Grundlagenwissen Blech und andere Halbzeuge biegen

Redakteur: Stéphane Itasse

Das Biegen zählt zu den wichtigsten Arbeiten in der Metall verarbeitenden Industrie. Dabei sind physikalische Eigenheiten zu beachten, um das beste Ergebnis zu erzielen. Beim Biegen kommen verschiedene Maschinen zum Einsatz. Lesen Sie hier mehr über das interessante Verfahren.

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Biegen, ein Fertigungsverfahren, das Werkstoffe durch Krafteinwirkung umformt. Neben Blechen können auch Materialien wie Holz oder Kunststoff gebogen werden.
Biegen, ein Fertigungsverfahren, das Werkstoffe durch Krafteinwirkung umformt. Neben Blechen können auch Materialien wie Holz oder Kunststoff gebogen werden.
(Bild: Itasse)

Definition: Was ist Biegen?

Industriebetriebe verändern beim Biegen hauptsächlich die Form von metallischen Werkstücken wie Bleche oder Rohre. Das Hinzufügen oder Entfernen weiterer Materialien kommt während des eigentlichen Biegevorgangs nicht vor. Die zu biegenden Werkstücke dürfen leicht wie Blech, hohl wie Rohre und bis zu einem gewissen Grad auch massiv wie ein Körper sein. Neben der punktuellen Biegung ist auch das Biegen auf einer linear verlaufenden Strecke möglich, zum Beispiel beim Blech biegen.

Es ist notwendig, dass beim Biegen eine Kraft, das sogenannte Biegemoment, auf das Werkstück einwirkt. Häufig kommen dazu bestimmte Maschinen zum Einsatz, weil sie die Kraft genauer und gleichmäßiger dosieren als Menschen. Das gilt insbesondere bei großen oder harten Werkstücken. Es gibt verschiedene Biegeverfahren, die nach DIN 8580 zur Hauptgruppe des Umformens zählen. Experten sprechen insgesamt auch vom Biegeumformen.

Erklärvideo: Biegen von Blechen

Unterschied zwischen elastischen und plastischen Biegeumformungen

Die Industrie strebt beim Biegen eine dauerhafte Verformung an, was im Fachjargon eine plastische, d.h. bleibende Verformung darstellt. Doch nicht jede Krafteinwirkung hat dies auch zur Folge. Jedes Material verformt sich bis zu einem bestimmten Belastungsgrad nur elastisch. Dabei ist die Dehnung nur vorübergehend, sodass das Werkstück in den Ausgangszustand zurückkehrt, sobald die Kraft nachlässt. Bei welchem Grad sich ein Werkstück nicht mehr elastisch, sondern plastisch verbiegt, entscheidet neben der Materialart auch seine Stärke.

Die Spannung während des Biegens, bis zu der keine bleibende Verformung auftritt, heißt Streckgrenze. Biegereien müssen die Streckgrenze also überwinden, um eine bleibende Verformung zu erzielen. Auf molekularer Ebene bestehen Bleche und andere Metall-Werkstoffe aus kristallartig angeordneten Metallatomen, dem sogenannten Kristallgefüge. Verändert es sich beim Überschreiten der Streckgrenze derart, dass die regelmäßig angeordneten Metallteilchen eine völlig neue Position einnehmen, können sie diese Position nicht mehr ohne Weiteres verlassen. Die Verformung bleibt dann also bestehen.

Bei einer elastischen Verformung rücken die einzelnen Moleküle des Kristallgefüges hingegen zusammen, bzw. sie entfernen sich voneinander. Dabei speichern die einzelnen Atome die eingesetzte Kraft in Form mechanischer Energie, die sie sofort wieder abgeben, sobald die externe Krafteinwirkung nachlässt. Dabei kehren alle Teilchen in ihre Ausgangsposition zurück, sodass das Biegen nicht gelungen ist.

Gekonnt Biegen: Dossier zum Thema

Welche Materialien lassen sich biegen?

Das Biegen dreht sich oft um Metalle, aber nicht ausschließlich. Es gibt viele verschiedene Materialien, die für die Industrie interessant sind, zum Beispiel:

  • Kunststoffe,
  • Holz,
  • Eisen,
  • Aluminium,
  • Kupfer,
  • Messing,
  • Legierungen, das heißt Gemische aus einem Metall mit anderen Metallen oder Nichtmetallen.

Zwei der bedeutendsten Legierungen beim Biegen sind Stahl und Edelstahl. Stahl besteht vorrangig aus Eisen, das unter anderem mit Kohlenstoff verbunden ist. Bei Edelstahl sind hohe Reinheitsgrade besonders wichtig, außerdem kommen weitere Stoffe wie Titan, Chrom oder Nickel hinzu. Beim Biegen und Abkanten bearbeiten Biegereien häufig Stahl- oder Edelstahlwerkstoffe, zum Beispiel in Form von Blechen. Blech zu biegen ist eine der häufigsten Tätigkeiten beim Biegeumformen.

Art des Metalls kann entscheidend sein

Wer Blech biegen oder Werkstücke abkanten möchte, sollte wissen, welches Metall vorliegt. Jedes Metall und jede Legierung besitzt ganz individuelle Streckgrenzen und Zugfestigkeiten, die für erfolgreiches Biegen relevant sind. Daten dieser Art sind in komplexen Tabellen zusammengefasst, die die Eigenschaften jeweils in N/mm² angeben. Wer ohne eigene Testreihen wissen möchte, wie viel Kraft zum Biegen eines Metalls einer bestimmten Stärke aufzuwenden ist, sollte solche Tabellen lesen. Für präzises Biegen sind die Daten sehr wertvoll.

Optisch lassen sich die Belastbarkeiten auch in sogenannten Spannungs-Dehnungs-Diagrammen verarbeiten. Daten dieser Art sammeln zum Beispiel Wissenschaftler mittels Zugversuchen an Normstücken. Sie geben immer nur statistische Werte wieder. Die komplexen Diagramme zeigen:

  • bei welcher Dehnung die Streckgrenze erreicht ist,
  • wann es zu Einschnürungen (unerwünschte Hohlräume) kommt,
  • wann das Metall durch zu große Belastung bricht,
  • und vieles mehr.

Halbzeuge als Werkstücke beim Biegen

Biegereien biegen häufig Bleche in verschiedenen Stärken und Größen. Dazu zählen auch Lochplatten und andere Blechvarianten. Rohre zählen ebenfalls zu den Halbzeugen, die durch das Biegen zu optimieren sind, denn Leitungen verlaufen oft auf nicht-linearen Strecken. Bei Rohren besteht eine Herausforderung darin, dass sich der Rohrquerschnitt von rund zu oval verändert, sobald es an einer Stelle gebogen wird. Dieser Effekt lässt sich durch bestimmte Maßnahmen nur verringern, aber nicht völlig ausschließen. Neben Blechen und Rohren kommen auch Profile, Stangen und Drähte für das Biegen oder Abkanten in Frage.

Arten von Maschinen beim Biegen

Oft kommen beim Blech-Biegen Maschinen zum Einsatz. Im Verlauf der Industrialisierung entstand eine Vielzahl von Variationen, die Arbeiter anfangs noch von Hand betrieben, aber zunehmend modernisierten. Heute führen Biegereien und Schlossereien das maschinelle Biegen vor allem mit CNC-Biegemaschinen durch, die höchste Präzision und schnelle Ergebnisse erlauben. Eine CNC-Maschine ist mit einem modernen Computersystem aus dem Bereich der Steuerungstechnik ausgestattet und arbeitet vorwiegend automatisiert.

Artikeltipp: Automatisiertes Biegen

Werkzeuge beim manuellen Biegen

Bleche, Rohre und andere Halbzeuge lassen sich teilweise ohne Maschinen biegen. Da beim Biegen immer eine Kraft notwendig ist, nutzen Handwerker als Hilfsmittel zum Beispiel mobile Biegevorrichtungen, die die menschliche Kraft verstärken. Handbetriebene Rohrbieger, Biegegeräte oder Biegezangen zählen ebenfalls dazu. Insbesondere im Bereich der Biegezangen hat sich eine große Zahl von Formen und Einsatzbereichen gebildet, zum Beispiel die Kneifzangen für manuelles Blech biegen, Rohrzangen oder die simplen Flachzangen. Die Biegewerkzeuge für den Einsatz in Maschinen sind bei den Verfahren mit beschrieben.

Gängige Formen beim Blech biegen

Drei Arten, wie man ein Blech biegen kann

Beim Blech biegen kann eine Vielzahl von Formen entstehen. Häufig handelt es sich um einfache Winkel. Im Bereich zwischen 0° und 360° ist alles möglich. Der rechte (90°) und die spitzen Winkel (0° bis 90°) sind beim Biegen aber besonders verbreitet. Derart gebogene Bleche dienen häufig als Behälter- oder Kastenbauteile, zum Beispiel für Computergehäuse oder Sicherungskästen. Für die verschiedenen Biegeformen haben sich teilweise auch eigene Bezeichnungen etabliert, so heißt eine 90°-Biegung am Rand eines Blechs Stehfalz. Mit der geeigneten Technik und den passenden Hilfsmitteln lassen sich darüber hinaus runde oder wellige Formen in ein Blech biegen.

Neben dem Abkanten gibt es beim Biegen auch das Bördeln. Dabei biegt die Biegerei den Rand eines Blechs so um, dass er eine viel höhere Steifheit erhält, wobei sich auch mehrere Bleche miteinander verbinden lassen. Das Bördeln ist außerdem eine Technik für die Herstellung unlösbarer Rohrverbindungen in der Autoindustrie und der Kältetechnik. Gebogene Rohre aus Metall sind aber auch in anderen Branchen ein wertvolles Bauteil, zum Beispiel innerhalb von Leitungssystemen. So kommen diese in der Luftfahrt, im Baugewerbe oder in der Lebensmittelbranche zum Einsatz.

Biegen: Die wichtigsten Verfahren im Überblick

In den meisten Fällen kommen beim Biegen in der Fertigungsindustrie das Gesenkbiegen (Abkanten), oder das Schwenkbiegen zum Einsatz. Auch das Walzbiegen spielt eine Rolle. Bei allen Techniken helfen Maschinen.

1. Gesenkbiegen

Das Abkanten oder Gesenkbiegen gehört zu den häufigsten Biegeverfahren in der Industrie.
Das Abkanten oder Gesenkbiegen gehört zu den häufigsten Biegeverfahren in der Industrie.
(Bild: Itasse)

Beim Gesenkbiegen oder Abkanten verfügt die dafür vorgesehene Maschine über drei wesentliche Elemente, die das Biegen vereinfachen und präzisieren:

  • Anschlag: Das Blech ist so einzulegen, dass es beim Abkanten in der gewünschten Position bleibt und die Matrize sich direkt unterhalb der Biegestelle befindet.
  • Matrize: "Matrize" bedeutet soviel wie Mutterform. Ihre individuelle Vorlage gibt vor, welche Form das Blech nach dem Abkanten annimmt. Matrizen kommen zum Beispiel auch in Druckereien oder der Gusstechnik vor und sogar die Natur verwendet sie zur Vervielfältigung der DNS in den Zellen. Statt Matrize ist auch der Begriff Biegegesenk geläufig.
  • Stempel: Oberhalb befindet sich der Stempel, der anders als die Matrize beweglich ist. Matrize und Stempel haben häufig eine ineinanderpassende V-Form, gängig sind beim Biegen aber auch U-Vorlagen.

Biegen eines Gehäuses durch Abkanten

So funktioniert das Biegen mit Stempel und Matrize

Nachdem sich das Blech in der korrekten Position befindet, lässt die Maschine den Stempel herunter. Das Blech verformt sich schließlich durch Einwirken der Kraft von beiden Seiten. Häufig müssen die Arbeiter das Werkstück noch von Hand nachführen, um die gewünschte Form zu erhalten. Es ist nicht notwendig, dass der Stempel beim Biegen soweit herunterfährt, dass sich das Werkstück vollständig in die Matrize presst. Ist zwischen Stempel und Matrize noch ein Freiraum, sodass der Winkel des Blechs stumpfer bleibt, als es die Gesenkform erlaubt, sprechen Experten vom freien Biegen.

Winkel lassen sich beim Blechbiegen also grundsätzlich manuell variieren, was viel Erfahrung erfordert. Presst der Stempel das Werkstück hingegen vollständig in die Matrize, sodass es den sogenannten Formschluss erreicht, handelt es sich um das Prägebiegen. Damit sich beim Prägebiegen jedes Werkstück in die gewünschte Form biegen lässt, muss für jedes Blechbiegen eine exakte Form von Stempel und Matrize vorliegen. In einer Biegerei sind meist verschiedene Stempelgeometrien verfügbar.

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2. Schwenkbiegen

Für große Blechteile ist oft das Schwenkbiegen das Verfahren der Wahl.
Für große Blechteile ist oft das Schwenkbiegen das Verfahren der Wahl.
(Bild: RAS Reinhardt)

Beim Schwenkbiegen kommt die sogenannte Schwenkbiegemaschine zum Einsatz. Im Gegensatz zum Gesenkbiegen wird das Werkstück beim Schwenkbiegen nicht von einem Stempel in eine Matrize gepresst. Ihre wichtigsten Elemente für ein effizientes Biegen sind:

  • eine feste Wange (Unterwange),
  • eine absenkbare Wange (Oberwange),
  • eine schwenkbare Wange (Biegewange), und
  • ein Anschlag oder ein Anschlagssystem.

So funktioniert das Biegen mit einer Schwenkbiegemaschine

Die Arbeiter führen das Blech zunächst in den dafür vorgesehenen Bereich der Maschine ein, bis es den Anschlag vollständig berührt. Dann fährt die Maschine die absenkbare Wange oberhalb des Werkstücks herunter. Anschließend kontrollieren Mitarbeiter, ob das Blech durch diesen Vorgang noch immer in der gewünschten Position zum Biegen liegt. Zu diesem Zeitpunkt kann bereits eine Korrektur notwendig sein.

Die obere Wange dient wie der Anschlag zur Stabilisierung. Ist sie vollständig heruntergelassen, ist das Blech unbeweglich zwischen der festen und der absenkbaren Wange eingespannt. Die Biegewange erzeugt schließlich durch eine Schwenkbewegung beim Blech-Biegen den gewünschten Winkel. Im letzten Schritt bewegen sich die Biegewange und die Oberwange wieder in ihre Ausgangsposition zurück, sodass sich das gebogene Blech nach dem Biegen aus der Maschine nehmen lässt. Der beschriebene Weg besteht aus einer Kombination von manuellen und maschinellen Arbeitsschritten. Darüber hinaus sind vollständig manuelle und vollständig automatisierte Verfahren möglich.

Aufgrund seiner zahlreichen Vorteile ziehen Biegereien das Schwenkbiegen dem Gesenkbiegen oft vor. Das Schwenkbiegen verursacht beim Biegen im Gegensatz zum Gesenkbiegen zum Beispiel keine Kratzer auf der Oberfläche des Metalls. Sie entstehen, wenn das Blech beim Biegen an den Kanten der Matrize reibt. Auch der Maschinenverschleiß, die Gesamtkosten und die mögliche Biegevielfalt fallen im direkten Vergleich günstiger aus.

Lesetipp: Generelle Unterschiede zwischen Schwenkbiegen und Abkanten

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3. Walzbiegen

Biegewalzen zum Walzbiegen: Damit lassen sich beispielsweise runde Behälter herstellen.
Biegewalzen zum Walzbiegen: Damit lassen sich beispielsweise runde Behälter herstellen.
(Bild: Itasse)

Beim Walzbiegen kommen Maschinen zum Einsatz, die mit sich drehenden Walzen ausgestattet sind. Die Walzen können glatt oder profiliert sein und dadurch beim Biegen sogar Muster auf das Blech übertragen, darunter zum Beispiel die Wellen von Wellblech. Das Walzbiegen ist eine völlig andere Technik als das Walzen. Vor allem die beiden folgenden Bereiche verdeutlichen das.

a) Zweck der Umformung

  • Walzbiegen: dient zum Biegen von Werkstücken, zum Beispiel um es zu runden, zu begradigen, oder zu profilieren.
  • Walzen: dient zur Verringerung des Querschnitts von Werkstücken, zum Beispiel um aus massiven Stahlplatten dünne Bleche zu machen

b) Werkstoffe

  • Walzbiegen: dünne Bleche und massive Metalle geringer Stärke in verschiedenen Formaten.
  • Walzen: nur massive Metalle verschiedener Formate.

So funktioniert das Walzbiegen

Vier Techniken im Detail: Biegen mittels Walzen

  • Mitarbeiter spannen das Werkstück beim Walzrunden zwischen zwei bis vier Walzen, die durch Bewegung für eine gleichmäßige Rundung sorgen. Mit diesem Verfahren lassen sich beim Biegen zum Beispiel runde Behälter herstellen.
  • Für andere Ergebnisse beim Biegen sorgt das Walzrichten. Eine Vielzahl von Richtwalzen, die grundsätzlich versetzt angeordnet sind, sorgen für gerade Bleche ohne Spannungen und Unebenheiten. Die Walzen wellen das Blech beim Biegen zunächst grob, um es anschließend wieder abzuflachen, bis das Werkstück am Ende der Walzenanordnung ebenmäßig und entspannt aus der Maschine fährt. Der Vorgang ermöglicht Werkstücke von hoher Qualität.
  • Wellbleche lassen sich mittels Wellbiegen herstellen. Durch das Einarbeiten von Wellen entstehen beim Blech-Biegen deutlich tragfähigere und steifere Bleche. Die Walzen besitzen ein Profil, das zum Beispiel wie ein Stern mit mehreren Zacken, oder wie ein Zahnrad geformt ist. Das Blech durchläuft beim Biegen die Walzen, wobei das Profil die Wellen ähnlich wie beim Gesenkbiegen in das Metall presst.
  • Ein weiteres bedeutendes Verfahren im Bereich des Walzbiegens ist das Walzprofilieren, bei dem sich in großen Anlagen günstig und schnell auch komplexe Querschnitte von Blechen herstellen lassen.

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