Forschung Robotersensorik Der Roboter wird sensibel

Redakteur: Andrea Gillhuber

In Zukunft geht der Roboter auf Tuchfühlung mit dem Menschen. Daher muss der Roboter berührungssensibel gemacht werden. Die University of Twente hat nun ein System entwickelte, mit dem bereits 60 Prozent der menschlichen Berührungen erkannt werden.

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Sensoren am Arm einer Schaufensterpuppe
Sensoren am Arm einer Schaufensterpuppe
(Bild: University of Twente)

Treffen sich Menschen, reichen sie sich zur Begrüßung die Hand, umarmen sich oder klopfen sich auf die Schulter – je nach Grad der Bekanntschaft unterscheiden sich die Gesten. Berührungen und Gesten sind daher ein wichtiges Instrument der sozialen Interaktion von Menschen. Robotern fehlt diese Sensibilität. Kein Wunder, handelt es sich dabei doch um eine „unsensible“ Maschine.

Der Roboter kommt aber nicht mehr nur in Fertigungsumgebungen zum Einsatz. Im Saturn-Markt bringt zum Beispiel erstmals ein Serviceroboter den Kunden zur Playstation 4. Auch in der Medizintechnik kommen professionelle Serviceroboter zum Einsatz. Von Chirurgie bis Rehabilitation, in der Erstellung von Diagnosen, bei operativen Eingriffen sowie im Krankenhausalltag gilt der Serviceroboter jetzt schon als perfekter Teamplayer und Kollege. Das Unternehmen Swisslog bietet sogar kundenspezifische Serviceroboter an.

Mit dem wachsenden Zahl der Roboter sowie den Trends Mensch-Roboter-Kollaboration und Servicerobotik steigt der Intelligenzgrad der Maschinen. Jetzt, da die Roboter vermehrt mitten in der Gesellschaft operieren, gilt es den Roboter sensibel zu machen.

Merel Jung forscht in diesem Zusammenhang am CTIT-Institut der University of Twente (UT) zum Thema soziale Berührungen bei Robotern. Mithilfe eines vergleichsweise einfachen Systems – bestehend aus einem Arm einer Schaufensterpuppe und Drucksensoren, die an einen Computer angeschlossen waren – gelang es ihr, 60 Prozent der Berührungen zu erkennen. Ihre Untersuchung wurde in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Journal of Multimodal User Interfaces veröffentlicht.

Doch was für den Menschen ganz einfach, stellt für Roboter ein Problem dar: Noch können sie die verschiedenen Arten sozialer Berührungen nicht unterscheiden. Im Moment handelt es sich dabei um ein relativ unbekanntes Forschungsfeld, aber um ein wissenschaftliches Gebiet, von dem in absehbarer Zeit einiges zu erwarten ist. Hier wird beispielsweise erforscht, wie ein Roboter das soziale Leben autistischer Kinder stimulieren kann, oder wie Medizinstudenten mithilfe solcher Serviceroboter praxisnah Behandlungssituationen trainieren können.

Berührungen erkennen und einschätzen

Aus diesem Grund forscht Jung nach sozialen Berührungen zwischen Menschen und Robotern. Um einen Roboter auf die richtige Weise auf Berührungen reagieren lassen zu können, unterscheidet sie vier verschiedene Stufen: wahrnehmen, erkennen, interpretieren, reagieren. Der Roboter muss die Berührung zunächst wahrnehmen, dann erkennen und interpretieren, um anschließend angemessen reagieren zu können.

In der diesem Stadium ihrer Forschung konzentriert sich Jung vor allem auf die ersten Phasen Wahrnehmen und Erkennen. Mit einer relativ einfachen Versuchsanordnung, nämlich dem Arm einer Schaufensterpuppe mit 64 darauf angebrachten Drucksensoren, gelang es ihr, 60 % von rund 8000 Berührungen verteilt auf 14 verschiedene Berührungsformen in drei Intensitäten unterscheiden lassen zu können. 60 Prozent klingt dabei zunächst nach keinem sonderlich hohen Wert, doch gilt es zu bedenken, dass jede Form eines sozialen Kontextes fehlte und verschiedene Berührungen einander stark ähneln. Beispiele sind der Unterschied zwischen Greifen und Kneifen und zwischen intensivem Streicheln und sanftem Reiben. Hinzu kommt, dass die Probanden, die den Arm der Schaufensterpuppe berühren mussten, keine Anweisungen zur Ausführung der Berührung des Puppenarms erhielten. Zudem konnte das Computersystem nicht die Berührungen individueller Personen „trainieren“. Unter vergleichbaren Umständen wäre es selbst für Menschen schwierig, alle Berührungen zu erkennen.

In einem Folgeversuch erforscht Jung, wie Roboter Berührungen im sozialen Kontext interpretieren können. Erwartet wird, dass der Roboter durch die Interpretation des Kontextes besser dazu in der Lage sein wird, auf angemessene Art und Weise auf Berührung zu reagieren und der berührungssensible Roboter damit ein weiteres Stückchen näher rückt.

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