Insolvenz in Eigenverwaltung Der rettende Gedanke

Autor / Redakteur: Robert Buchalik / Melanie Krauß

Um ein modernes Unternehmen erfolgreich zu führen, bedarf es vieler verschiedener Fertigkeiten und Fähigkeiten – und einer Portion Glück. Im Falle einer existenzbedrohenden Krise denken viele zuerst an ein Insolvenzverfahren.

Anbieter zum Thema

(Bild: gemeinfrei (Pixabay, derneuemann) / CC0 )

Etwa 20.000 Unternehmen beantragen jährlich in Deutschland ein Insolvenzverfahren. Die meisten insolventen Unternehmen werden entweder liquidiert oder verkauft. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche Inhaber unterschätzen die Situation und stellen zu spät einen Insolvenzantrag. Ein weiterer Grund ist die Unkenntnis über bestehende Sanierungsmöglichkeiten wie die Eigenverwaltung.

Eine existenzbedrohende Krise kündigt sich nicht immer an, sie kann mitunter völlig unerwartet und plötzlich eintreten – und auch trotz voller Auftragsbücher. So geschehen bei dem Siegerländer Automobilzulieferer Oehmetic GmbH. Ein unvorhersehbarer Schaden an einer wichtigen Großpresse führte rasch zu erheblichen Produktionsausfällen. Zur Überbrückung mussten Teile der Fertigung für sechs Monate an andere Zulieferer ausgelagert werden.

Die erheblichen Mehrkosten für die externe Unterstützung mündeten in einen massiven Liquiditätsengpass. Als sich die Lage zusehends zuspitzte, schaute sich Oehmetic-Gesellschafter Ulrich Oehm nach sinnvollen Handlungsalternativen für sein Unternehmen um. Nach eingehender Beratung durch die Sanierungsexperten der Wirtschaftskanzlei und Unternehmensberatung Buchalik Brömmekamp, entschied er sich für die Sanierung unter Insolvenzschutz.

Restrukturierung unter Insolvenzschutz

Das Unternehmen stellte beim Amtsgericht Siegen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Hierbei handelt es sich um ein Sanierungsverfahren mit dem obersten Ziel der Unternehmensfortführung. Deshalb leitete Geschäftsführer Oehm sein Unternehmen auch im Verlauf des Verfahrens unverändert weiter.

Was bedeutet Sanierung unter Insolvenzschutz? Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) bietet eine Vielzahl von Effekten zum Liquiditätsaufbau:
  • Während des Verfahrens ist das Unternehmen vor Eingriffen der Gläubiger geschützt.
  • Für die Dauer von bis zu drei Monaten werden sämtliche Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanziert, das nicht oder nur zum geringen Teil zurückzuzahlen ist.
  • Zahlungen, die beispielsweise an das Finanzamt geleistet worden sind, können zumindest für einen begrenzten Zeitraum unter Umständen zurückgefordert werden.
  • Die Kündigungsfristen bei allen Dauerschuldverhältnissen – unabhängig von der Restlaufzeit – sind auf maximal drei Monate begrenzt.
  • Ungesicherte Altverbindlichkeiten (auch Pensionsverpflichtungen) werden nur mit einem Bruchteil des Ursprungsbetrages bedient.
  • Dadurch soll die operative Sanierung vorangetrieben, die Passivseite der Bilanz saniert und genügend Liquidität generiert werden, um mit ausreichender finanzieller Ausstattung und einer komfortablen Eigenkapitalquote den Neustart anzugehen. Am Ende des Verfahrens steht ein Sanierungsplan, der die Entschuldung des Unternehmens sowie die Befriedigung gesicherter und ungesicherter Gläubiger regelt. Dem Plan müssen die Gläubiger zustimmen.

    Zusätzlich führte der Restrukturierungsexperte Norbert Schröer von Buchalik Brömmekamp als Sanierungsgeschäftsführer den Automobilzulieferer durch das Verfahren. Gemeinsam wurden ein tragfähiges Zukunftskonzept sowie die strategische Neuausrichtung des Unternehmens entwickelt und die daraus gewonnenen Sanierungsmaßnahmen umgesetzt. Das Eigenverwaltungsverfahren bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Liquidität für die erfolgreiche Sanierung zu generieren (siehe Kasten).

    Der eingeschlagene Weg des Maschinenbauers hat sich gelohnt: Mit der Aufhebung des Verfahrens durch das Amtsgericht Siegen gilt das Unternehmen als erfolgreich saniert und entschuldet. Bereits zu dem Zeitpunkt war der Auftragseingang gegenüber dem Vorjahr um 12 % gestiegen – inklusive 40 Neuprojekten.

    Um den sich ändernden Anforderungen an die Metallbearbeitung für die Automobilindustrie gerecht zu werden und die Kapazitäten in Hinblick auf weiteres Wachstum zu erweitern, investiert Oehmetic in den bestehenden Stanz- und Pressenpark. Bereits während des Verfahrens wurde auf die steigenden Kundenanfragen reagiert und eine moderne, automatische Schweißanlage angeschafft.

    Vorbereitend dazu wurden bereits im Rahmen des Neuausrichtungskonzeptes die Fertigungsabläufe und -prozesse optimiert, die zu einer deutlich höheren Produktivität führten. Ebenso positiv entwickelten die Aussichten für die Mitarbeiter. Während des Verfahrens konnten nicht nur alle 120 Arbeitsplätze gerettet werden, sondern dank der guten Geschäftslage stieg die Anzahl der Beschäftigten sogar um etwa 10 %.

    * Robert Buchalik ist Vorsitzender des Bundesverbandes ESUG und Sanierung und Geschäftsführer der Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp in 40549 Düsseldorf, Tel. (02 11) 82 89 77 - 1 10, robert.buchalik@buchalik-broemmekamp.de, www.buchalik-broemmekamp.de

    (ID:45431561)