Interview Die richtige Bestandsführung für die Instandhaltung

Autor Sebastian Hofmann

Bei der Lagerung von Ersatzteilen verschenken Unternehmen große Optimierungspotenziale. Ein Experte verrät, woran das liegt und wie Sie besser an Ihr Bestandsmanagement herangehen.

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Wegen fehlerhafter Bestandsplanung kommt es oft vor, dass sich Logistikleiter von ungenutzten, weil überbevorrateten Ersatzteilen trennen müssen, weil diese zu viel Lagerplatz einnehmen.
Wegen fehlerhafter Bestandsplanung kommt es oft vor, dass sich Logistikleiter von ungenutzten, weil überbevorrateten Ersatzteilen trennen müssen, weil diese zu viel Lagerplatz einnehmen.
(Bild: ©ijeab - stock.adobe.com)

Viele Unternehmen schöpfen die Einsparungsmöglichkeiten bei der Bestandsführung ihrer Ersatzteile nicht richtig aus. Woran liegt das und wie lässt sich dieses Problem sinnvoll lösen? Darüber haben wir mit Thomas Mathives von Miebach Consulting gesprochen. Er ist seit 2012 Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung sowie Marktsegmentleiter „After Sales, Spare Parts and Maintenance Solutions“. Darüber hinaus besitzt er über 20 Jahre Erfahrung als Berater im Bereich Supply Chain und Ersatzteilversorgung.

Herr Mathives, welches Bild bietet sich Ihnen mit Blick auf den Bereich Maintenance bei Ihren Kunden immer wieder?

Das Instandhaltungsmanagement wird oft nicht professionell genug angegangen – sowohl in der Beschaffung als auch in der Bestandsführung. Der Bereich zählt nicht zur Kernkompetenz vieler Unternehmen und läuft deshalb meistens „so nebenher“. Das führt dazu, dass es fast überall sehr hohe Überbestände an Ersatzteilen gibt, die die Firmen nicht abbauen können. Die meisten gehen auf Nummer sicher und kaufen vorbeugend lieber zu viel als zu wenig, um Produktionsausfälle auszuschließen.

Welche Folgen hat das für die Betriebe?

Hohe Kosten durch die Kapitalbindung und Platzprobleme. Besonders ärgerlich wird es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten: Dann setzt der Logistikleiter den Rotstift an und die Bestände werden entsorgt, obwohl sie später noch einmal gebraucht werden könnten. In größeren Unternehmen tritt dieser Missstand nicht ganz so oft auf. Warum? Weil sie sich zum Beispiel eine eigene Stabsstelle leisten können, die sich um die Instandhaltung kümmert. Oder aber sie richten ein Zentrallager für Verschleißteile ein und optimieren ihre Prozesse auf diese Weise. Kleinere Firmen sind mit der Komplexität der Instandhaltung oft überfordert. Das liegt an meist unzähligen Artikelnummern und Lieferanten.

Was können KMU also tun?

Zunächst sollten sie einen Mitarbeiter abstellen, der sich des Themas annimmt und für Transparenz sorgt – im besten Fall keine Vollzeitkraft, sondern einen Werkstudenten oder Praktikanten. Seine Aufgabe ist es, folgende Fragen zu klären: Welche Ersatzteile müssen in welchem Turnus beschafft werden? Mit welchen Lieferanten arbeitet der Betrieb zusammen? Gibt es Gleichteile, die das Unternehmen doppelt bevorratet?

Diese Infos müssen den Entscheidern vorliegen und sind die Grundlage eines nachvollziehbaren und erfolgreichen Instandhaltungsmanagements. Damit lässt sich viel Komplexität aus dem Thema herausnehmen und das hilft, die Bestandsplanung zu optimieren.

Ein weiteres Problem, auf das Unternehmen immer wieder stoßen, ist, dass es für ältere Ersatzteile bereits neue, überarbeitete vom Hersteller gibt. Sollte man die alten Teile trotzdem noch aufbrauchen?

Hier muss man genau abwägen. Wenn die neuen Teile „nur“ eine längere Lebensdauer bieten, macht es Sinn, den Bestand erst einmal aufzuzehren. Wenn sie darüber hinaus einen erweiterten Funktionsumfang ermöglichen und den Output der Fertigungsmaschine steigern, hilft ein Blick auf die Produktionsdaten. Erreicht die Maschine die nötigen Fertigungszahlen ohnehin nicht mehr, sollte man auf die neuen Varianten setzen.

Also eine klassische Betrachtung der Total Cost of Ownership, oder?

Richtig. Dazu gehört auch, dass Entscheider bereits bei der Anschaffung einer Maschine schauen, was diese über ihre gesamte Lebensdauer kosten wird – inklusive aller notwendigen Ersatzteile und Wartungskosten. Oft rentiert sich ein beim Kauf teureres Gerät mehr, weil seine Lebenskosten im Vergleich niedriger sind.

Genauso geht es beim Lifecycle-Management darum, auf die bisherigen Verbrauchsdaten zu schauen und zu klären: Wie stimmen diese Daten mit dem überein, was vom Maschinenhersteller in Aussicht gestellt wurde? Häufig verkaufen die Anbieter von Anlagen heute außerdem nicht mehr nur die Ersatzteile, sondern auch den gesamten Wartungsservice.

Gehört zu dieser einheitlichen Prozessanalyse nicht auch ein Blick auf die Lieferantenseite?

Ich rate dazu, die Wiederbeschaffungszeiten von Ersatzteilen zu monitoren und mindestens einen zusätzlichen Ersatzteillieferanten zu ermitteln. Entscheider können ihre Bestandspuffer so sinnvoll planen und sich absichern – beispielsweise dann, wenn es bei einem Hersteller mal zu Lieferschwierigkeiten kommt.

Ist der Fokus auf den Lifecycle aus Ihrer Sicht in der Industrie bereits weitreichend genug verankert?

Bei größeren Betrieben sieht es schon sehr gut aus. Bei KMU sehe ich allerdings einen großen Nachholbedarf. Ein gutes Ersatzteilmanagement braucht zwingend eine Lifecycle-Betrachtung auf Artikelebene. Wer vor der Komplexität dieser Arbeit zurückschreckt, verschenkt Kapital und Wachstums- chancen.

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