IPC-Auswahlkriterien Der Brain-Faktor Industrie-PC
Die kurzen Innovationszyklen der verschiedenen PC-Komponenten übersteigen um ein Vielfaches die Nutzungsdauer industriell eingesetzter IT-Hardware. Dieser Leitfaden unterstützt bei der Auswahl.
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Der Industrie-PC (IPC) stellt das grundlegende Fundament für die wachsende Vernetzung verteilter Geräte dar. Kurzum: Der Industrie-PC wird zum Brain-Faktor. Es steigen die Anforderungen an industrielle IT und ihre Performance – ob kleines, mittleres oder großes Unternehmen. „Weil jedes Detail für Industrie-PC-Systeme zählt, kommt es bei den technischen Merkmalen auf die erweiterten Funktionalitäten für den jeweiligen Einsatzbereich an“, weiß Stefan Götz, geschäftsführender Gesellschafter von TL Electronic aus Bergkirchen bei München, aus fast vier Jahrzehnten Industrie-PC-Erfahrung zu berichten.
Hinzu kommen die vielfältigen Individualisierungsmöglichkeiten. Manchmal machen bereits kleine mechanische Veränderungen einen enormen Unterschied. Die anwendungsspezifische Lösung ist eine exakt passende Wahl an industrietauglichen und langzeitverfügbaren Komponenten, die auf Quasi-Standards beruhen. Im Kern sind drei Hauptkriterien für die professionelle Beschaffung von Industrie-PCs entscheidend: Technik, Kosten und Service-Logistik.
„Bei der Hardware-Konfiguration kann man in großen Teilen zwar auf Komponenten von der Stange zurück greifen. Dennoch empfehle ich für den Auswahlprozess den 360°-Blick für die wirtschaftlichste und technisch beste IPC-Lösung“, so der Experte Stefan Götz (Bild 1).
Technische Auswahlkriterien
Das Einsatzgebiet des Industrie-PCs bestimmt die Bauart und technische Ausstattung für die optimale Leistungsfähigkeit (Bild 2). „Deswegen erörtert man zuerst die Anforderungen und die Umgebungsbedingungen, die maßgeblich sind für die Bauform und Ausführungen der industriellen PC-Hardware“, so S. Götz. Ob 19-Zoll-Rack, Embedded oder wandmontierbare Box-Variante oder ein Panel-PC zum Einsatz kommen, klärt sich in der Bedarfsanalyse. Die technische Ausstattungsmerkmale gliedern sich in:
- Bauform und Baugröße
- Prozessorleistung
- Größe des Arbeitsspeichers (RAM)
- Feste Speichermedien wie Solid State Drive (SSD)
- Betriebssystemauswahl wie Windows 10 IoT oder Ubuntu 16.04
- Anzahl und Art der Schnittstellen und Konnektivität
- Anzahl und Art der Steckplätze
- Höhe der Schutzart
- Display-Diagonale und Bedienbarkeit bei Panel PCs
IPCs im klassischen 19-Zoll-Format wie die aktuelle Serie Classic-Line CL4501 (Bild 3) von TL Electronic sind echte Arbeitstiere mit hoher Zuverlässigkeit z.B. in der Serienproduktion. Dafür sorgen die Intel-Prozessoren der 9. Core-i-Generation Coffee Lake-S mit bis zu 8 Rechnerkernen und einer Taktfrequenz von bis zu 3 GHz. Ein weiteres besonderes Kennzeichen der CL-Serie ist die vielfältige Konnektivität.
Acht USB-Schnittstellen, davon zwei nach der schnellen 3.1-Spezifikation, zwei serielle COM-Schnittstellen, zwei RJ45 für Gigabit-Ethernet, zwei PS/2, Audio-I/O, ein interner paralleler Port sowie DVI (Digital Visual Interface) und zwei Display-Ports bieten nahezu grenzenlose Anschlussmöglichkeiten. Zwei Front-Lüfter sichern die zuverlässige Kühlung. Die Vorteile der 19-Zoll-Bauform: Einfacher Zugriff, gute Skalierbarkeit bis hin zur Server-Version, leichtere Integration in bestehende Industrial-IT-Architekturen und hohe Flexibilität für zukünftige Erweiterungen. Dafür kann man den relativ großen 19-Zoll-IPC nur in ein 19-Zoll-Rack einbauen.
Die wandmontierbare Serie Boxed-Line sind mit den 19-Zoll-CL-Klassiker verwandt, lassen sich flexibel auf die Montageplatte im Schaltschrank befestigen und sind insgesamt kompakter aufgebaut, eben wie eine Box (Bild 4). Wie bei den 19-Zoll-Industrie-PCs steht hier reichlich Konnektivität, Freiheitsgrade beim Ausbau und hohe Leistungsperformance im Fokus. Im Inneren der Rechnereinheit ist dafür das Motherboard verantwortlich, das dafür sorgt, dass die Komponenten des Rechners verbunden werden und miteinander arbeiten können.
Durch die aktuelle Upgrade-Motherboards von Protech sind neben den 19-Zoll-Rack-Mount-Modellen auch alle wandmontierbare Boxed-Line-Geräte mit Core-i-Prozessoren der 9. und 10. Generation von Intel lieferbar. „Für den Anwender bedeutet dies einen Prozessor-Leistungszuwachs von nahezu 40 Prozent. Wird z.B. bei großen Autoproduzenten ein Projekt im Fast Tracking umgesetzt, dann ist klar: Man will auch die neuesten Technologien an industrieller Hardware einsetzen“, ergänzt Stefan Götz.
Gut zu wissen für die Fachleute im Einkauf: Man kann die neuen Motherboards mit kosten¬günsti¬geren Pentium- und Celeron-Einheiten oder mit Xeon-CPU für den Server-Betrieb ausrüsten. Hier zeigt sich deutlich: Die Rechnerleistung lässt sich fast frei für die Anwendung skalieren und man behält die Kosten im Blick (Tabelle).
Kompakte Embedded-PCs
Kompakter sind die Embedded-PCs. Markante Merkmale sind das besonders kleine Gehäuse, das meist lüfterlose Kühlkonzept und die externe Spannungsversorgung. „Die Embedded-PCs lassen sich z.B. als IoT-Gateway in Smart-Factory-Anwendungen integrieren oder als Kommunikationsmodul in fahrerlosen Transportsystemen in der intelligenten Logistik“, beschreibt der Industrie-PC-Experte das Einsatzgebiet.
Die rauen Umgebungen sind maßgeblich für die Widerstandsfähigkeit der Embedded-PCs z.B. gegen Vibrationen, Schock und Stöße und Temperaturschwankungen. Erstaunlich ist der minimale Energiebedarf – maximal 25 W bei der Serie Embedded Line EL1092 von TL Electronic. Allein der Zweikernprozessor Celeron N3350 der Apollo-Lake-Reihe hat eine geringe CPU-Verlustleistung (Thermal Design Power, TDP) von höchstens 6 W, die über das speziell entwickelte Aluminiumgehäuse abgeführt wird.
So lässt sich der Prozessor ohne Lüfter kühlen und das System ist wartungsfrei. Dabei verfügt die CPU über eine aktuelle Grafik- und Videoeinheit. Der Embedded-PCs wie der EL1092 im Buchformat von 217,5 mm × 148 mm × 50 mm (B×H×T) werden für mobile Anwendungen auch mit WLAN, 3G sowie speziellen Montage-Sets geliefert.
Die Schnittstelle Mensch
Bei 19-Zoll-, Embedded oder Wallmount-IPCs unterscheidet man vor allem die „inneren Werte“. Der Panel-PC ist die direkte Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine und kombiniert modernste Displaytechnologie mit Rechnerleistung. Der Fokus liegt damit auch auf der Bedienung und der Einbausituation. „So gibt es für die Lebensmittelindustrie speziell entwickelte Panel-PCs. Im Edelstahlgehäuse mit glatten Oberflächen sind sie rundum IP65- oder IP67K-geschützt und lassen sich mit dem Dampfstrahlgerät hygienegerecht reinigen“, sagt Stefan Götz.
Zusätzlich zu den Rechnereigenschaften rücken also besonders die Display-Attribute wie die Abmessung der Diagonale, Auflösung, Kontrastverhältnis und Usability, z.B. über projiziert-kapazitiven Multitouch-Screen in den Fokus. Hinzu kommt die Einbau-Vielfalt: Ob Open-Frame für die direkte Integration von hinten, Panel-Mount für den Einbau von vorne, 19-Zoll-Rack-Mount für den vorhandenen 19-Zoll-Rahmen oder die Montage über die VESA-Schnittstelle an der Rückseite des Panel-PCs.
Langzeitverfügbarkeit und Service-Logistik
Damit im Integrated Manufacturing die Industrie-PCs immer schnell und langfristig effektiv arbeiten, gilt ein besonderes Augenmerk der Langzeitverfügbarkeit und der Service-Logistik. „Wir wissen aus Erfahrung von der Bedeutung der Servicekompetenz und der Integration in die Wertschöpfungsprozesse unserer Kunden und die der Endanwender“, erläutert S. Götz. Als konkretes Beispiel nennt der erfahrene Experte die fest definierten Wartungszyklen in Automobilproduktionen. Industrie-PCs werden laufend ausgetauscht und überprüft, um die Anlagenverfügbarkeit sicher zu stellen.
Jeweils vier bis sechs Geräte werden dazu in spezielle Kunststoffboxen zur Abholung bereitgestellt. „Über das umfassende Logistiknetzwerk werden die standardisierten Transportboxen mit unseren Ersatzgeräten ausgewechselt und in unseren Fertigungsstandort nahe München gebracht“, erklärt er. Nach abgeschlossener Wartung und erfolgreichen Qualitätstests werden die Systeme wieder in den Fertigungsprozess integriert. Diese zirkulierenden Serviceeinsätze funktionieren nach definierten Prozessschritten und werden zur eindeutigen Nachvollziehbarkeit digital erfasst.
Zum integrierten Service-Konzept gehören u.a. Lagerhaltung auf Wunsch für individuelle Komponenten, Preisstabilität für maßgebliche Bauteile, Ausfallsicherheitsmanagement, Spezialtransport und Langzeitverfügbarkeit, z.B. für Intel-CPUs der Embedded-Roadmap sowie Seriennummer-Tracking. „Schließlich will man das Beste für die intelligent vernetzte Fertigung der Zukunft aus der industriellen IT herausholen. Es kommt auf den Brain-Faktor an“, wiederholt Stefan Götz abschließend.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf unserem Partnerportal www.elektronikpraxis.de
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