Studie Elektroautos jetzt schon reif für den Massenmarkt
Elektroautos lassen sich auch ohne politisch-wirtschaftlichen Kraftakt einführen: Wie die Unternehmensberatung Bain & Company in einer Studie ermittelt hat, gibt es bereits heute einen Markt für jährlich 100000 Elektroautos allein in Europa und 350000 weltweit, der keine aufwendige Infrastruktur durch E-Tankstellen benötigt. In zehn Jahren werde die Hälfte aller neu gebauten Fahrzeuge einen Elektroantrieb besitzen.
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Möglich sei dies als rein batteriebetriebenes Elektroauto, als so genannter Range Extender mit zusätzlichem Stromgenerator oder als Hybrid. Die Batterie, die das Elektroauto heute noch teuer macht, wird durch die Kostensenkungseffekte der Massenproduktion bis zum Jahr 2020 nur noch rund ein Drittel kosten, heißt es in einer Mitteilung der Unternehmensberatung.
Premium-Kunden kaufen Elektroautos
Diese Entwicklung werde vor allem durch die steigende Nachfrage der Kunden beschleunigt, die vom emissionsfreien und lautlosen Fahren begeistert seien. Die typischen Erstkunden würden bereits ein Premiumfahrzeug besitzen. Sie nutzten das Elektroauto als Stadtwagen und akzeptierten das derzeitige Preisniveau sowie den Stand der heutigen Technik.
Wenn sie diesen Trend zur Elektromobilität als Chance wahrnehmen, hätten die deutschen Hersteller eine gute Ausgangslage, um sich am Elektroautomarkt zu etablieren. Das Elektroauto habe bereits heute einen Markt, trotz Mehrkosten von 50%.
Erste große Autohersteller gehen mit Elektroautos an den Markt
Einige der großen Automobilhersteller wollen noch in diesem Jahr erste Elektroautos auf den Markt bringen, die nach Großseriengesichtspunkten entwickelt und produziert werden, heißt es. Es seien der französische Hersteller PSA mit dem Citroën C-Zero, die japanischen Unternehmen Mitsubishi mit dem i-Miev und Nissan mit dem Leaf sowie der chinesische Hersteller BYD mit dem e6s.
General Motors werde mit dem Chevrolet Volt ein ganz neues Elektrofahrzeugkonzept einführen, das sich Range Extender nennt. Der Range Extender sei ein Elektrofahrzeug für die tägliche Mobilität bis zu 60 km. Zusätzlich habe dieses Auto einen kleinen Verbrennungsmotor, der direkt Strom für eine Reichweite bis 400 km erzeuge.
Politik unterstützt Einführung von Elektroautos
Viele Länder, darunter Frankreich, Großbritannien, USA und China, fördern den Kauf eines Elektroautos mit bis zu 7500 Euro, so die Mitteilung. Weiteren Auftrieb soll der Elektroantrieb aus den großen Ballungszentren erhalten, wo die Innenstädte durch die Errichtung von Null-Emissions-Zonen ihre Luftschadstoffe zu verringern suchten. Sobald die Massenfertigung einsetze, errechne die Simulation deutliche Kostensenkungen in der Batterieherstellung, die das Elektroauto ab etwa 2015 für Pendler auch ökonomisch interessant mache.
Das Marktszenario 2020 der Studie prognostiziert, dass in zehn Jahren weltweit die Hälfte aller neu zugelassenen Pkw einen Elektroantrieb besitzt. Die Mehrheit dieser Autos werde neben dem Elektroantrieb noch einen Verbrennungsmotor an Bord haben, entweder als Range Extender oder als Hybrid. 10% aller Neuwagen werden 2020 ausschließlich durch die Batterie gespeist, also reine Elektroautos sein.
Elektroautos lassen sich meist an normalen Steckdosen aufladen
Eine Infrastruktur mit öffentlichen Ladestationen sei nur für die wenigsten Kundengruppen notwendig. 50 bis 80% der Elektroauto-Nutzer würden über eine eigene Garage oder einen Stellplatz verfügen, an dem sie ihr Fahrzeug über Nacht an die normale Haussteckdose aufladen können. Die nächtliche Ladeleistung von 8 bis 10 h für eine Vollladung decke bei weitem den täglichen Energiebedarf des Fahrzeugs. Dazu benötige der Stellplatz lediglich eine gewöhnliche Steckdose, was bereits bei rund der Hälfte der heute existierenden privaten Parkmöglichkeiten der Fall ist.
40 bis 70% der künftigen Nutzer könnten ihr Elektrofahrzeug auf einem Firmenparkplatz im Büro aufladen, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden Lademöglichkeiten einrichtet. Auch hier würden die rund 8 h Arbeitszeit genügen, um das Elektroauto an einer normalen Steckdose mit der täglich benötigten Energie zu versorgen. Lediglich 10 bis 15% der Autofahrer hätten weder zu Hause noch am Arbeitsplatz die Möglichkeit, ein Elektroauto zu laden und seien somit von der Nutzung eines Elektrofahrzeugs ausgeschlossen, solange es keine öffentliche Ladeinfrastruktur gibt.
Elektroautos erfordern keine neuen Kraftwerke
Dass durch die Einführung von Elektroautos neue Kraftwerke gebaut werden müssen, erwartet die Studie nicht. Sogar bei einem Anteil der Elektroautos von 20% stiege der Stromverbrauch laut Prognosen um lediglich 4%. Zudem erfolge das Laden der Fahrzeuge vorwiegend nachts, wenn im Netz ein Stromüberschuss herrscht.
Das Elektroauto sei der größte Technologiesprung in der Geschichte der Automobilindustrie und eine einmalige Chance, die sich kein Hersteller entgehen lassen kann, heißt es weiter. „Viele deutsche Konzerne glauben, die Technik sei aufgrund der bisher maximal 160 Kilometer Reichweite noch nicht serienreif“, sagt Gregor Matthies, Leiter der europäischen Automobil-Praxisgruppe von Bain.
„Doch wer einst beim I-Phone dachte, nur ein Tag Akkuleistung sei zu wenig für den Markterfolg, hat sich ebenfalls geirrt“, erläutert er weiter. Auch das Elektroauto sei nicht nur ein neues Fahrzeug, sondern ein Systemwechsel mit neuen Produktmerkmalen. Seien diese neuen Autos noch dazu „cool“, würden die Nutzer sogar gewisse Einschränkungen akzeptieren.
Märkte für rein batteriegetriebene Elektroautos und Hybridfahrzeuge
Die Studie identifiziere Märkte sowohl für rein batteriegetriebene Fahrzeuge, die nur aus der Steckdose geladen werden, als auch für Elektroautos mit Unterstützung durch einen Verbrennungsmotor. Während das reine Batterieauto vorwiegend als Zweitwagen und als Pendlerfahrzeug eingesetzt werde, könnten Range Extender und Hybride beides.
Sie hätten eine geringere Batteriereichweite, die kleinere Batterie gleiche aber den Mehrpreis des Verbrennungsmotors wieder aus, und sie könnten dafür universell eingesetzt werden. Die Zahl der Innovationen in diesem Bereich sei enorm und eröffne neue Horizonte für alle Automarken.
Die Studie hat insgesamt sieben Thesen zur Entwicklung der Elektromobilität aufgestellt.
1. Spätestens in zehn Jahren ist das Elektroauto ein Massenprodukt. Bis zum Jahr 2020 wird weltweit die Hälfte aller neuen Pkw mit einem Elektroantrieb zugelassen. Vier Fünftel davon werden einen zusätzlichen Verbrennungsmotor an Bord haben, entweder als Zusatzaggregat in Form eines Range Extenders oder als Mild-, Voll- und Plug-in-Hybrid.
2. Das Elektroauto startet jetzt und heute als neues Lifestyle-Produkt. Bereits heute gibt es weltweit jährlich 350000 potenzielle Elektroauto-Kunden, davon 100000 in Europa. Diese Kunden sind wohlhabend, leben in Großstädten und ihre Kaufgründe sind neben Umweltbewusstsein auch Technikbegeisterung, der Wunsch nach Differenzierung und das Bedürfnis, Pionier bei etwas gänzlich Neuem zu sein. Wer ein Elektroauto fährt, möchte auch nach außen zeigen, dass er seinen Beitrag zu Umweltschutz und CO2-Reduzierung leistet.
3. Das Elektroauto ist keine Produktvariante, es ist ein Systemwechsel. Der Kunde kauft mit einem Elektroauto nicht „nur“ ein neues Auto. Er wechselt das System! Das Auto verbraucht Strom statt Benzin, stößt keine Schadstoffe aus, ist flüsterleise und dennoch sehr dynamisch. Für dieses neue Fahrgefühl akzeptiert der Kunde gerne die geringere Reichweite der Elektrofahrzeuge, ein Paradigmenwechsel, der Premium neu definiert: Premium 2.0.
4. Das Elektroauto benötigt keine kostspielige Infrastruktur zum Erfolg. Die meisten potenziellen Elektroautobesitzer brauchen keine öffentliche Infrastruktur, sondern nutzen die eigene Steckdose oder die ihres Arbeitgebers. Die Standardladung kann und wird nachts über den Hausstrom mit 220-V-Stecker erfolgen, auch wenn dafür Ladezeiten zwischen sechs und acht Stunden benötigt werden. Schnellladestationen mit Starkstromtechnik werden die heutigen Tankstellen für Notfälle anbieten.
5. Die vorhandene Elektroauto-Technik ist bereits jetzt „gut genug“. Die reinen Elektroautos der ersten Generation erfüllen trotz ihrer begrenzten Reichweiten bereits heute die Mobilitätsbedürfnisse von 80% ihrer Nutzer. Kundenbefragungen bei Feldversuchen mit Elektroautos bestätigen, dass die Fahrer überwiegend zufrieden mit ihren Fahrzeugen waren. Die deutliche Mehrzahl bewertet die getesteten Elektroautos trotz ihrer gegenüber Serienprodukten noch vorhandenen Handicaps bereits heute als gut genug für ihre täglichen Mobilitätsbedürfnisse.
6. Die Batteriekosten sind bereits 2015 auf einem massentauglichen Niveau. 75% des heutigen Preises für eine Lithium-Ionen-Batterie beruhen auf der Herstellung in Kleinserie mit weitestgehend manuellen Prozessen. Simulationsrechnungen von Bain & Company zeigen jedoch, dass der Preis für eine typische Batterie bereits 2015 auf die Hälfte und 2020 auf ein Drittel der heutigen Preise fallen wird. Unter Berücksichtigung staatlicher Subventionen könnten Elektroauto schon 2015 günstiger fahren als Benziner.
7. Die Elektrifizierung der Autos ist zwingend, alternativlos und unumkehrbar. Die Automobilhersteller werden weltweit durch die CO2-Reduzierungspläne der Regierungen gezwungen, ihren Flottenverbrauch drastisch zu senken. Modellrechnungen zeigen, dass das für 2020 angepeilte EU-Ziel von 95 g/km CO2 nur durch eine weitgehende Elektrifizierung der Flotten erreicht werden kann. Darüber hinaus werden fossile Brennstoffe zunehmend zu knapp und zu teurer, um sie für individuelle Mobilität „verfeuern“ zu können.
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