Exklusiv-Interview zur Grinding Hub „Ein deutlich artikulierter Bedarf des Marktes“

Autor M. A. Benedikt Hofmann

Mit der Ankündigung der Grinding Hub haben VDW und Messe Stuttgart für einiges Aufsehen gesorgt. In unserem Interview erklären die beiden Geschäftsführer Dr. Wilfried Schäfer, VDW, und Roland Bleinroth, Messe Stuttgart, wie es dazu kam.

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Dr. Wilfried Schäfer (links), Geschäftsführer des VDW, und Roland Bleinroth, Geschäftsführer der Messe Stuttgart.
Dr. Wilfried Schäfer (links), Geschäftsführer des VDW, und Roland Bleinroth, Geschäftsführer der Messe Stuttgart.
(Bild: VDW und Messe Stuttgart)

Im Frühjahr 2021 eine Messe für 2022 ankündigen, das ist ein sehr mutiger Schritt. Wie kam es dazu?

Dr. Schäfer: Aktuell fahren wir alle auf Sicht. Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass wir für das Frühjahr des kommenden Jahres Präsenzveranstaltungen planen, ankündigen und vor allem auch durchführen können. Daher war gar nicht so viel Mut nötig. Den Anstoß zur Gründung dieser Messe gaben zahlreiche Gespräche mit unseren Mitgliedsfirmen. Sie haben angefragt, ob der VDW der Branche eine neue Plattform rund um das Thema Schleiftechnologie anbieten kann. Nachdem wir das geprüft und noch weitere Gespräche mit Mitgliedsunternehmen geführt haben, fiel dann der Entschluss, das umzusetzen.

Bleinroth: Aus Sicht der Messe Stuttgart kann ich die Kausalkette, die Herr Schäfer begonnen hat, direkt fortsetzen. Wenn ein langjähriger Partner wie der VDW an uns herantritt, können und wollen wir uns dem nicht verschließen. Gerade dann, wenn die Idee aus einem deutlich artikulierten Bedarf des Marktes entstanden ist. Die Kombination aus Bedarf, dem Commitment des Verbands und unseres Messeplatzes, der dafür perfekt geeignet ist, stellt für uns als Messeveranstalter einen Idealfall dar.

Dass die Ankündigung der Grinding Hub so viel Aufmerksamkeit erregt hat, lag auch daran, dass es mit der Grindtec bereits eine etablierte Messe gibt, der die Grinding Hub nicht nur thematisch, sondern auch zeitlich und räumlich sehr nahekommt. Was antworten Sie Kritikern, die sagen, dass die Grinding Hub einen unnötigen Wettbewerb aufbaut und die Branche schlechterdings verunsichert?

Dr. Schäfer: Das von Ihnen angesprochene Projekt gibt es ja schon seit vielen Jahren und es ist festzuhalten, dass unsere wichtigsten Mitglieder im Bereich Schleifen dort ausstellen. Jetzt sind aber diese Mitglieder auf uns zugekommen und haben den Bedarf an einer neuen Lösung an einem geeigneten Standort ausgedrückt, um das Thema in die Zukunft zu tragen. Und das ist, was wir getan haben. Wenn man sich nur die Firmen ansieht, die sich bereits nach der ersten Präsentation des Messekonzepts klar zu dem Projekt bekannt haben (Anm.d.Red.: unter anderem Anca, Blaser Swisslube, Danobat-Overbeck, DVS Group, Emag, Kapp-Niles, Liebherr Verzahntechnik und United Grinding), zeigt sich , dass sich der Kern der Maschinenhersteller anders orientieren wollte. Und natürlich ist die Grinding Hub in Stuttgart ideal aufgehoben, da die Messe Stuttgart die Metallbearbeitung und deren gesamte Wertschöpfungskette genau wie wir seit vielen Jahren kompetent bedient. Es gibt keine Partnerschaft in Deutschland, die für diese Themen besser aufgestellt wäre.

Bleinroth: Die Reihenfolge ist in diesem Fall wirklich sehr wichtig. Erst war der Bedarf da, dann ist der Bedarf aufgegriffen und anschließend zu einer Lösung geführt worden. Es hat niemand einfach eine Konkurrenzmesse aus dem Ärmel geschüttelt, daran haben wir als Messe Stuttgart auch kein Interesse. In diesem Fall hat es eine erstaunlich vehemente Nachfrage gegeben, was im Messewesen so nicht häufig passiert Dieser faktische Ablauf ist insofern wichtig, da der Verlauf an manchen Stellen anders wahrgenommen beziehungsweise dargestellt wird.

Begibt sich der VDW als eingetragener Verein nicht auch in eine etwas delikate Situation? Immerhin macht man einem privaten Messeveranstalter Konkurrenz…

Dr. Schäfer: Nein, überhaupt nicht. An dieser Stelle ist die Frage zu stellen, was in diesem Kontext ein Verband eigentlich ist. Auch wir sind ein privater Messeveranstalter und es gibt keinen Unterschied zu allen anderen Messeveranstaltern in Deutschland ohne eigenes Messegelände. Die Konstellation, dass ein Verband die Messe ausrichtet, ergibt sich nur daraus, dass wir unseren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unter dem Dach des VDW betreiben. Andere Verbände haben dafür ausgelagerte Service-GmbHs, die zum Teil andere Namen tragen. Wir tun das mit vollem geschäftlichen Risiko und wir haben auch keine besondere Hilfe zu erwarten, wenn wir unseren Job nicht gut machen und eine Messe schlecht läuft.

Die Grinding Hub wird von VDW und Messe Stuttgart gemeinsam ausgerichtet. Wie sieht die Verteilung zwischen den beiden Partnern genau aus?

Dr. Schäfer: Wir haben das gleiche Kooperationskonzept wie bei unseren anderen gemeinsamen Projekten: der VDW ist der Veranstalter und wir bringen unsere Kompetenz in der Messeorganisation mit ein, die Messe Stuttgart ist unser Mitveranstalter und liefert die gesamte Kompetenz und Services, die für die Durchführung vor Ort nötig . Dazu gibt es beispielsweise in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit viele gelernte Wechselwirkungen. Natürlich freuen wir uns auch, dass wir den Schweizer Verband Swissmem als ideellen Träger mit an Bord haben. Gerade in diesem Thema ist die Schweiz ein sehr wichtiger Standort. Und so kommen wir zu einem guten Dreiklang.

Bleinroth: Wie bereits in anderen Projekten bringen wir die Stärken der beiden Partner, das tiefe inhaltliche Know-how auf Verbandsseite und unser Messe-Know-how aus rund 35 Eigenmessen pro Jahr zusammen. Dieses Kooperationsmodell ist nicht neu und auch schon international erprobt. Und natürlich freuen wir uns, dass der VDW gesagt hat, dass man das Projekt wieder mit der Messe Stuttgart durchführen möchte. Man hätte schließlich auch andere Partner zur Auswahl gehabt.

Wie wird sich die Messe konkret thematisch positionieren?

Dr. Schäfer: Der Name ist hier wirklich Programm. Es geht um das Schleifen und natürlich das Superfinishing – und eben nur um diese Themen. Wobei logischerweise immer die Wertschöpfungskette zu betrachten ist. Da soll es nicht einfach Produkte zum Ansehen geben, sondern Lösungen für die Herausforderungen, vor denen die Besucher stehen. Das fängt bei der Produktionsplanung im Bereich der Schleifprozesse an, führt über die Messtechnik bis hin zur Automatisierung.

Bleinroth: Auch deshalb passt die Messe so gut in unsere Philosophie fokussierte Fachmessen auszurichten und der Versuchung zu widerstehen, in die Breite zu gehen.

Es bleibt also auch nach Corona der Kern des Messekonzepts vor Ort Maschinen und Lösungen zu zeigen?

Bleinroth: Sicherlich werden digitale Erweiterungen der Messe auch zukünftig ein Teil des Konzepts bleiben. Aber Corona hat ja gerade gezeigt, dass die Präsenzmesse durch nichts zu ersetzen ist. Der Mensch lebt von der Begegnung und das kann kein Matchmaking-Tool ersetzen. Das gilt besonders in der Investitionsgüterindustrie.

Welches Feedback haben Sie bisher von den möglichen Ausstellern bekommen und gibt es schon Zusagen?

Dr. Schäfer: Ich möchte noch mal die Unternehmen heranziehen, die wir bereits in unserer ersten Veröffentlichung zur Messe als Aussteller bekannt geben konnten. Sie decken im Bereich der Maschinen bereits alle wesentlichen Technologien ab, was für den Start sehr wichtig ist. Mittlerweile haben die beiden Teams von VDW und Messe Stuttgart weltweit mit über 500 Unternehmen gesprochen und die Resonanz ist bisher sehr, sehr positiv. Wir können sagen, dass wir tatsächlich einen Nerv getroffen haben.

Bleinroth: Dieses Feedback bekomme ich auch von dem Team in unserem Haus. Wir sehen aktuell in Bezug auf viele Messen eine große Zurückhaltung bei den Unternehmen. Bei der Grinding Hub ist das aber explizit nicht der Fall. Das Feedback lässt sich mit richtiges Thema, richtiger Platz und ideale Partnerkombination zusammenfassen.

Welche Zahlen sieht Ihr Businessplan bei Ausstellern und Besuchern für die erste Grinding Hub vor?

Dr. Schäfer: Wir planen die Messe aktuell mit vier Messehallen. Natürlich wissen wir aber trotz der positiven Reaktionen der Firmen noch nicht, wie es im nächsten Jahr konjunkturell aussehen wird. Wir haben uns aber darauf vorbereitet, dass wir diese Größe abbilden können. Dabei denken wir natürlich ebenfalls an Hygienevorschriften, denen wir möglicherweise auch im nächsten Jahr noch entsprechen müssen.

Und wie sieht es bei den Besuchern aus?

Dr. Schäfer: Natürlich müssen wir in der Zeit nach Corona erst lernen, ob die Regeln, nach denen wir bisher agiert haben, noch zutreffen. Bei dieser Größenordnung haben wir aber eine positive Erwartung von etwa 15.000 Besuchern.

Bleinroth: Dafür sollten zumindest in Europa Reisebeschränkungen kein Faktor mehr sein.

Und wie sehen Ihre internationalen Pläne darüber hinaus aus?

Bleinroth: Ich bin der Ansicht, wir können die jeweiligen Stärken der beiden Partner gut nutzen. Wir haben bereits sehr gute internationale Kontakte durch bestehende Messen. Auf diese Strukturen können wir jetzt zurückgreifen. Ich denke, dass wir da sehr schnell positive Signale sehen werden.

Können wir in der Zukunft mit weiteren Kooperationen zwischen VDW und Messe Stuttgart rechnen?

Dr. Schäfer: Die Beantwortung dieser Frage liegt teilweise gar nicht bei uns, sondern beispielsweise bei Herrn Biden. Unser sehr interessantes gemeinsames Projekt AMB Iran würden wir nämlich tatsächlich gerne wieder aufleben lassen. Grundsätzlich ist es aber so, dass die Messe Stuttgart den Markt sehr genau beobachtet und wir in sehr engem Austausch mit unseren Mitgliedern stehen. Daraus können dann Projekte wie die Grinding Hub entstehen.

Bleinroth: Und diese Kooperation kann sich auch von Projekt zu Projekt anders ausgestalten. Bei der Amtech, einer neuen Hightech-Messe im chinesischen Shenzhen, hat die Messe Stuttgart beispielsweise als Mit-Organisator eine Führungsrolle inne und hält eine Beteiligung. Der VDW nimmt eine fachliche Rolle ein und unterstützt dieses spannende Projekt mit seinem thematischen Know-how. Sie sehen also, die Themen werden uns nicht ausgehen...

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