Energiesparen Energiebedarf in der Produktion lässt sich drastisch drosseln
Bis zu 70 % der Energie kann eine durchdachte Auslegung von Antriebskomponenten in der Automations- und Handhabungstechnik einsparen, so die Ergebnisse eines Forschungsprojektes. Voraussetzung dabei ist der richtige Mix aus Elektronik und Pneumatik, abhängig von den Anforderungen der jeweiligen Anlagen.
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Die Steigerung der Energieeffizienz in der Produktion ist ein komplexes Thema und umfasst ein breites Spektrum von technischen und organisatorischen Maßnahmen. In vielen Unternehmen besteht vor allem aufgrund steigender Energiepreise und wegen eines erhöhten Umweltbewusstseins Handlungsbedarf. Bereits mit einfachen Mitteln können der Energieverbrauch gesenkt und die Energiekosten reduziert werden, wie die Ergebnisse des Forschungsverbundes „Energieeffizienz in der Produktion im Bereich Antriebs- und Handhabungstechnik“, kurz EnEffAH genannt, zeigen.
Stärken von Pneumatik und Elektrik transparent machen
Kürzlich präsentierte der Automatisierungsspezialist Festo gemeinsam mit Partnern die wichtigsten Erkenntnisse. Grundlegende Energiesparkonzepte, von der korrekten Auslegung von Antrieben bis hin zu optimierten Betriebsstrategien, sind das Ergebnis von vier Jahren Forschung. Dazu hat Festo im Projekt EnEffAH mit Unternehmen und Instituten wie der Kaeser Kompressoren AG, dem Institut für Systemdynamik sowie dem Institut für Leistungselektronik und elektrische Antriebe der Universität Stuttgart und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung zusammengearbeitet.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Energieeffizienz einer Anlage maßgeblich vom richtigen Technologiemix bestimmt wird. Der wiederum hängt von der Anforderung der Applikation ab. „Deshalb war es uns wichtig, Anwendern die jeweiligen Stärken der Komplementärtechnologien Pneumatik und Elektrik transparent zu machen“, erklärt Dr. Peter Post, Leiter Research and Programme Strategy der Festo AG & Co. KG. Wie er erläutert, entwickelte der Forschungsverbund Methoden und Simulationswerkzeuge für die Unterstützung bei der Planung, Auslegung und dem Betrieb von Anlagen, einschließlich der Kette der elektrischen und pneumatischen Energiebereitstellung. Damit soll die praktische Umsetzbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse gewährleistet werden.
Potenzial durch Rückspeisung und Zwischenspeicherung heben
„Eine gut durchdachte Auslegung von Antriebskomponenten bietet ein Einsparpotenzial von bis zu 70 %“, konkretisiert Post. So lassen sich beispielsweise durch ein Tool des Forschungsverbundes die dynamischen und statischen Eigenschaften von technischen Systemen simulieren und analysieren oder man kann vorhersagen, wie sich der Antrieb im Bezug auf seinen Energieverbrauch verhält und welche Komponente sich für eine bestimmte Applikation am besten eignet.
Wirkungsgradoptimierende Maßnahmen für elektrische Antriebe erforschte der Verbund EnEffAH für Anwendungen im Start-Stop-Betrieb. Neue Regelungs- und Steuerungskonzepte sowie Monitoring- und Diagnosefunktionen sollen den energieeffizienten Betrieb elektrischer Antriebe gewährleisten können. Zudem stellten die Projektmitglieder ein großes Energieeinsparpotenzial durch Verfahren der Energierückspeisung beziehungsweise -zwischenspeicherung in diesem Bereich fest.
So konnte etwa durch die Speicherung von Bremsenergie im Zwischenkreis Energie rückgewonnen werden, was in einem Probebetrieb mit einem Portalantrieb 17 % der benötigten Energie im Vergleich zur herkömmlichen Betriebsweise einsparte. Insbesondere bei der Verwendung von Druckluft als Energieträger erfordert ein energie- und kosteneffizienter Betrieb von Industrieanlagen eine durchgängige Betrachtung von der Drucklufterzeugung über die Aufbereitung und Verteilung bis hin zur Anwendung.
Softwaregestützte Werkzeuge entlang der Druckluftkette
„Deswegen hat der Forschungsverbund die gesamte Energiekette in der Automatisierung untersucht und eine Lösung entwickelt, die Anwendern helfen soll, Energie effizienter einzusetzen“, erläutert Post. Entlang der Druckluftkette wurden softwaregestützte Werkzeuge geschaffen, die es ermöglichen, die Systeme optimal auszulegen und zu betreiben. Die größte Herausforderung liege darin, die Druckluft auf der einen Seite so effizient wie möglich zu erzeugen und gleichzeitig auf der anderen Seite den Druckluftverbrauch zu optimieren.
Druckluft wird in fast jeder industriellen Fertigung benötigt. In den seltensten Fällen geht dem Einsatz allerdings eine wirklich fundierte Planung voraus. „Die Folge sind ein viel zu hoher primärer Energieverbrauch, nicht genutzte Möglichkeiten der Energierückgewinnung und damit viel zu hohe Energiekosten für den Betrieb, die deutlich reduziert werden könnten“, konstatiert Erwin Ruppelt, leitender Projektingenieur der Kaeser Kompressoren AG und zuständig für die Studie.
Wärmerückgewinnung wird immer noch unterschätzt
Fast in jedem Industriebetrieb ist die Wärmenutzung von Kompressoren möglich, wird aber nicht betrieben. „Falsch eingesetzte Komponenten im Druckluftsystem können so zu bis um 20 % höheren Energiekosten führen, die leicht vermieden werden können“, weiß Ruppelt. In Zeiten weiter steigender Strompreise ist das ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Wie er darlegt, sind nicht die vielleicht notwendigen Investitionen für eine Optimierung das Problem, sondern vielmehr, dass die meisten Unternehmen sich nicht bewusst sind, welches Potenzial in ihren eigenen Räumen schlummert: „Viele Firmen wissen einfach nicht, dass sie in diesem Bereich das Geld quasi zum Fenster hinauswerfen, das sie eigentlich sparen könnten.“
Die Studie leistet Aufklärungsarbeit. Durch die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit haben sich interessante Ergebnisse gezeigt. „So hat sich, neben dem aufgedeckten Einsparpotenzial, zum Beispiel Pneumatik als wesentlich energieeffizienter herausgestellt, als sie zuvor in singulären Studien dargestellt wurde“, betont Ruppelt. In der EnEffAH-Studie konnten Elektrik und Pneumatik erstmals direkt miteinander verglichen werden.
Und siehe da, es zeigte sich, dass es für jede Technik den optimalen Einsatzbereich gibt. Weder Elektrik noch Pneumatik alleine sind die ideale Lösung für eine wirtschaftliche Produktion. „Je höher die Endlagekräfte, je länger die Haltedauer und je größer die Hublänge, desto vorteilhafter ist die Pneumatik“, freut sich Ruppelt. Eine Kombination beider Techniken sei deshalb unter Umständen ratsam.
Es gibt keine keine Pauschallösungen
Ruppelts Fazit der Studie: „Es gibt jede Menge Handlungsbedarf in der Industrie, aber keine Pauschallösung. Jeder Betrieb ist einzigartig und erfordert eine entsprechend einzigartige Analyse des Bedarfs und der individuellen Lösung im Bereich Drucklufterzeugung, -aufbereitung, -verteilung und -anwendung.“ Die vorhandenen Rohsysteme seien längst nicht optimal. Auch im Bereich der Steuerungen und der Platzierung von Druckluftbehältern im Druckluftsystem lassen sich bisher noch unerschlossene Potenziale nutzen, damit Druckluft an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit in der richtigen Menge energiesparend und effizient zur Verfügung stehe. Bleibt nun nur zu hoffen, dass Unternehmen die Zeichen der Zeit in Sachen Energieeinsparung erkennen und aktiv werden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, wie eine Befragung der Felten GmbH in Serrig zeigt. Danach geben 29 % der über 260 befragten Produktionsbetriebe an, dass Green Production inzwischen eine hohe Priorität erlangt hat. Zusätzlich wird in jedem dritten Unternehmen aktuell dazu intensiv über die strategische Positionierung diskutiert. Lediglich ein Siebtel der Firmen sieht in dem Thema noch keine ausreichende Substanz, um sich damit intensiver auseinanderzusetzen. Für weitere 20 % ist Green Production derzeit erst punktuell relevant.
Konzeptionelle Ausrichtung fehlt häufig noch
„Doch ganz unabhängig davon, ob seitens der Verantwortlichen bereits eine konkrete Beschäftigung mit diesem Thema besteht, resultiert die Motivation für energieeffiziente Produktionsverhältnisse in besonderem Maß aus wirtschaftlichen Überlegungen“, sagt Firmenchef Werner Felten. Dieses Bekenntnis gibt fast die Hälfte der befragten Firmen ab, während sich nur für 29 % ein primär ökologisches Denken dahinter verbirgt.
Bis 2013 wollen sich zwei Drittel der befragten Produktionsfirmen diesem Thema nachdrücklich gewidmet haben. Dass sie sich nicht zügiger auf Green Production ausrichten, liegt wohl an der fehlenden konzeptionellen Ausrichtung. Erst jedes siebte Unternehmen verfügt schon über die nötigen Maßnahmenplanungen. Ähnlich viele entwickeln derzeit ihre Strategie zur CO2-Minderung. Weitere 17 % haben dies in den nächsten Monaten vor, ein Viertel der Unternehmen im kommenden Jahr. „Die hauptsächliche Aufgabe wird darin bestehen, die Voraussetzungen für die Datenanalyse zu schaffen“, meint Felten. Erst damit sei es möglich, die gesamten Energieverbraucher zu bewerten und ein Maßnahmenmanagement für kontinuierliche Optimierung aufzubauen.
„Die Produktionsbedingungen müssen angesichts der Notwendigkeiten, sich gezielt dem Energiemanagement zu widmen, ganz neu akzentuiert werden. Dies geht mit erheblichen Herausforderungen einher, die zu bewältigen sind“, betont Felten. Andererseits verweist er auf die Perspektiven: „Rein wirtschaftlich betrachtet sind Kostenersparnisse in ganz erheblicher Größenordnung zu erzielen, deshalb rechtfertigen sich diese Investitionen ganz unabhängig vom heutzutage ebenfalls sehr wichtigen ökologischen Aspekt auf jeden Fall.“
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