Produktfälschung Eingebettetes Sicherheitssystem gegen Produktfälschungen
Oftmals sind Produktfälschungen nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Hologramme bieten ein erhöhtes Schutzlevel, sofern diese nicht nur oberflächlich aufgebracht, sondern als leistungsfähige Technik unmittelbar in das Produkt eingebettet sind. Das heißt: Nur unsichtbare Daten-Hologramme unterstützen den Markenschutz.
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Begrifflich unterscheiden die Experten zwischen Produktpiraterie (Product Piracy) und Produktfälschungen. Bei der Produktpiraterie ist für beide Seiten klar, dass sich Käufer und Verkäufer auf ein Geschäft mit gefälschter Ware einlassen. Bei Produktfälschungen, die jedoch dem Original oft täuschend ähnlich sehen, ist dies anders: Der Käufer handelt in gutem Glauben, das richtige Produkt erworben zu haben (englisch: Counterfeit = Fälschung).
Produktpiraterie und Markenklau boomen. Dadurch gehen selbst einer so wachstumsstarken Branche wie dem Maschinen- und Anlagenbau erhebliche Gewinne verloren. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dürften rund 7% aller Produkte aus gefälschten Quellen stammen.
Rund 200 Mrd. Euro an Folgekosten für die Betriebe entstehen dadurch. Auch rund 70000 Arbeitsplätze pro Jahr dürften nach Schätzung von Marktkennern dadurch allein in Deutschland auf dem Spiel stehen.
„Fälschungen sind nach wie vor ein Thema, das sicherlich nicht kleiner wird, sondern eher noch zunehmen wird und schwer in den Griff zu kriegen ist“, bestätigt Martin Schlatter, bei der Elring-Klinger (EK) AG im Geschäftsbereich Ersatzteile für den technischen Kundendienst zuständig. Dort haben die Experten reichlich zu tun.
Die versteckten Wege der Fälscher
Zwar spielen gefälschte Elring-Klinger-Dichtungen derzeit noch keine große Rolle. „Die Absatzmittler, die den Markt beherrschen, sind klar strukturiert und kaufen bei den Originalherstellern ein“, bestätigt der Experte. Die Wege der Fälscher sind jedoch andere: Sie dringen nämlich gar nicht erst bis zur Abteilung Reklamationen im Stammhaus vor.
Insbesondere auf den osteuropäischen und den Überseemärkten gibt es ein gravierendes Problem. „Es gibt Fälschungen aus der Türkei und Asien, etwa aus China oder Taiwan“, so Schlatter weiter. Infolgedessen seien die dortigen Märkte regelmäßig damit konfrontiert und ziemlich verunsichert.
Oftmals sind die Verpackungen und selbst die Hologramme ziemlich echt nachgemacht. Nur in bestimmten Details wie fortlaufende Produktnummern inklusive der Beschreibungen von Elring-Klinger sind diese überhaupt zu unterscheiden. Fälschungen lassen sich jedoch nur sehr schwer unterbinden.
„Durch die heutigen Technologien kann jede Änderung rasch in gewissem Maße nachgemacht oder reproduziert werden“, bilanziert der Experte. Einen leichten Ausweg aus diesem Dilemma gibt es also kaum. Denn auch die gängigen technischen Alternativen sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht kaum die erste Wahl.
Einsatz von Chips gegen Produktfälschungen oft zu teuer
„Der Einsatz von Chips in das Produkt ist relativ teuer“, so Schlatter weiter. Zum Schutz vor billigen Imitaten sind Markenprodukte „made by Elring“ grundsätzlich mit einem Hologramm gekennzeichnet, das ganz spezifische Eigenschaften aufweist.
Auch andere Industrieunternehmen setzen auf Hologramme. So verwendet etwa die Deutz AG in Köln einen spezifischen Echtheitsnachweis mit Hilfe eines Siegels auf der Verpackung – plus eine spezielle Perforation, die Handel und Endkunden beim Kauf von Motoren vor der allzu plumpen Nachahmung schützen soll.
Jedoch ist es damit allein nicht getan. Das Unternehmen setzt auf mehrstufige Mechanismen, so etwa ein verstecktes Merkmal, das sich nur mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln entdecken lässt.
Hologramme benötigen zusätzliche Prüfmerkmale
Oftmals versuchen die Fälscher nämlich, das Hologramm von alten Teilen zu entfernen und auf Kopien zu übertragen. Nach Angaben von Deutz ist dies ein aussichtsloses Unterfangen, weil die prüfbaren Merkmale eines Hologramms bereits beim Entfernen der Folie zerstört werden.
Mit technischem Know-how beratend zur Seite stehen den Unternehmen aus der Industrie in der Regel spezialisierte Dienstleister, so etwa die Hologram-Company in Witzhave bei Hamburg. Diese offeriert ein ganzes Spektrum an sichtbaren und verborgenen Produktmerkmalen: von speziellen Etiketten für große und schwere Verpackungen bis hin zu Verklebungen für die besonders im Fokus von Plagiatoren stehenden Automobilprodukte.
Neu auf dem Markt hat sich seit einigen Monaten ein aus dem Bayer-Konzern ausgegründetes Unternehmen positioniert. Denn in der Chemie- und Pharmabranche greift Counterfeiting massiv um sich. Nach Angaben der World Health Organization (WHO) sind zwischen 7 und 8% aller weltweit verabreichten Medikamente gefälscht. In wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen liegt dieser Anteil noch höher.
Hologramm-Speichersystem basiert auf Polymeren
Kein Wunder also, dass führende Player wie der Bayer-Konzern versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen – um nicht nur die eigenen Produkte zu schützen, sondern neue Geschäftsfelder aus dem internen Know-how für andere Unternehmen zu entwickeln. „Unser Lösungskonzept basiert allerdings nicht auf Halbleiterprodukten, sondern auf Polymermaterialien“, erläutert Torsten Hupe, Geschäftsführer der Certego GmbH in Garching.
Das holografische Speichersystem Phenostor der Bayer Innovation GmbH bietet Lösungen für das komplexe Management von Identitäten in Unternehmen auf Basis von biometrischen Applikationen, während das Certego-Produkt Certab Lösungen offeriert, die unmittelbar in die Produktsicherung eingebettet sind: Diese zielen auf den Schutz sensitiver Güter im Pharmazie- und im Life-Science-Bereich. Auf der diesjährigen Cebit in Hannover wurde Certab mit dem Innovationspreis der Initiative Mittelstand in der Kategorie Identifikationstechnologien ausgezeichnet.
Um die Produktsicherheit zu erhöhen, die es etwa bei Pflanzenschutzmitteln erlaubt, vor der Aufbringung auf die Felder vor Ort verifiziert zu werden, seien konventionelle, sichtbare Hologramme zu grobmaschig, „während RFID-Lösungen schlicht unwirtschaftlich sind“, gibt Torsten Hupe zu bedenken. Dazu brauche es spezielle Lösungen und keine simplen Aufdrucke, die Sicherheit nur suggerierten, betont der Experte.
Zentraler Bestandteil des „eingebetteten Sicherheitssystems“ ist ein Hightech-Polymer, das als dezentraler Datenspeicher eingesetzt wird: Versteckte Barcodes bis hin zu unsichtbaren, verschlüsselten Daten-Hologrammen können von jedem Etikett im Umfang von mehreren MByte aufgenommen werden.
Daten können im Hologramm auch optisch kodiert werden
Kern der Sicherheit ist dabei die Verschlüsselung. Dies bedeutet, zusätzlich zum konventionellen digitalen Krypto-Verfahren können die Daten auch optisch kodiert werden. „Auf diese Weise wird Schutz vor Kopie, Manipulation oder ungewolltem Auslesen erreicht“, so Hupe weiter. Das System ist dabei modular aufgebaut.
Ergänzend zu den sichtbaren und unsichtbaren Sicherheitsmerkmalen stellt Certab eine forensische Prüf-Methode bereit, mit der sich die Informationen mit Hilfe eines Track-&-Trace-Moduls automatisiert anhand einer Datenbank überprüfen lassen. Zweifellos spiele in diesem Konzept auch die Herkunft „Security made in Germany“ eine Rolle, bilanziert der Experte.
Diese und weitere Aspekte seien im Einzelfall aus Sicht der Unternehmen eine komplexe Kosten-Nutzen-Abwägung. Allerdings hält Torsten Hupe den erhöhten, individualisierten Standardschutz für durchaus erschwinglich, insbesondere unter Berücksichtigung der laufenden operativen Kosten.
Sicherheitsmerkmale unmittelbar vor Auslieferung scharf schalten
Denn aufgrund der hohen Integration müssten die Betriebe zukünftig weniger Produkt-Sicherungsmerkmale über den Produktlebenszyklus pflegen, fasst der Experte zusammen – während neue, wirtschaftlichere Distributionskonzepte eine erhöhte Flexibilität auch von Sicherheits-Labeln erforderlich machten, „die unmittelbar vor Auslieferung ‚scharf‘ geschaltet werden“.
Dass damit absolute Sicherheit zwar nicht gänzlich erreichbar ist, weiß auch Hupe. Aber der selektierte Einsatz geeigneter Funktionen aus einem Sicherungs-Portfolio könne einen ausreichenden Vorsprung vor den Produktfälschern sicherstellen.
Lothar Lochmaier ist Fachjournalist in Berlin
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