Substitution von Chrom(VI) Chrom(VI)-Ersatz fällt in einigen Fällen schwer

Autor Stéphane Itasse

Am 21. September 2017 ist Schluss: Ab diesem Tag benötigen Unternehmen eine Autorisierung der EU, wenn sie weiterhin mit Chrom(VI)-Elektrolyten verchromen wollen. Das betrifft auch viele Maschinen- und Anlagenbauer, die hartverchromte Komponenten weiterhin einsetzen wollen.

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Chrom oder nicht Chrom? Speziell bei Großzylindern hat Bosch Rexroth zusätzlich zur Hartchromschicht weitere Beschichtungen aus der Enduroq-Familie im Angebot.
Chrom oder nicht Chrom? Speziell bei Großzylindern hat Bosch Rexroth zusätzlich zur Hartchromschicht weitere Beschichtungen aus der Enduroq-Familie im Angebot.
(Bild: Bosch Rexroth BV)

Erbgutverändernd, krebserregend, hochgiftig: Mit diesen Eigenschaften hat es Chrom(VI) in der EU auf die Liste der zulassungspflichtigen Stoffe (Anhang XIV der Reach-Verordnung) geschafft (siehe auch Kasten „Steckbrief Chrom“). Damit ist die Verwendung in der EU verboten – es sei denn, die Anwender haben eine ausdrückliche Erlaubnis von der Europäischen Chemikalienagentur Echa erhalten. Mittelfristiges Ziel in der EU ist die schrittweise Substitution von Chrom(VI).

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Hintergrund
Steckbrief Chrom

Chrom(VI) als leicht lösliches Oxid, besser bekannt unter dem Namen Chromsäure, ist Basis für die funktionelle Hartverchromung. Die wichtigsten sechswertigen Chromverbindungen sind Chromtrioxid (CrO3), die Chromate (CrO42–) und die Dichromate (Cr2O72–). Chrom(VI) ist nach CLP-Verordnung als krebserzeugend Kategorie 1 und als erbgutverändernd (mutagen) Kategorie 2 eingestuft. Darüber hinaus ist es sehr giftig – bereits 0,6 g, oral eingenommen, können tödlich sein. Schließlich ist der Stoff umweltgefährlich und stark wassergefährdend (Wassergefährdungsklasse 3).

Die zweite Form, in der Chrom in Gebrauch ist, ist die als Verbindung mit dem dreiwertigen Ion. Chrom(III) ist ungiftig und wird deshalb als neue Verbindung für die Chromabscheidung in Betracht gezogen. Die Schichten aus Chrom(III)-Elektrolyten besitzen allerdings eine dunklere, ins Graue gehende Farbe mit einer geringeren Härte und können nicht in beliebiger Dicke abgeschieden werden. Vor allem die geringere Härte ist der Grund, weshalb verschleißfeste Hartchromschichten aus Elektrolyten mit Chrom(III)-Verbindungen nicht herstellbar sind.

Die dritte Erscheinungsform ist die des metallischen Chroms. In dieser Form ist Chrom absolut unbedenklich. Sowohl reine Chromschichten als auch die chromhaltigen Stähle (rostfreie Stähle) sind durch die sehr beständige Oxidschicht geschützt.

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So mancher Anwender hat noch keinen Chrom(VI)-Ersatz gefunden

Das ist allerdings nicht trivial. Die technischen Eigenschaften der Hartverchromung sind nämlich begehrt: Diese bis zu mehreren Millimeter dicken Schichten bieten eine hohe Härte von 900 bis 1200 HV, mit ihrer glatten Oberfläche sowohl eine niedrige Reibung als auch eine geringe Klebeneigung für Fremdstoffe und ein geringes Adhäsionsvermögen durch Wasser, Öl, flüssige Metalle oder Kunststoffe. Darüber hinaus sind die Chromschichten beständig gegen chemische Beanspruchung, ausgenommen Salzsäure und heiße Schwefelsäure, und gegen Temperaturen bis 400 °C.

Entsprechend schwer scheinen sich die Fachleute auch mit einer Substitution zu tun. „So weit sind wir noch nicht, dass wir etwas dazu sagen können“, war aus dem einen oder anderen Unternehmen bei einer Anfrage zum Thema Chrom(VI) zu hören. Denn die Anwendungen sind breit gefächert – Chromschichten finden sich auf Walzen und Zylindern aller Art, in Lagern, auf Schrauben, Kolbenstangen, Formen, Wellen oder Hydraulikkomponenten, nur um einige Beispiele zu nennen.

Technische Eigenschaften von Chrom(VI) sind überzeugend

Ein Unternehmen, das weiterhin auf Chrom setzt, ist die Bosch Rexroth AG. „Wir setzen Hartchrom vor allem bei Kolbenstangen für Standard- und Sonderhydraulikzylinder für Industrieanwendungen ein. Aber auch für weitere Sonderprodukte, bei denen eine kostengünstige Beschichtung mit guten tribologischen Eigenschaften gefordert ist“, berichtet Franz Wirzberger, Leiter technisches Produktmanagement und Entwicklung Hydraulikzylinder des Unternehmens, auf Anfrage von MM MaschinenMarkt.

Besondere Bedeutung haben für ihn die technischen Eigenschaften der Verchromung, etwa die große Härte und die damit verbundene Verschleißfestigkeit. „Speziell bei Hartchrom schätzen Anwender die Kombination verschiedener Merkmale: Gute tribologische Eigenschaften in Verbindung mit Hydraulikfluiden und Dichtungen führen zu niedrigen Reibwerten und einer hohen Lebensdauer der Reibpartner“, sagt Wirzberger. Die Korrosionsbeständigkeit sei für viele industrielle Anwendungen völlig ausreichend. „Eine breite Verfügbarkeit von Halbzeugen in Verbindung mit dem niedrigen Preis machen Hartchrom zu einem wichtigen Produkt für zahlreiche Anwendungen“, bilanziert er.

Bosch Rexroth von den Chrom(VI)-Alternativen noch nicht überzeugt

Bosch Rexroth ist nach Auskunft von Wirzberger zwar seit längerer Zeit auf der Suche nach Alternativen. Gegenwärtig gibt es allerdings für das Unternehmen kein Beschichtungsverfahren, das für viele seiner Anwendungen in Bezug auf die technisch-wirtschaftlichen Eigenschaften und die Verfügbarkeit eine wirkliche Alternative zu Hartchrom darstellt.

Allerdings geht Bosch Rexroth über die Verchromung hinaus, wenn es technisch notwendig ist. „Für Anwendungen, in denen ganz spezielle Eigenschaften der Kolbenstange gefordert werden, verwenden wir auch andere anwendungsspezifisch ausgelegte Beschichtungen – etwa im Stahlwasserbau, bei Marine- oder Offshoreanwendungen. Hier reicht der Korrosionsschutz von Chrom nicht aus“, berichtet Wirzberger. Mit Enduroq bietet der Hersteller nach eigenen Angaben ein integriertes Konzept für die Auswahl, Entwicklung und Herstellung der idealen Oberflächentechnik. „Im Rahmen der Entwicklung dieses Konzepts hat Bosch Rexroth Betriebsdaten seines gesamten Bestandes installierter Zylinder – des größten Zylinderbestands weltweit – analysiert“, sagt er. Neben dem Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen (HVOF) ist dafür beim Hersteller eine Laserbeschichtungsanlage im Einsatz, die eine hohe Prozesssicherheit und damit Qualität bei den Schichten sicherstellt.

Kundenanforderungen bei Chrom(VI)-Ersatz an erster Stelle

Grundsätzlich bleibt Bosch Rexroth beim Thema Substitution von Chrom(VI) offen für neue technische Lösungen, wenn sie die Anforderungen der Kunden erfüllen, wie Wirzberger erläutert. „Gemeinsam mit Bosch wählen wir neu entwickelte Beschichtungen aus und testen diese gemeinsam mit den Herstellern auf ihre Eigenschaften und mögliche Anwendungsoptionen“ sagt er. Als Alternative kommen für ihn zum einen andere Verchromungsprozesse, bei denen die Chromschicht ohne Einsatz von Chrom(VI) aufgebracht wird, infrage. „Allerdings sehen wir hier noch erheblichen Entwicklungsbedarf. So sind diese Prozesse beispielsweise weniger stabil“, bemängelt er. Auch andere Optionen wie spezielle Nickelbeschichtungen sind für ihn denkbar. Bisher erfüllen diese Schichten aber noch nicht das Anforderungsprofil von Bosch Rexroth im Hinblick auf Funktion und Preis.

Bei Verbindungselementen wie Schrauben und Muttern war eine verzinkte, gelb chromatierte Oberfläche handelsüblich, berichtet Thomas Goebeler, Leitung Anwendungstechnik und Produktmanagement der Böllhoff GmbH und Vorsitzender des Technischen Ausschusses vom Fachverband des Schrauben-Großhandels e.V.: „Das Programm ist zum Teil noch im Schraubenhandel Katalog- beziehungsweise Lagerware.“ Das typische Einsatzgebiet liegt im allgemeinen Maschinenbau, auch im Land-, Bau- und Nutzfahrzeugbereich, erläutert er auf Anfrage unserer Redaktion. Außerdem nennt er den Trocken- und Holzbaubereich. „Bei einigen Einsatzbereichen wurde bereits ausgetauscht oder der Umstellungsprozess läuft gerade“, sagt Goebeler.

Korrosionsschutz beim Chrom(VI)-Alternativen so wichtig wie die Optik

In diesen Einsatzbereichen geht es nach Auskunft des Böllhoff-Managers im Wesentlichen um die Korrosionsbeständigkeit, die bei gelb chromatierten Elementen deutlich besser sei als bei einfachen, blau passivierten Zinkoberflächen. Auch die Optik spielt seinen Erfahrungen nach eine Rolle: „Im Holzbaubereich ist eine gelbe Farbe zu den Farbtönen von imprägniertem Holz das gewohnte und optisch ansprechende Erscheinungsbild.“

Bei seinen Verbindungselementen setzt Böllhoff weiterhin auf galvanisch verzinkte Oberflächen und substituiert das Sortiment konservativer Oberflächensysteme (verzinkt gelb chromatiert) mit der verzinkt, dickschichtpassivierten Oberfläche (VZD). „Dieser Prozess ist im Gange. Mit einzelnen Anwendern sind wir über den Austausch im Gespräch“, erläutert Goebeler. Dabei vermisst er allerdings einen verbindlichen Standard: „Leider ist die Gesetzgebung und die Realität hier schneller als die internationale Normung, sodass wir hier eine Empfehlung vom Fachverband des Schrauben-Großhandels e.V. (FDS) umsetzen.“

Dickschichtpassivierung ersetzt Gelbchromatierung bei Schrauben oder Muttern

Die Dickschichtpassivierung stellt nach Auskunft von Goebeler keinen größeren Schichtaufbau als die bisherige konservative Gelbchromatierung dar. Im Vergleich zu normalen Passivierungen (circa 0,05 µm Schichtdicke) ist hier lediglich auf der galvanisch abgeschiedenen Zinkschicht eine stärkere Umwandlungsschicht auf Chrom(III)-Basis vernetzt. Die Korrosionsbeständigkeit für VZD ist mit einer Mindestprüfzeit im neutralen Salzsprühnebeltest (NSS nach DIN EN ISO 9227) von 72 h auf Zinkkorrosion und 144 h auf Grundmetallkorrosion beschrieben.

Den Ausschlag für die Entscheidung pro Dickschichtpassivierung hat bei Böllhoff die Preis-Leistungs-Fähigkeit des Systems VZD gegeben, wie Goebeler weiter erläutert, außerdem war die Applikationsmöglichkeit auf die Vielzahl von Verbindungselementen und Zubehörteilen ausschlaggebend, zum Beispiel Mutter M1 – Schraube M72, ohne signifikante technische Einschränkungen bei vergleichbaren Eigenschaften.

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„Das Basissystem mit galvanischer Verzinkung bleibt erhalten und die Wirtschaftlichkeit ist auf einem ähnlichen Niveau“, sagt er. Dies seien auch die wesentlichen Gründe gewesen, warum sich der Fachverband des Schrauben-Großhandels e.V. auf VZD als Empfehlung zum Austausch von verzinkt gelb chromatiert verständigt hat.

Neue Vorschriften zu Chrom(VI) haben auch Vorteile

Kopfzerbrechen bereitet allerdings weniger die Technik als der Geltungsbereich von Reach. „Verbindungselemente werden zwar zu einem großen Teil in Europa eingekauft, ein nicht unwesentlicher Anteil des Beschaffungsmarktes ist jedoch auch außerhalb des EU-Raums, wo die Restriktionen für bestimmte Stoffe oder Schwermetalle nicht so ausgeprägt sind“, berichtet Goebeler. Hier habe Böllhoff mit der Umsetzung seiner Forderungen einen gewissen Aufwand, weil die entsprechenden Bäder für die Beschichtung zum Teil noch nicht etabliert seien. „Erklärungsbedürftig ist zudem die silberfarbene, irisierende Optik für Verbraucher, die bisher eine gelbe Optik gewohnt sind. Bis auf den Holzbaubereich gibt es hierfür jedoch eine gute Akzeptanz“, sagt er weiter.

Immerhin kann Goebeler den neuen Vorschriften auch etwas Positives abgewinnen: „Wir nutzen die Gelegenheit zu einer Straffung des Sortiments und einer Vereinheitlichung vorher üblicher verschiedener Varianten von chromatierten Oberflächen. Außerdem ist die Reach- und auch ROHS-Konformität und letztendlich die umweltschonende Ausführung bei geringerem administrativen Aufwand in Zusammenhang mit den gesetzlichen Regelungen zu nennen.“

Forderung nach Chrom(VI)-Ersatz betrifft auch Hydraulik

Mit dem Thema Verschraubung müssen sich auch die Hydrauliker auseinandersetzen – und nach einem Ersatz für Chrom(VI)-Beschichtungen umsehen. „Die Standardoberfläche von hydraulischen Verbindungselementen war bis 2007 die Gelbchromatierung A3C. Diese hat die zuvor verwendete einfache Phosphatierung ersetzt“, berichtet Marco Schawohl, Bereichsleiter Marketing bei Voss Fluid. Dieser Oberflächenschutz mit Selbstheilungseffekt war auf dem gesamten Markt Standard.

Voss Fluid hat allerdings nicht nur auf die neuen Vorgaben zu Chrom(VI) reagiert, sondern gleich höhere Maßstäbe gesetzt: „Unser Hauptaugenmerk lag auf einem verbesserten Korrosionsschutz, als der bisherige Standard oder vergleichbare Verzinkungen geboten haben. Neben einem massiv gesteigerten Korrosionsschutz war stets auch Prämisse, dass sich gewohnte Montageparameter, wie Reibbeiwerte, nicht ändern.“

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Mittlerweile setzt das Unternehmen standardmäßig eine Zink-Nickel-Oberfläche ein und hat dafür eine eigene Galvanik am Standort in Wipperfürth errichtet. „Im Zuge der Entwicklung eines neuen Oberflächenstandards wurden verschiedene Korrosionsschutzarten genauer betrachtet. Die Zink-Nickel-Beschichtung besitzt den Vorteil, dass sie nicht nur den Korrosionsschutz auf eine neue Stufe stellt, sondern zusätzlich auch noch resistent gegenüber mechanischen Beanspruchungen ist“, sagt Schawohl. Der harte Nickelanteil in der Legierung sorge dafür, dass Oberflächenbeschädigungen nicht bis auf das Grundmetall durchdringen. „Dadurch erreicht der Zink-Nickel-Korrosionsschutz auch beste Werte im Salzsprühnebeltest, wobei wir hier keine handverlesene Neuware testen, sondern bereits montierte Ware“, erläutert er.

Überzeugende Zink-Nickel-Galvanik

Die Zink-Nickel-Beschichtung übertrifft laut Schawohl die Verzinkungen in allen relevanten Eigenschaften und bietet einen zehnfach höheren Korrosionsschutz. Weißrost trete hierbei lediglich in Form eines leichten Grauschleiers auf. Reine Verzinkungen neigten hingegen schnell zu einem Ausblühen des Zinkoxids.

Die Entscheidung für eine Zink-Nickel-Beschichtung hat jedoch wirtschaftliche Folgen: „Nickel als hochwertiges Element und die Investitionen in Anlagen und Prozesse sind nicht zu verachten gewesen. Da Voss Fluid mit der Zink-Nickel-Oberfläche entgegen dem Branchentrend keine reine Verzinkung angeboten hat, war dies zu Beginn ein wohlkalkuliertes Vertriebsrisiko“, erläutert Schawohl. Durch die hohe Automatisierung der internen Produktion und das gestiegene Volumen seien die Mehrkosten letztlich weitestgehend aufgefangen worden. Voss Fluid konnte seinen Worten nach dadurch ein neues, wichtiges Alleinstellungsmerkmal generieren. Durch die Investition in eine neue Zink-Nickel-Galvanik am Standort in Wipperfürth wurden zudem Arbeitsplätze geschaffen. Weiterentwicklungen können außerdem schneller in die Serie einfließen.

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