Kupplung Distanzkupplung mit CFK-Welle

Eine Distanzkupplung mit einer Welle aus CFK überbrückt große Längen ziemlich leicht. Jakob Antriebstechnik hat sie entwickelt und wir haben sie und den Entwicklungsprozess genauer unter die Lupe genommen.

Anbieter zum Thema

Die Wellenbälge, die eigentlich für den Versatzausgleich benötigt werden, und auch die kardanische Lagerung, die das Eigengewicht des Distanzrohres trägt, sind bei der Distanzkupplung Simple-Flex nicht mehr notwendig.
Die Wellenbälge, die eigentlich für den Versatzausgleich benötigt werden, und auch die kardanische Lagerung, die das Eigengewicht des Distanzrohres trägt, sind bei der Distanzkupplung Simple-Flex nicht mehr notwendig.
(Bild: Jakob Antriebstechnik)

Der Name ist Programm: Simple-Flex – heißt einfach und flexibel. Das ist die neue Distanzkupplung von Jakob Antriebstechnik GmbH aus Kleinwallstadt. Sie überträgt absolut spielfrei exakte Drehmomente und zwar über lange Distanzen hinweg.

Zwei Naben und eine distanzüberbrückende Welle

Einfach, weil sich die Kupplungsspezialisten bei der Entwicklung auf das Wesentliche konzentriert haben. Sie besteht aus zwei Naben und einer distanzüberbrückenden Welle dazwischen. Die Wellenbälge, die eigentlich für den Versatzausgleich benötigt werden, und auch die kardanische Lagerung, die das Eigengewicht des Distanzrohres trägt, sind bei dieser Kupplung nicht mehr notwendig. Warum? Das Zauberwort heißt carbonfaserverstärkter Kunststoff (CFK).

Bei der Simple-Flex-Kupplung wurden die Funktionsträger auf das Wesentliche reduziert. Geblieben sind die Naben und die CFK-Welle.
Bei der Simple-Flex-Kupplung wurden die Funktionsträger auf das Wesentliche reduziert. Geblieben sind die Naben und die CFK-Welle.
(Bild: Jakob Antriebstechnik)

Denn aus diesem Material besteht die Distanzwelle. Sie ermöglicht die Biegeflexibilität, die man zum Versatzausgleich benötigt und ist gleichzeitig so leicht, dass eine zusätzliche Abstützung entfällt.

Komplexer Entwicklungsprozess

Was sich einfach anhört, entstand allerdings in einem komplexen Entwicklungsprozess. Die größte Herausforderung lag darin, eine geeignete Composite-Welle zu entwickeln. Dabei wurde Jakob Antriebstechnik vom Start-up Carbon-Drive unterstützt. Die beiden Unternehmen lernten sich auf der Preisverleihung des MM-Awards, der von der Medienmarke MM Maschinenmarkt verliehen wird, auf der EMO 2017 kennen. Carbon-Drive wurde in der Kategorie Antriebstechnik für die Entwicklung einer Voll-Carbon-Motorspindel ausgezeichnet, Jakob Antriebstechnik in der Kategorie Spannmittel für eine drahtlose Spannkraftüberwachung – ein weiterer Geschäftsbereich des Unternehmens.

Herkömmliche Distanzkupplung im Vergleich: Sie besteht aus einer Metallwelle mit Nabe und je einem Metallbalg sowie einer integrierten kardanischen Lager-Abstützung an An- und Abtriebseite.
Herkömmliche Distanzkupplung im Vergleich: Sie besteht aus einer Metallwelle mit Nabe und je einem Metallbalg sowie einer integrierten kardanischen Lager-Abstützung an An- und Abtriebseite.
(Bild: Jakob Antriebstechnik)

Begonnen hat das Projektteam – bestehend aus der Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung bei Jakob Antriebstechnik und den Experten von Carbon-Drive – mit einer Machbarkeitsstudie. Ziel war es, den konventionellen Aufbau einer Distanzkupplung durch den Einsatz einer flexiblen Faser-Kunststoff-Verbund-Welle zu vereinfachen. Klassischerweise besteht eine Distanzkupplung aus einer Metallwelle mit Nabe und je einem Metallbalg sowie einer integrierten kardanischen Lager-Abstützung an An- und Abtriebseite. Bei der Simple-Flex-Kupplung wurden die Funktionsträger auf das Wesentliche reduziert. Geblieben sind die Naben und die Distanzwelle, alle anderen Komponenten entfallen.

Knackpunkt CFK-Welle

Mit Simulationsberechnungen und Testreihen wurde eine CFK-Welle entwickelt, die trotzt hoher Torsionssteifigkeit eine ausreichende Biegeflexibilität aufweist, sodass die Ausgleichselemente an An- und Abtriebsseite entfallen können.
Mit Simulationsberechnungen und Testreihen wurde eine CFK-Welle entwickelt, die trotzt hoher Torsionssteifigkeit eine ausreichende Biegeflexibilität aufweist, sodass die Ausgleichselemente an An- und Abtriebsseite entfallen können.
(Bild: Jakob Antriebstechnik)

Der Knackpunkt dabei ist die Welle, die aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) besteht. Sie muss trotz hoher Torsionssteifigkeit eine ausreichende Biegeflexibilität und ein geringes Eigengewicht aufweisen, um bei sehr hohen Betriebsdrehzahlen und großen Drehmomenten dennoch einen akzeptablen Wellenversatzausgleich zu gewährleisten.

Ergänzendes zum Thema

Vom Bambus inspiriert

Bei der Entwicklung der Simple Flex ließen sich die Spezialisten bei Jakob Antriebstechnik von der Natur inspirieren: nämlich vom Bambus. Bambusholz ist über die Stablänge sehr flexibel und lässt große Biege-Auslenkungen ohne Strukturversagen zu. Gleichzeitig weist Bambus ein geringes Verhältnis von Masse und Durchmesser des Stammes auf. Diese Eigenschaften wollten die Ingenieure auch auf die neuartige Kupplungswelle übertragen.

„Bei der Wellenauslegung haben wir mit modernster FEM-Software gearbeitet, um alle Lastfälle und Eigenfrequenzen zu berechnen und das Softwareauslegungstool für die Konstruktionsunterstützung zu erstellen“, erklärt Dr.-Ing. Martin Klimach von Carbon-Drive. Dr.-Ing. Arno Wörn, Leiter der Entwicklung bei Jakob Antriebstechnik, ergänzt: „Die Rechnerergebnisse wurden in Prototypen-Versuchen auf eigenen Prüfständen überprüft und experimentelle Modalanalysen zum Schwingverhalten durchgeführt.“

Alle Testergebnisse flossen fortlaufend in den Entwicklungsprozess ein, z.B. wurde der Faserwinkel des Werkstoffs optimiert, um eine ideale Biege-/Torsionssteifigkeit bei dünner Wandstärke zu ermöglichen. Entstanden ist letztendlich eine Carbonwelle, deren optimale Wanddicke, Wickelwinkel und Festigkeit vorgegeben ist.

Aufgrund des Funktionsleichtbaus können Eigenfrequenzen der Welle in höhere Drehzahlbereiche verschoben werden. Dadurch sind höhere Nenn-Drehzahlen zulässig. Das bedeutet wiederum, dass sich größere Torsionsmomente übertragen lassen als mit konventioneller Bauweise bei kleineren Wellendurchmessern. Die Eigenfrequenz der Composite-Welle reduziert Schwingungsamplituden durch Vibration im Antriebsstrang. „Zudem sind kleinere Wellendurchmesser und geringere Massen bei größeren Baulängen ohne Zusatzlager-Abstützung möglich“, ergänzt Dr. Wörn. Bis zu sechs Meter können mit Simple-Flex überbrückt werden.

Herausfordernder Prüfstandaufbau

Seit Anfang 2019 steht der Prüfstand bei Jakob Antriebstechnik. Er ermöglicht Drehzahltests mit Drehzahlen bis 12.000 min-1.
Seit Anfang 2019 steht der Prüfstand bei Jakob Antriebstechnik. Er ermöglicht Drehzahltests mit Drehzahlen bis 12.000 min-1.
(Bild: S. Häuslein/VCG)

Neben den umfangreichen Simulationsberechnungen und Testreihen rund um die CFK-Welle in der Entwicklungsphase führt Jakob Antriebstechnik bis heute zahlreiche Testläufe der kompletten Kupplung auf einem eigens entwickelten Prüfstand durch. Beim Aufbau des Prüfstandes unterstützten die Hochschulen Darmstadt und Aschaffenburg. Dabei gab es einige Aufgaben zu lösen. Gefordert waren:

  • eine stufenlose Drehzahlverstellung von 0 min-1 bis 12.000 min-1,
  • das Anbringen von Messtechnik zur Parameterermittlung,
  • die Einstellung eines definierten Wellenversatzes an den Lagerböcken,
  • die flexible Aufnahme von Prüfkörpern bis 4 m Länge,
  • eine geeignete Schutzvorrichtung, die die Sicherheit bei Versagen des Prüfkörpers gewährleistet.

Seit Anfang 2019 steht der Prüfstand nun bei Jakob Antriebstechnik in Kleinwallstadt. Er ermöglicht Tests mit Drehzahlen bis 12.000 min-1. „Somit können Wellenversätze gezielt aufgebracht und das Lauf- beziehungsweise Schwingverhalten unter Drehzahl und Versatz untersucht werden“, erklärt Dr. Wörn. Mit einem laserbasierten Sensor lässt sich die Kupplung im Prüfstand sehr genau ausrichten.

Ergänzendes zum Thema
Von Kupplungen über Spanntechnik bis hin zum Motorspindelschutz

Im Jahr 1971 gründete Ludwig Jakob die heutige Jakob Antriebstechnik GmbH. Das Unternehmen gilt als der Erfinder der Metallbalgkupplung. Heute bietet der Kupplungsspezialist nicht nur diese, sondern auch Elastomer- bzw. Klauenkupplungen, Miniaturkupplungen sowie Distanzkupplungen bzw. Gelenkwellen für die Drehmomentübertragung über Distanzen von bis zu sechs Metern und Sicherheitskupplungen bzw. Drehmomentbegrenzer.

Neben dem Portfolio im Bereich Antriebstechnik hat sich das Unternehmen auch in der Spanntechnik einen Namen gemacht. Überall dort, wo Werkzeuge oder Werkstücke zuverlässig mit hohen Spannkräften gesichert werden müssen, kommen mittlerweile auch Produkte von Jakob Antriebstechnik zum Einsatz.

Der dritte Bereich umfasst das Motorspindelschutzsystem MS3. Dabei handelt es sich um eine Sicherheitslösung für den Kollisionsschutz von Motorspindeln in Fräsmaschinen.

Simple-Flex und Metallbalgkupplungen auf dem Prüfstand

Derzeit fährt das Unternehmen Grundlagentests zur Simple-Flex. Auch herkömmliche Metallbalgkupplungen werden auf dem Prüfstand getestet. Diese haben nämlich trotz der Neuentwicklung an Bedeutung nicht verloren. Vor allem für Anwendungen, bei denen Distanzen mit weniger als einem Meter überbrückt werden müssen, bleiben sie vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht interessant.

Die Einsatzgebiete der Simple-Flex-Kupplung bilden u.a. Portale, indirekte Antriebslösungen, Spindeln sowie Prüfstandsapplikationen mit hohen Drehzahlen – überall dort, wo der Antrieb im Verhältnis zum Abtrieb dezentral angebracht werden muss. Dies kann zum Beispiel aus Platz- oder maschinendynamischen Gründen der Fall sein.

Ab 2020 serienreif am Markt

Anfang des Jahres 2020 will Jakob Antriebstechnik mit zwei Baugrößen der Simple-Flex serienreif am Markt sein. Die Baugrößen definieren sich nach dem Rohrdurchmesser, da das Drehmoment längenvariabel ist. Die beiden Baugrößen ersetzen vier Baugrößen der konventionellen Distanzkupplung des Unternehmens. Abgedeckt wird ein Drehmomentbereich von 50 Nm bis 600 Nm. Auf der SPS wurde die Kupplung erstmals einem breiten Publikum vorgestellt.

Buchtipp

Das Buch Praxishandbuch Antriebsauslegung hilft bei der Auswahl der wesentlichen Bestandteile elektrischer Antriebssysteme: Motor, Getriebe, Stellgerät, Netzversorgung sowie deren Zusatzkomponenten. Auch auf die Berechnung wird intensiv eingegangen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf unserem Partnerportal www.konstruktionspraxis.de

(ID:47478764)