Werkzeug- und Formenbau Glattdrücken mit Diamanten optimiert gehärtete Stahloberflächen
Anbieter zum Thema
Forschende an der TU Berlin haben sich überlegt, wie man Komponenten von Spritzgießwerkzeugen oberflächentechnisch günstiger optimieren könnte. Hier einige Ergebnisse.

Der Werkzeug- und Formenbau stellt eine Schlüsseltechnologie für die replikative Herstellung von wirtschaftlich relevanten Kunststoffbauteilen im Bereich der Medizintechnik und des Automobilbaus dar. Für den notwendigen Spritzgussprozess werden hierbei gehärtete Stahlwerkstoffe angewandt, welche stetig steigenden Anforderungen hinsichtlich der Formgenauigkeiten GF und der Oberflächenrauheitskennwerte unterliegen [BEL13, REI13]. Von übergeordneter Bedeutung ist hierbei unter anderem der Mikrospritzguss, welcher Anwendungen in Klein-, Mittel- und Großserien ermöglicht [KLC05].
Zur Herstellung von speziellen Formeinsätzen wird zum aktuellen Stand der Technik die Hochpräzisionszerspanung mit Schneidstoffen aus polykristallinem Diamanten (PKD) oder beschichteten Hartmetallwerkzeugen eingesetzt. Diese Technologie unterliegt jedoch großen Herausforderungen hinsichtlich der Endbearbeitung zur Realisierung geringer Oberflächenrauheits-Kennwerte und hoher Formgenauigkeiten GF. Die bei der Zerspanung erreichbaren Oberflächenrauheits-Kennwerte sind grundlegend vom Vorschub f abhängig, welcher sich auf der zu bearbeitenden Werkstückoberfläche abbildet.
Insbesondere zur Entwicklung von dedizierten Schlichttechnologien wird eine gezielte Anpassung der Prozessparameter mit reduzierten Vorschüben f notwendig, wodurch jedoch die Bearbeitungszeiten tB erheblich erhöht und die Wirtschaftlichkeit deutlich reduziert werden. Darüber hinaus werden durch den Zerspanungsvorgang Eigenspannungen σ frei, welche in einem Bauteilverzug resultieren können und die erreichbaren Formgenauigkeiten GF dadurch limitiert werden. Eine Möglichkeit diesen Herausforderungen zu begegnen, besteht in der Entwicklung einer spezifischen Glattdrücktechnologie auf Fräsmaschinen zur wirtschaftlichen Bearbeitung von gehärteten Stahlwerkstoffen
Versuchsaufbau und -durchführung
Basierend auf den zum Stand der Technik bestehenden Herausforderungen wurden Untersuchungen zur Nachbearbeitung des gehärteten Stahlwerkstoffs Elmax Superclean vom Typ PMX170CrVMo18-3-1 zur Erzeugung technischer Oberflächen mit arithmetischen Mittenrauwerten von Ra ≤ 80 nm mit Vorschubgeschwindigkeiten von vf ≥ 6.000 mm/min durchgeführt. Außer der Auswahl des Schneidstoffs und des zu bearbeitenden Werkstoffs wird das Arbeitsergebnis maßgeblich vom Einsatz der Prozessparameter bestimmt. Das für das Fertigungsverfahren eingesetzte Glattdrückwerkzeug besteht aus einem Hartmetallschaft, einem Stahlgehäuse mit integriertem Federkern sowie einem Glattdrückkopf aus PKD. Das Funktionsprinzip des Glattdrückwerkzeugs basiert auf einer vorgespannten Feder mit einer Federkonstanten von cF = 34,4 N/mm, wodurch ein definiertes Einstellen der Prozesskraft FPr ermöglicht wird. Die Prozesskraft FPr wird hierbei über eine Kraftmessplattform und eine axiale Zustellung aP des in Z-Richtung beweglichen PKD-Glattdrückkopfs eingestellt. Dies ist für den Umformprozess von entscheidender Bedeutung, da hiermit die notwendige werkstoffspezifische Flächenpressung pB erreicht wird und an die jeweiligen Werkstoffe angepasst werden kann.
Für die experimentellen Untersuchungen wurde das in Kooperation mit der Baublies AG aus Renningen entwickelte Werkzeug mit einem Glattdrückkopf aus PKD des Typs PKD 001 und einem Sphärenradius von rSp = 3,0 mm eingesetzt.
Bearbeitet wurde während der gesamten Versuchsdurchführung auf der 5-Achs-Hochpräzisions-Werkzeugmaschine PFM 4024-5D der Primacon GmbH aus Peißenberg. Im Ausgangszustand wies der eingesetzte Werkstoff eine Härte nach Vickers Hv,w = 693,8 HV auf. Die messtechnische Analyse der gefertigten Oberflächen sowie der Härte H in der oberflächennahen Randschicht erfolgte mittels des taktilen Rauheits- und Konturmessgeräts Hommel-Etamic nanoscan 855 von der Jenoptik AG. Im Vorfeld der Untersuchungen wurde mithilfe der Fräsbearbeitung eine definierte Ausgangsfläche AA mit einem arithmetischen Mittenrauwert von Ra = 1,2 µm erzeugt. Eingesetzt wurde dabei ein Kugelfräswerkzeug mit einem Durchmesser D = 1 mm und einer Schneidenanzahl von z = 2. Zur detaillierten Analyse der Oberflächenqualität wurde der Einfluss der Prozesskraft FPr, der Vorschubgeschwindigkeit vf sowie der seitlichen Zustellung ae auf den arithmetischen Mittenrauwert Ra untersucht. Die Ergebnisse sind zusammenfassend in Bild 1-1 dargestellt.
Die ersten Versuchsergebnisse
Das Bild 1-1a) zeigt dabei den Verlauf des arithmetischen Mittenrauwertes Ra in Abhängigkeit von
der Vorschubgeschwindigkeit vf. Bei einer seitlichen Zustellung von ae = 10 µm sowie einer Prozesskraft von FPr = 40 N wurde im Mittel ein arithmetischer Mittenrauwert in einem Bereich von 0,08 µm ≤ Ra ≤ 0,10 µm messtechnisch erfasst. Sowohl bei einer Vorschubgeschwindigkeit von vf = 2.000 mm/min als auch bei vf = 6.000 mm/min wurde durchschnittlich ein arithmetischer Mittenrauwert von Ra = 0,08 µm ermittelt, womit nachgewiesen werden konnte, dass die Vorschubgeschwindigkeit vf in diesem Bereich keinen signifikanten Einfluss auf den Verlauf des arithmetischen Mittenrauwertes Ra ausübt.
Dies stellt einen entscheidenden Vorteil im Vergleich zur spanenden Bearbeitung dar. Mit Einsatz des Glattdrückens können somit deutlich höhere Vorschubgeschwindigkeiten vf bei der Schlichtbearbeitung eingesetzt und dadurch die Wirtschaftlichkeit signifikant gesteigert werden.
Zur Untersuchung des Einflusses der seitlichen Zustellung ae auf die Ausprägung des arithmetischen Mittenrauwerts Ra in Bild 1-1b) wurde eine Prozesskraft von FPr = 40 N sowie eine Vorschubgeschwindigkeit von vf = 6.000 mm/min verwendet. Hierbei zeigt sich im Mittel ein arithmetischer Mittenrauwert in einem Bereich von 0,08 µm ≤ ae ≤ 0,34 µm, wobei der geringste arithmetische Mittenrauwert von Ra = 0,08 µm bei einer seitlichen Zustellung von ae = 10 µm erzielt wurde. Der arithmetische Mittenrauwert Ra steigt mit größer werdender seitlicher Zustellung ae linear an, was auf die geänderten Eingriffsbedingungen und damit einhergehende Erhöhung der theoretischen Rautiefe Rth zurückzuführen ist.
Abschließend sind die Prozesskräfte FPr in Abhängigkeit zum arithmetischen Mittenrauwert Ra in Bild 1-2 c) illustriert. Verwendet wurden dabei eine seitliche Zustellung von ae = 10 µm sowie eine Vorschubgeschwindigkeit von vf = 6.000 mm/min. Der geringste arithmetische Mittenrauwert von Ra = 0,08 µm wurde im Mittel bei einer Prozesskraft von FPr = 40 N gemessen, wobei mit steigender Prozesskraft FPr ein linear ansteigender Verlauf des arithmetischen Mittenrauwerts Ra nachgewiesen werden konnte. Begründen lässt sich dieser Verlauf damit, dass bei steigenden Prozesskräften FPr mehr Werkstoff als für den Umformvorgang notwendig ist plastisch verdrängt wird. Das überschüssige plastisch verdrängte Werkstoffvolumen Vw wird dabei neben dem Glattdrückwerkzeug aufgeworfen. Es ist davon auszugehen, dass das Umformverhalten des eingesetzten Stahlwerkstoffs vom Typ Elmax Superclean bei der Verwendung von Werkzeugen mit einem Glattdrückkopf aus PKD durch geringere Prozesskräfte FPr gesteigert wird.
Effekte auf die oberflächennahen Randschichten
Neben dem Nachweis zur deutlichen Reduzierung der Oberflächenrauheits-Kennwerte um bis zu 94,3 % bei der Nachbearbeitung des Stahlwerkstoffs Elmax Superclean konnten zudem Veränderungen der oberflächennahen Randschicht in Form von Härtesteigerungen durch den Glattdrückprozess nachgewiesen werden. Somit können durch das Glattdrücken sowohl die Oberflächenrauheits-Kennwerte deutlich reduziert als auch die Werkstückhärte nach Vickers Hv,w um bis zu 21,2 % gesteigert werden. Die mittels Glattdrücken erzeugten Flächen A wurden dabei mit dem Kleinhärte-Prüfgerät Miniload 2 der Ernst Leitz Wetzlar GmbH aus Wetzlar, nach dem Verfahren von Vickers messtechnisch analysiert. In Bild 1-2 ist die Werkstückhärte nach Vickers Hv,w in Abhängigkeit der Vorschubgeschwindigkeit vf, der Prozesskraft FPr sowie der seitlichen Zustellung ae dargestellt.
Für die Untersuchungen der Werkstückhärte nach Vickers Hv,w in Abhängigkeit der seitlichen Zustellung ae in Bild 1-2a) wurde eine Prozesskraft von FPr = 90 N sowie eine Vorschubgeschwindigkeit von vf = 6.000 mm/min verwendet. Hierbei zeigte sich im Mittel eine Werkstückhärte nach Vickers H zwischen 693,8 HV10 ≤ Hv,w ≤ 841,3 HV10. Die höchste Werkstückhärte Hv,w = 841,3 HV10 wurde bei einer seitlichen Zustellung von ae = 10 µm messtechnisch erfasst. Hierbei ist erkennbar, dass mit Zunahme der seitlichen Zustellung ae eine Reduzierung der Werkstückhärte nach Vickers Hv,w einhergeht. Zurückzuführen ist das auf die Anzahl überlagerter Glattdrückbahnen aGDB, wodurch bei einer reduzierten seitlichen Zustellung ae die Gesamtfläche AG mehrmals umgeformt wird
Bei der Anwendung einer seitlichen Zustellung von ae = 90 µm sowie einer Vorschubgeschwindigkeit von vf = 6.000 mm/min wurde weiterführend der Verlauf der Werkstückhärte nach Vickers Hv,w in Abhängigkeit der Prozesskraft FPr in Bild 1-2b) dokumentiert. Im Mittel ist eine Werkstückhärte nach Vickers in einem Bereich von 693,8 HV10 ≤ Hv,w ≤ 805,2 HV10 messtechnisch erfasst worden, wobei ein linearer Verlauf mit steigender Prozesskraft FPr zu beobachten ist. Die höchste Werkstückhärte Hv,w = 805,2 HV10 konnte hierbei bei einer Prozesskraft FPr = 90 N identifiziert werden.
Grundsätzlich lässt sich erkennen, dass die Vergrößerung der Prozesskraft FPr die höchste Steigerung der Werkstückhärte nach Vickers Hv,w bewirkt. Zurückzuführen ist dies auf die mit steigenden Prozesskräften FPr vergrößerte Flächenpressung pB, welche den Umformprozess signifikant beeinflusst und eine gezielte Härtesteigerung ermöglicht.
Abschließende Untersuchungen
Schließlich wurden Untersuchungen bezüglich der Werkstückhärte nach Vickers Hv,w in Abhängigkeit der Vorschubgeschwindigkeit vf durchgeführt. Verwendet wurden dabei eine
seitliche Zustellung von ae = 90 µm sowie eine Prozesskraft von FPr = 90 N. Im betrachteten
Parameterbereich konnten Werkstückhärten nach VICKERS in einem Bereich zwischen 693,8 HV10 ≤ Hv,w ≤ 799,3 HV10 dokumentiert werden, welche in Bild 1-3c) dargestellt sind. Die höchste Werkstückhärte von Hv,w = 799,3 HV10 konnte im Mittel bei einer Vorschubgeschwindigkeit von vf = 6.000 mm/min beobachtet werden, wobei die Variation der Vorschubgeschwindigkeit vf keinen signifikanten Einfluss auf die Änderung der Werkstückhärte nach Vickers Hv,w aufweist.
Zusammenfassung und Ausblick
Das übergeordnete Ziel der Untersuchungen war die Entwicklung einer dedizierten Technologie zur gezielten Nachbearbeitung des Stahlwerkstoffs Elmax Superclean vom Typ PMX170CrVMo18-3-1 unter Einhaltung von arithmetischen Mittenrauwerten Ra ≤ 80 nm bei deutlich gesteigerten Vorschubgeschwindigkeiten von vf ≥ 6.000 mm/min. Für die Untersuchungen wurde der arithmetische Mittenrauwert Ra in Abhängigkeit der Prozesskraft FPr, der Vorschubgeschwindigkeit vf und der seitlichen Zustellung ae analysiert, wobei geeignete Prozessparameter zur Schlichtbearbeitung identifiziert und eine erhebliche Reduzierung des arithmetischen Mittenrauwerts von Ra = 94,3 % erzielt werden konnten. Neben dem Einfluss auf die Oberflächenqualität hat sich gezeigt, dass das Verfahren des Glattdrückens ebenfalls die Werkstückhärte nach Vickers Hv,w in der oberflächennahen Randschicht maßgeblich beeinflusst und deutliche Härtesteigerungen um bis zu 21 % erzielbar sind.
Durch die im Umformprozess resultierenden Eingriffsbedingungen infolge der Anwendung der Glattdrücktechnologie werden zudem Druckeigenspannungen σD in den Werkstoff eingeleitet, wodurch eine Freisetzung von Eigenspannungen σ und damit ein Bauteilverzug bei der Nachbearbeitung verhindert wird. Auf Basis der Ergebnisse konnte eine dedizierte Prozesskette, bestehend aus Fräsen und nachgelagertem Glattdrücken mit PKD, zur wirtschaftlichen Nachbearbeitung des Stahlwerkstoffs Elmax Superclean mit arithmetischen Mittenrauwerten von Ra ≤ 80 nm und Vorschubgeschwindigkeiten von vf ≥ 6.000 mm/min entwickelt werden. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen sollen in zukünftigen wissenschaftlichen Untersuchungen weitere werkstoffspezifische Analysen sowie eine detaillierte Verschleißbetrachtung des eingesetzten Werkzeugs mit einem Glattdrückkopf aus PKD erforscht werden.
Anmerkung: Dieser Beitrag lautet im Originaltitel: „Oberflächennachbearbeitung gehärteter Stahlwerkstoffe durch Glattdrücken mit polykristallinem Diamanten“. Mehr vom Glattdrücken
Literatur
[BEL13] Bellantone, V.; Surface, R.; Trotta, G.; Fassi, I.: Replication capability of micro injection moulding process for polymetric parts manufacturing. The International Journal of Advanced Manufacturing Technology (2013), S. 1.407 – 1.421.
[KLC05] Klocke, F.; Von Bodenhausen, J.; Arntz, K.: Prozesssicherheit bei der Mikrofräsbearbeitung - Herausforderung für den Mikroformenbau. wt Werkstattstechnik Nr. 11/12, 2005, online 95, S. 882 – 886.
[REI13] Reinhardt, P.: Wachstumsmarkt Medizintechnik: Zugang, Anwendung und Prozesse. Vogel Business Media GmbH & Co.KG., 2013.
(ID:47890854)