CNC-Drehtisch Getriebekomponenten für E-Bikes in einem Arbeitsgang bearbeiten

Besonders wirtschaftlich ist das Maschinenkonzept eines Zerspanungsdienstleisters zur Bearbeitung von Getriebekomponenten für E-Bikes. Die Basis ist eine dreiachsige Hyundai-WIA i-Cut 400TD. Die Ergänzung: ein CNC-Drehtisch von pL Lehmann mit einer individuellen Spannvorrichtung.

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Der pL Lehmann-Drehtisch EA-507 schwenkt die von Mull entwickelte Spannvorrichtung mit ihren vier Nestern. Die Bauteile dürfen leider nicht gezeigt werden.
Der pL Lehmann-Drehtisch EA-507 schwenkt die von Mull entwickelte Spannvorrichtung mit ihren vier Nestern. Die Bauteile dürfen leider nicht gezeigt werden.
(Bild: pL Lehmann)

„Als Dienstleister für jegliche Zerspanungsaufgaben müssen wir maximal flexibel sein, um gegen internationale Mitbewerber bestehen zu können“, beschreibt Felix Mull, Geschäftsführer der Andreas Mull Werkzeugbau und Zerspanungstechnik GmbH die wichtigste Herausforderung für sein Unternehmen. „Daher haben wir uns so aufgestellt, dass wir nahezu jeden Auftrag übernehmen können, vom Prototyp bis zur Großserie mit Stückzahlen in Millionenhöhe.“

Mull hat im Werkzeugbau und der Einzelfertigung seinen Ursprung und ist stetig gewachsen. Als zu Kleinserien und mittelgroßen Aufträgen auch Anfragen aus der Automobilindustrie kamen, Aluminium- und Magnesium-Druckgussteile in Großserien zu bearbeiten, zögerte Felix Mull nicht mit seiner Zusage.

Wir haben in den letzten Jahren mehrfach bewiesen, dass wir auch solche Aufgaben beherrschen. Allerdings benötigt die Serienfertigung andere Abläufe, sodass wir dafür eine eigene Firma gegründet haben.

Felix Mull, Geschäftsführer der Andreas Mull Werkzeugbau und Zerspanungstechnik GmbH

Die AM CNC-Präzisionstechnik GmbH ist mit 16 Beschäftigten in einer separaten Halle auf dem gleichen Firmengelände angesiedelt, wie die größere Schwester Mull Werkzeugbau und Zerspanungstechnik mit ihren rund 40 Mitarbeitern.

Mull bedient Kunden aus verschiedensten Branchen – aus der Automobil- sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie, Elektromobilität, Fahrwerks- und Messtechnik sowie dem allgemeinen Maschinenbau. Kernkompetenz ist die Zerspanung von Stahl- und Aluminiumwerkstoffen, Magnesium, Titan und Kunststoffen.

Wir unterstützen unsere Kunden auch bei Entwicklungsaufgaben und haben Erfahrung im Vorrichtungsbau und der Automatisierung.

Felix Mull, Geschäftsführer der Andreas Mull Werkzeugbau und Zerspanungstechnik GmbH

Dabei weist er auf den qualifizierten Mitarbeiterstamm und den modernen CNC-Maschinenpark hin, der mit 5-Achs-Bearbeitungszentren, Horizontalmaschinen mit Wechseltisch und Drehzentren unterschiedlichster Hersteller bestückt ist, in vielen Fällen automatisiert. Dies sei die Grundlage seines erfolgreichen Geschäftsmodells, meint der gelernte Maschinenbautechniker und Meister.

Und wenn für einen interessanten Auftrag keine passende Maschinenkapazität zur Verfügung steht, investieren wir dementsprechend passgenau für die gewünschten Produkte.

Felix Mull, Geschäftsführer der Andreas Mull Werkzeugbau und Zerspanungstechnik GmbH

So geschehen für einen Auftrag, der verschiedene Gehäuse- und Getriebeteile eines E-Bike-Motors umfasst. Neben verschiedenen einseitig zu bearbeitenden 3-Achs-Teilen bestand die Herausforderung vor allem in einem unbeschichteten Magnesium-Bauteil, das vorder- und rückseitig zerspant werden muss – was Felix Mull gerne in einem Arbeitsgang erledigen wollte.

Verfügbarkeit und Hauptzeitparalleles Rüsten waren Grundvoraussetzung

Das Fertigungsteam durchdachte verschiedene Konzepte: mehrachsige Maschinen, Doppelspindler, Einspindler etc.. Hauptzeitparalleles Rüsten war Grundvoraussetzung, und eine weitere Automatisierung sollte in jedem Fall möglich sein. „Wenn wir Maschinen auftragsbezogen kaufen“, erklärt der Firmenchef, „muss die Lösung exakt passen, was die Leistung anbelangt, aber auch bezüglich des Platzbedarfs und Energieverbrauchs. Außerdem ist die Verfügbarkeit ein K.O.-Kriterium. Wir können dann nicht ein halbes Jahr oder länger auf die Installation warten.“

Das beste Angebot für die Fertigung der Gehäuse- und Getriebeteile erhielt er von ARO-tec aus Bielefeld. Geschäftsführer Sebastian Lebioda und Verkaufsleiter Oliver Stabenow unterbreiteten es auf der EMO 2019: „Wir konnten der Firma Mull vier Hyundai WIA i-CUT 400TD Maschinen zu sehr gutem Preis anbieten und sofort liefern.“ Das südkoreanische Unternehmen Hyundai WIA ist seit 2000 im eigenen Land Marktführer für Werkzeugmaschinen und als verhältnismäßig kleines Rädchen eingebunden in einen riesigen Konzern, der als Global Player in verschiedensten Branchen tätig ist: als Stahlproduzent, im Schiffs-, Schwermaschinen- und Anlagenbau, als Logistikunternehmen und vieles mehr.

Die kompakten, vertikalen Bohr-Fräszentren Hyundai WIA i-Cut 400TD sind mit einem Wechseltisch ausgestattet, der eine Aufspannfläche von jeweils 650 Millimeter × 400 Millimeter bietet. Auch die anderen Maschinendaten (direkt angetriebene Spindel mit BBT30 Schnittstelle und einer maximalen Drehzahl von 12.000 min-1, Span-zu-Span-Zeit 1,72 sec, Eilgänge bis 5 6 m/min) passten für die maximal 300 Millimeter großen Druckgussteile.

Um die beidseitig zu bearbeitenden Komponenten in einem Arbeitsgang zerspanen zu können, überlegte Felix Mull sich, eine der vier Hyundai WIA i-Cut 400TD Maschinen mit einer zusätzlichen Drehtischlösung zu ergänzen. Auf der EMO 2019 hatte er sich auch diesbezüglich umgesehen und einen Favoriten in pL Lehmann entdeckt.

Mit der Information, dass er den Drehtisch bereits innerhalb weniger Tage bekommen könnte, ging Mull in die Gespräche mit den ARO-tec-Vertretern, denen pL Lehmann schon aus früheren Projekten bekannt war. Sebastian Lebioda erklärt: „Wir sehen uns als Lösungsdienstleister, der nicht nur Hyundai-Maschinen vertreibt, sondern Gesamtpakete für die Fertigung schnürt bis hin zur vollständigen Automatisierung. Daher pflegen wir natürlich zu den führenden Lieferanten ergänzender Komponenten gute Kontakte.“

In einem Dreierteam lief die weitere Planung ab. Der Drehtisch-Fachmann von pL Lehmann (in Deutschland vertreten von pL Solutions Deutschland – operated by IVO Oesterle NC-CNC Technik Vertriebs GmbH) schlug die „Light“-Variante EA-507 vor, da die Belastung verhältnismäßig gering ist, sodass die Klemmwerte von 300 Nm vollkommen ausreichen. Auch die anderen Leistungsdaten (Drehzahl bis 66,7 min-1, Vorschubmoment bis 80 Nm, Taktzeit 180° bis 0,53 sec.) überzeugten Felix Mull.

Spannvorrichtung sowie das Gegenlager wurden selbst konstruiert und gebaut

Er stimmte zu und übernahm selbst einen weiteren Part: „Um die Bauteile optimal anordnen zu können, haben wir nur den pL-Grundtisch gekauft, die Spannvorrichtung sowie das Gegenlager jedoch selbst konstruiert und gebaut.“ Die von Mull konstruierte Spannbrücke kann insgesamt vier Bauteile aufnehmen, von denen zwei einseitig und zwei beidseitig zerspant werden. Die Rückseitenbearbeitung geschieht nach einer 180-Grad-Drehung der pL-Achse über gefräste Durchbrüche in der Vorrichtung.

Die Vorbereitung und Inbetriebnahme war Teamarbeit. Zunächst erarbeitete ARO-Tec ein Drehdurchführungskonzept, um die beiden Arbeitstische und die darauf befindlichen Zusatzachsen mit Daten-, Strom- und Hydraulikleitungen zu versorgen. Auch die von Mull gewünschte Airsensorik zur Überprüfung der Spannung wurde dabei berücksichtigt. Felix Mull lobt: „ARO-tec hat hier sehr gute Arbeit geleistet und eine Lösung entwickelt, die den armdicken Strang aufnimmt und Kabel sowie Leitungen durch den Tisch zu den benötigten Anschlüssen führt. Für die hydraulische Spannung der Bauteile wurden die Leitungen außerdem durch die Drehdurchführung des Lehmann-Tisches geführt, die eine super Option darstellt.“

Achse samt Spannvorrichtung und Sensoren voll in die Maschinensteuerung integrieren

Ein Knackpunkt war noch die Ansteuerung des Drehtisches und der Sicherheitssensoren über die Fanuc-CNC. Denn für die Hyundai WIA i-CUT 400TD war die vierte bzw. fünfte Achse (je eine auf den beiden Arbeitstischen) zunächst nicht vorbereitet. Auch hierfür arbeitete Felix Mull mit seinen Lieferanten eng zusammen. Mit dem Input des Drehtisch-Herstellers pL Lehmann konnte ARO-tec die PLC vor Ort so anpassen, dass nun die Achse samt Spannvorrichtung und Sensoren voll in die Maschinensteuerung integriert ist.

Mull ist mit seiner Fertigungslösung zufrieden: „ARO-tec und pL Lehmann haben sich als zuverlässige Partner gezeigt, mit denen wir auf Augenhöhe arbeiten können. Maschine, CNC und Drehtisch arbeiten perfekt zusammen und erreichen die Präzision, die wir benötigen, zum Beispiel Positionstoleranzen von 0,05 mm auf Umschlag.“ Das gesamte System läuft seit über einem Jahr fehlerfrei, wie der Geschäftsführer ergänzt, und seinen Berechnungen zur Folge hat sich auch die erwartete Nachhaltigkeit eingestellt. Der Platzbedarf sei minimal und der Stromverbrauch gering. Daran habe auch der pL-Drehtisch einen großen Anteil, denn er benötige deutlich weniger Energie als eine große, festverbaute Tischachse. „Als nächstes gehen wir die Automatisierung mit einer vorgeschalteten Roboterzelle an“, verrät Felix Mull seine Pläne. „Dann wird das Fertigungssystem wirtschaftlich noch attraktiver.“

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