Porträt Der BDI bündelt die deutsche Industrie unter einem Dach – seit 100 Jahren
Der BDI bündelt die deutsche Industrie unter einem Dach. Er vertritt die Interessen des VDMA, VDA und des ZVEI, aber auch die des Deutschen Zigarettenverbandes und des Vereins der Zuckerindustrie.
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Er ist neben der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK) einem der großen Spitzenorganisationen der Deutschen Wirtschaft – der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Seit 20 Jahren haben alle drei ihren Sitz in der deutschen Hauptstadt unweit des Roten Rathauses im Haus der Deutschen Wirtschaft. „Hinter dem Erfolg der deutschen Volkswirtschaft stehen tief gestaffelte industrielle Wertschöpfungsketten mit mehr als 100.000 großen, mittleren und kleineren Unternehmen aus allen Sparten des verarbeitenden Gewerbes, die zusammen mehr als 8 Mio. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen“, steht auf der Internetseite des BDI. Erst eine intensive Vernetzung dieser Unternehmen in leistungsfähigen Wertschöpfungsverbünden erzeuge die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit, die die herausragende Position des Industrielandes Deutschland in der internationalen Arbeitsteilung ausmache und sichere, heißt es dort weiter. Wettbewerbsvorteile müssten stets aufs Neue an den Märkten erobert werden, Wettbewerbsnachteile ebenso stetig verringert werden – eine Daueraufgabe für Politik und Wirtschaft. Der Globalisierungswettbewerb gewähre keine Ruhepausen.
Neben dem VDMA und dem ZVEI sind im BDI unter anderen der VDA, aber auch der Deutsche Zigarettenverband und der Verein der Zuckerindustrie Mitglied. Als Interessenvertretung und Dachverband der deutschen Industrie betreibt der BDI im Anschluss an den Prozess der verbandsinternen Meinungsbildung eine Interessenartikulation nach außen – eine weltweite Lobbyarbeit im Sinne von industriell tätigen Unternehmen mit Büros in Brüssel, Washington D. C., Tokyo und Peking. In Berlin arbeiten rund 200 Mitarbeiter in 16 Abteilungen. In den Ausschüssen, Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen des BDI sorgen allerdings mehr als 1000 sachkundige und engagierte Frauen und Männer dafür, dass stets aktuelle sowie wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragen aufgegriffen und entsprechende Antworten in einem konstruktivem Austausch gefunden werden. Begonnen hat diese Arbeit bereits vor 100 Jahren. Im April 1919 wurde mit dem Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) der erste Spitzenverband der gesamten deutschen Industrie gegründet.
In Berlin gegründet
Ordnen wir die Zeit zunächst historisch ein: Zeitgleich verhandeln Diplomaten und Minister seit drei Monaten in Paris im Schloss von Versailles über die Bedingungen für einen Frieden nach vier Jahren Krieg auf der ganzen Welt. Der deutsche Kaiser hat abgedankt, die Monarchie ist Geschichte. Das Deutsche Reich wählt auf Beschluss des Reichsrätekongresses am 19. Januar eine deutsche Nationalversammlung. Diese wählt den Sozialdemokraten Friedrich Ebert am 11. Februar zum Reichspräsidenten. Sechs Monate später – im August – tritt die Weimarer Reichsverfassung in Kraft. Und nicht nur der deutsche Staat, sondern auch die deutsche Industrie muss sich in dieser Zeit neu finden. Daher wird im Februar 1919 in Jena beschlossen, einen Dachverband der deutschen Industrie zu gründen.
Am 12. April 1919 wird der Reichsverband der Deutschen Industrie im großen Saal des Hotels Esplanade am Potsdamer Platz feierlich gegründet. Gleichwohl berichtet die Presse darüber wenig, denn zeitgleich tagt in Berlin der Rätekongress. In München wird eine Räterepublik ausgerufen und es toben blutige Straßenkämpfe. Die ersten Jahre dieses Dachverbandes sind schwer. Erst mit den Goldenen Zwanzigern setzt eine politische und wirtschaftliche Stabilität ein, in der sich auch der RDI zur Verfassung der Weimarer Republik bekennt. Eine Kritik an der Finanz- und Sozialpolitik betreibt er dennoch.
Wer intensiver in die Geschichte des RDI und des BDI einsteigen möchte, dem sei das Buch „Industrie, Politik, Gesellschaft – der BDI und seine Vorgänger“ empfohlen. Im Rahmen des Jubiläums gab der Verband eine umfassende Recherche in Auftrag. Die Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Johannes Bähr und Prof. Dr. Christopher Kopper legen damit eine umfassende Arbeit vor. Bähr stellt im ersten Teil neben den Jahren der Weimarer Republik seine Antworten auf die Frage dar, inwiefern der Verband in der Zeit des Nationalsozialismus eine Mitverantwortung für Verbrechen hatte. Christopher Kopper beschreibt im zweiten Teil die Ära Adenauer mit dem ersten Präsidenten des BDI Fritz Berg (1949 bis 1971), aber auch die Zeiten während der Kanzlerschaft von Brandt, Schmidt und Kohl.
Bisher gab es 15 Präsidenten
Mit dem aktuellen Präsidenten des BDI standen bisher 15 Präsidenten an der Spitze des Verbandes. Angefangen vom einflussreichen Mitglied des Adenauer-„Küchenkabinetts“ Fritz Berg über den Vorstandsvorsitzenden von Thyssen, Hans-Günther Sohl, bis zu zwölf weiteren Vorstandsmitgliedern, Gesellschaftern oder Verbandspräsidenten waren die Präsidenten in der Regel Industrielle, die zuvor einem Unternehmen oder Verband vorstanden. Der aktuelle allerdings scheint ein wenig aus der Reihe zu fallen. Er stammt nicht aus einer Industriellenfamilie, hat keine Autos bauen und keinen Stahl gießen lassen. Stattdessen führte er ein Vierteljahrhundert lang eine Genossenschaft, die Steuerberater mit Software versorgt, und war bis 2015 vier Jahre lang Präsident des Digitalverbandes Bitkom. Prof. Dr. Dieter Kempf steht seit dem 1. Januar 2017 dem Bundesverband der Deutschen Industrie vor.
Am 29. März 2019 zeigte er im ZDF-Morgenmagazin, wie man bei McDonald´s Bouletten brät, und erinnert damit an seine Schüler- und Studentenzeit. Der leidenschaftliche Oldtimer-Fan gesteht: „Ich mag ein Auto gerne riechen.“ Sein Lieblingslied: Hotel California von den Eagles. Und dann greift er selber zur Gitarre und singt „I shot the sheriff“. Damit ist er als Präsident sicher anders als seine 14 Vorgänger. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wer der 16. Präsident des BDI wird, vielleicht wird es ja eine Präsidentin. MM
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