Wie ist es möglich, dass Ersatzteile bereitgestellt werden können? Bauen die Firmen selbst die nötigen Teile nach?

Aufbauend auf den vier Technologien Langzeitlagerung, Refabrikation, Nachkonstruktion und Zuverlässigkeitstechnik werden, je nach Kundenanforderungen, individuelle Herangehensweisen entwickelt. Der Nachbau beziehungsweise die Nachkonstruktion ist also nicht die einzige Möglichkeit, welche das Kooperationsnetzwerk anbieten kann, um Elektronikbaugruppen langfristig verfügbar zu halten. Zum Beispiel können bereits bei der Entwicklung Aspekte der Zuverlässigkeitstechnik berücksichtigt werden, um die Ausfallwahrscheinlichkeit der Elektronikbaugruppe auf ein Minimum zu reduzieren.

Ein Blick in die Zukunft, wie könnte es weitergehen mit dem Netzwerk?

In den nächsten Jahren wird sich das Kooperationsnetzwerk besonders auf Elektronikbaugruppen in den Branchen Schienenfahrzeugbau, Maschinen- und Anlagenbau, Luft- und Raumfahrt sowie Nutzfahrzeugbau fokussieren. In Gesprächen mit Experten wurde festgestellt, dass hier sehr spezifische Obsoleszenzprobleme bei oft kleinen Stückzahlen auftreten. Deshalb sollen Anwender aus diesen Branchen in das Kooperationsnetzwerk eingebunden werden, wie zum Beispiel die DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH, die seit dem 1.1.2015 Netzwerkmitglied ist.

Das Interview führte MM-Redakteurin Frauke Finus

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