VDW EMO Hannover 2011 zeigt Fabrik der Zukunft

Redakteur: Stéphane Itasse

Wissen ist Macht – Nicht-Wissen macht ineffizient, auch und gerade was die Fertigung der Zukunft und ihre Erfolgsaussichten auf den globalen Märkten angeht. Davon sind jedenfalls die Forscher des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) überzeugt.

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„Zukunftsorientierte Produktionssysteme erfordern die Nutzung von Wissen auf allen Hierarchieebenen“, sagt IPA-Chef Prof. Dr.-Ing. Engelbert Westkämper. (Bild: Kuhn)
„Zukunftsorientierte Produktionssysteme erfordern die Nutzung von Wissen auf allen Hierarchieebenen“, sagt IPA-Chef Prof. Dr.-Ing. Engelbert Westkämper. (Bild: Kuhn)

So wird denn auch IPA-Chef Prof. Dr.-Ing. Engelbert Westkämper nicht müde, darauf hinzuweisen, dass „zukunftsorientierte Produktionssysteme die Nutzung von Wissen auf allen Hierarchieebenen erfordern“. Die Fabrik der Zukunft, sagt er, „erfordert lernfähige, ganzheitliche Produktionssysteme auf der Basis von Lerneffekten in allen Stufen der Prozessketten von der Konzeption und Konfiguration bis hin zu den After-Sales-Servicebereichen.“ Es gehe darum, durch Integration von Wissensbausteinen in die Engineering-Systeme höhere Produktionsleistungen zu erzielen. Die besondere Innovation liege dabei in der Lernfähigkeit von Simulationssystemen.

Fabrikplanung und Prozessplanung integrieren

Bisher war die IT-Landschaft in produzierenden Unternehmen durch die organisatorische und funktionale Trennung von Planung und operativem Betrieb geprägt. Nach Einschätzung des IPA-Forschers sind die industrielle Produktion und ihre Planung künftig ohne moderne Werkzeuge der Digitalen Fabrik nicht mehr denkbar. Jedoch habe sich die durchgängige und integrierte Fabrik- und Prozessplanung in kaum einem Unternehmen bisher praktisch durchgesetzt.

Das IPA-Forschungsthema „Grid Engineering for Manufacturing“ (GEM) ist laut Westkämper, „ein innovativer Ansatz im Bereich des vernetzten, digitalen und wissensbasierten Herstellungsprozesses, der sich auf die durchgängige und integrierte Entwicklung des Produkts sowie auf die Fabrik- und Prozessplanung konzentriert“. Basierend auf diesem Ansatz wurde am IPA eine Integrationsplattform entwickelt, die eine durchgängige und mehrskalige Fabrik- und Prozessplanung ermöglicht: Das im Februar 2011 eröffnete Demonstrati-onszentrum „Gemlab“ (Grid Engineering for Manufacturing Laboratory).

IT muss Werkzeuge für alle Lebenszyklusphasen liefern

Nur mit einem ganzheitlichen Ansatz, der alle Lebenszyklusphasen einer Fabrik berücksichtigt, sind die Anforderungen an die Produktion der Zukunft zu bewältigen. Ergebnisrelevante Entscheidungen während des Planungsprozesses können nur anhand korrekter und aktueller Informationen getroffen werden. Professor Westkämper: „Insbesondere in den Phasen strategischer Planung und Fabrikbetrieb basieren diese Entscheidungen bisher in der Regel auf unscharfen Informationen.“

Gerade bei der Lösung komplexer Planungsaufgaben sei die enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg also unerlässlich. Fabrikausrüster wünschen sich eine Konfigurierbarkeit der Anlagen aus Baukästen und standardisierten Modulen, um ihren Kunden schneller zuverlässige Anwendungen anbieten zu können. Ferner sollen die Konzepte durch adaptive Systeme schneller an wechselnde Fertigungsaufgaben angepasst werden können.

Der Aufschwung in den ersten Jahren dieses Jahrtausends, erläutert der IPA-Chef, „erhielt deutliche Impulse durch die Informations- und Kommunikationstechnologie und die Mechatronik. Aus der jüngsten Krise entstanden strukturelle Veränderungen und neuartige Produktionskonzepte, die beeinflusst werden durch die aktuellen Megatrends“. Dazu gehören Urbanisierung, Globalisierung, Individualisierung der Produkte, Technik und Nachhaltigkeit.

Wissen zu Wertschöpfung machen

Wissen zu Wertschöpfung zu machen, so Westkämper weiter, sei eine der großen Herausforderungen der Produktionstechnik: „Ich bin überzeugt davon, dass wir Wissen in Form von Modellen, kognitiven IT-Systemen, wissensbasierten Engineering-Systemen und wissensbasierten Steuerungen in vielen organisatorischen und technischen Prozessen für eine zuverlässige und schnelle Veränderung nutzen können.“ Gelinge es, die vergangenen Erfahrungen nicht zu vergessen, sondern wieder zu verwenden, so lassen sich Ziele wie die Null-Fehler-Produktion oder auch schnelle Veränderungen erreichen. Maschinen mit integriertem Prozesswissen lassen sich auch dann wirtschaftlich betreiben, wenn die notwendigen Qualifikationen nicht vorhanden sind.

Den Begriff der Lernfähigkeit von Anlagen und Prozessen erläutert der Professor so: „Lernen ist die Fähigkeit, etwas mit Wissen aus Erfahrungen oder aus der Forschung besser zu machen oder zumindest Fehler nicht zu wiederholen. Gelingt es uns, das Wissen um die Wirkzusammenhänge von Prozessen in Modellen abzubilden und in Werkzeuge der Planung oder der Steuerung wie in Simulationssysteme zu integrieren, so erhalten wir eine höhere Verlässlichkeit.“

Simulationssysteme müssen lernfähig werden

Heutige Modellierungs- und Simulationstechniken laufen Gefahr, dass sie weit weg von der Realität sind oder das Wissen zu abstrakt repräsentieren. Deshalb empfiehlt Westkämper, „Simulationssysteme permanent durch Rückführung des realen Geschehens zu füttern und zu kalibrieren, um sie dann für ein „Look ahead“ einzusetzen. Ich nenne dies ein Lernen aus der Zukunft unter Berücksichtigung der Vergangenheit“.

Beiträge zur Realisierung von Produkteigenschaften mit immer weniger Material oder die Reduzierung von Ausschuss sind zugleich auch Beiträge zur Reduzierung der Energiekosten. Das Lean Manufacturing habe das Qualitätsmanagement und die Logistik perfektioniert:

Nachhaltiges Wirtschaften gehört zu den strategischen Forschungslinien

„Die Wirtschaft weiß um die Methoden, kämpft aber mit den Verfügbarkeiten bei kleinen Mengen in den Supply Chains (Lieferketten) und verschwendet Ressourcen in den logistischen Netzwerken“, sagt der IPA-Chef. Die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens, also das Überleben von Krisen, gehöre mit zu den strategischen Forschungslinien: „Gerade jüngst haben wir erlebt, wie schnell Ressourcen in einer Wirtschaftskrise verloren gehen. Wir brauchen robuste Wirtschaftsmodelle ebenso wie eine zukunftsfähige Technologie, um die Leistungsgrenzen heutiger ganzheitlicher Produktionssysteme zu überwinden.“

Von der EMO Hannover 2011 erwartet Westkämper, dass sie den Innovationspegel der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie widerspiegelt: „Die EMO setzt Trends. Ich bin überzeugt, dass unsere Visionen von der Fabrik der Zukunft auf der EMO erkennbar sein werden.“

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