Kunststoffe pushen Energiegewinnung Biogasindustrie profitiert von Polymermembranen

Autor / Redakteur: Dr. rer. nat. Thomas Dr. Isenburg / Carmen Kural

Energetisch gesehen ist der einfachste Kohlenwasserstoff das Methan und sicher auch der wertvollste Bestandteil von Biogas. Immer wichtiger wird es, die Begleitgase, wie CO2, N2 und Schwefelwasserstoff effizient abzutrennen und das so aufbereitete Gasgemisch ins Erdgasnetz zu speisen. Spezielle Membranen aus Kunststoff sind eine Schlüsselkomponente für dieses Vorhaben.

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So stecken die PI-Memranen in den Separationsmodulen von Evonik. Das Spinnen der Fasern und deren letzlicher Durchmesser gelten als qualiätsbestimmende Eigenschaften. Die Kunststoffe können bei dieser Anwendung ihre Separationseigenschaften sehr gut entfalten.
So stecken die PI-Memranen in den Separationsmodulen von Evonik. Das Spinnen der Fasern und deren letzlicher Durchmesser gelten als qualiätsbestimmende Eigenschaften. Die Kunststoffe können bei dieser Anwendung ihre Separationseigenschaften sehr gut entfalten.
(Bild: Evonik)

Bislang werden in Deutschland in der Praxis fünf verschiedene Aufbereitungsverfahren angewendet. Dazu gehören die Druckwechseladsorption (PSA – Pressure Swing Adsorption), die Druckwasserwäsche (DWW), physikalische und chemische Wäschen sowie das Membranverfahren. Ende 2015 waren insgesamt 187 Aufbereitungsanlagen in Betrieb, die verschiedene Verfahren zur Aufbereitung von Erdgas einsetzen, um dieses zu fast reinem Biomethan, das heißt in Erdgasqualität, aufzubereiten. In den letzten Jahren dominierten dabei die Aminwäsche, Druckwasserwäsche und Druckwechseladsorption. Jedoch bestehen hier einige Nachteile, denn diese Verfahren benötigen Hilfsmittel, Energie und Hilfschemikalien. Es entstehen Abfälle und Abwasser, die aufbereitet und entsorgt werden müssen.

Membranen gelten als Wachstumsfeld

Zudem steht das Biogas nach der Aufbereitung meist unter geringem Druck. Für die Einspeisung in ein Mitteldrucknetz wird zusätzlich ein Kompressor zur Druckerhöhung auf Drücke von 15 bis 20 bar benötigt. Daher arbeiten konventionelle Aufbereitungsanlagen meist erst ab einer Rohbiogas-Menge von deutlich über 500 Nm³/h (Normkubikmeter pro Stunde) wirtschaftlich. Das bedeutet: Für eine dezentrale Energieversorgung mit zahlreichen kleineren Anlagen sind sie in der Regel ungeeignet.

Eine Alternative bieten Membranverfahren: Die relativ „junge“ Idee mit den Membranen wurde in den letzten zwei bis drei Jahren zunehmend nachgefragt. Es wird bislang in Deutschland in 16 Anlagen eingesetzt. Zu dieser Tatsache merkte kürzlich der Vorstandsvorsitzende der Evonik Industries AG aus Essen, Klaus Engel, auf der Forschungspressekonferenz des Unternehmens zum Gasmarkt an: „Eines unserer Wachstumsfelder ist das Geschäft mit Membranen. Hier erschließen wir bereits mit Produkten attraktive Märkte. Daher wollen wir in Schörfling in Österreich eine neue Hohlfaser-Spinnanlage zur Produktion von Membranmodulen für den Markt installieren. Die neue Anlage soll unsere Position als Technologieführer für die effiziente Gasseparation steigern.“

Unterschiedliche Molekülgrößen ausgenutzt

Die Biogasaufbereitung zielt darauf ab, den Methangehalt zu erhöhen. Dabei entfernen die Verfahren O2 und diverse andere unerwünschte Bestandteile. Damit kann der Methangehalt auf 98 % gesteigert werden. Bei dieser alternativen Technik ist die Evonik Industries AG aus Essen der Entwicklungstreiber. Zur Aufkonzentration der Methanmoleküle werden momentan spezielle Membranen genutzt, die im Prinzip aus Bündeln von zylindrischen Hohlfasern bestehen. Vom Ansatz her ähnelt diese Technik der Umkehrosmose, wie sie von der Wasseraufbereitung her bekannt ist. O2 und andere Moleküle können die Membran unbehelligt passieren. Mit dieser Membranart gelingt es, das Rohbiogas auf über 99 % zu klären. Dabei nutzt man aus, dass die enthaltenen Gasmoleküle verschieden groß sind. So sind etwa die CO2-Moleküle kleiner als die Methanmoleküle und lösen sich zudem besser in den Polymeren. Sie können die dünnen Membranen schneller durchwandern. Das führt dazu, dass sich an der Hochdruckseite das Methan sammelt, während Wasserdampf und O2 das molekulare „Sieb“ passieren. Das methanreiche Gas wird außerdem an der Hochdruckseite abgezogen und muss für die Einspeisung nicht mehr verdichtet werden. Volker Wehber von Evonik vertritt das Geschäft mit den Biogasmembranen weltweit und erklärt: „ Als Werkstoff verwenden wir Polyimid (PI). Dieser Kunststoff gilt als chemisch besonders beständig und hält Temperaturen bis maximal 400 °C aus.“ In der Gruppe der Polymere besitzen Polyimide herausragende chemische und physikalische Eigenschaften. Schon länger bewährt haben sich PI-Membrane bei der Abgasreinigung, so Wehber.

Bei der Biogasaufbereitung sind dem Evonik-Mitarbeiter die Selektivität und die Kapazität wichtig. Diese Größen beschreiben die Qualität der Trenneigenschaften sowie die Schnelligkeit, mit der das Gas die Membran passiert. Gefragt nach dem Vorgehen zum Einstellen dieser Eigenschaften, antwortet Wehber schmunzelnd, dass das Polymer-Engineering-know-how schon länger bei Evonik bekannt ist. Entscheidend für die Einsatzfähigkeit seien das Spinnen der Fasern sowie deren Durchmesser. Dabei können die Verfahrenstechniker die Dicken der Trennschicht der Faser steuern. Beim Trennprozess spielen dann die Molekülgeschwindigkeiten der Gasteilchen und deren Größe eine entscheidende Rolle. Aus diesem Wissen haben die Faserexperten die Membrantechnik zur Biogasaufbereitung entwickelt.

Start-up mit starken Referenzen

Mit entsprechenden Produkten ist Evonik seit etwa fünf Jahren am Markt präsent. Dabei werden die Membranen als Equipment-Teil an die Anlagenbauer verkauft. Wobei diese dann die eingebaute Membran an ihre Endkunden verkaufen. Bisher hat Evonik mehr als 75 global angesiedelte Referenzkunden angesammelt. Das bewertet Weber als starke Entwicklung, jedoch positioniert er dieses Projekt noch eher im Bereich eines Start-ups.

Die Ursachen dafür sieht er in der überlegenen Qualität der Membrantechnik im Vergleich zu den bereits etablierten Verfahren. Das ist der Aspekt, meint der Manager, warum diese Technik den anderen Verfahren Marktanteile abnimmt. Nach der Einschätzung Webers hat das auf Polyimid basierende Verfahren die Biogasaufbereitung revolutioniert. Es mache es möglich, auch kleinere Anlagen zu bauen und wirtschaftlich zu betreiben, die dann das Biomethan aus dem Biogas herausfiltern. Zum Markt in Deutschland meint Wehber, dass es hier etwa 9000 Biogasanlagen gibt, von denen jedoch nur 200 bis 300 eine Aufbereitung des Biogases durchführen. Der Rest der Betreiber, also mindestens 97 %, verstromt das Biogas praktisch ineffizient.

Einer der Hauptgründe, warum diese Technik hier noch in den Kinderschuhen stecke, sei darin zu finden, dass der Gasantrieb bei Fahrzeugen nicht das dominierende Thema in Deutschland sei. Den englischen Markt sieht der Evonik-Manager im Vergleich dazu als recht stark an, weil die Politik den Markt in diese Richtung fördere. Ein wichtiges Element ist für Wehber die Biomethanförderung durch die Politik, um diese Industrien am Leben zu halten.

Verdopplung der Produktionskapazität

Nicht nur in England, sondern auch in Frankreich hat sich die Biogasindustrie stärker entwickelt, weil man beim Substrat auf organische Abfälle setzt und die Politik dafür gewisse Anreize bietet. Im Vergleich dazu wuchs in Deutschland der Biogasmarkt nur in den Jahren 2000 bis 2010 in besonderem Maße. Und in diesem Zeitraum gab es auch Unterstützung dafür, Biogasenergie-Pflanzen anzubauen. Darauf reagiert der Gesetzgeber nun, indem er die Förderung reduziert. „Wir haben den kleinen Biogasmarkt revolutioniert und können auch die bestehenden Anlagen erweitern, wenn dieser Markt einmal ausläuft“, macht Wehber deutlich. Das wird den Betreibern helfen können. „Dabei ist der Waste-to-Fuel-Gedanke bei uns ganz stark“, bemerkt Wehber zur Motivation des Essener Spezialchemieunternehmens.

Dass es Evonik mit dieser Alternative wirklich ernst meint, zeigt das eindrucksvolle Investitionsvorhaben an seinem österreichischen Standort Lenzing/Schörfling. Dort sollen die Produktionskapazitäten für die Hohlfasermembranen verdoppelt werden. Evonik investiert für den Ausbau einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag, heißt es. Die Produktion der zusätzlichen Membranmodule soll bereits Ende 2017 starten. Mit dieser Investition schafft Evonik in Schörfling nicht zuletzt mehr als 30 neue Arbeitsplätze.

Grundlage für Wachstum

Dr. Ralph Sven Kaufmann, Mitglied des Vorstands von Evonik und Chief Operating Officer, sagt: „Die Investition in Österreich schafft die Grundlage für weiteres Wachstum unseres Membrangeschäftes im hochattraktiven Markt für effiziente Gasseparation. Als Technologieführer wollen wir mit unseren hoch selektiven und produktiven Membranen am Wachstum im weltweiten Gasmarkt überproportional partizipieren.“

Dr. Claus Rettig, Vorsitzender der Geschäftsführung der Evonik Resource Efficiency GmbH, konstatiert: „Unser Ziel ist es, das seit fünf Jahren gut etablierte Geschäft mit den Biogas-Membranen weiter auszubauen. Zugleich erkennen wir sehr gute Wachstumschancen im Markt zur Helium- und Wasserstoffaufbereitung sowie zur effizienteren Stickstoffgewinnung.“

In Schörfling produziert Evonik derzeit bereits die benötigten Gasseparationsmodule, die auch für die Wasserstoff- und Heliumgewinnung genutzt werden können. Im nahen Lenzing wird der Hochleistungskunststoff Polyimid hergestellt, der in Schörfling versponnen und dann weiterverarbeitet wird. Auch in Lenzing werde die Infrastruktur ausgebaut. MM

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