Christian-Doppler-Labor Hochleistungslegierungen unter der Lupe
An der Technischen Universität (TU) Graz wurde ein neues Christian-Doppler-Labor (CD-Labor) eröffnet. Im Fokus steht das Design von Hochleistungslegierungen mittels thermomechanischer Prozesstechnik. Ziel der Forscher ist es, ein tieferes Verständnis für die Mikrostrukturentwicklung der Legierungen zu erhalten.
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Werden Metalle zu einer Legierung vereint, dann setzt sich in deren Mikrostruktur einiges in Bewegung. Die thermomechanischen Belastungen während der Herstellung sind ein wesentlicher Faktor dafür, wie fest, belastbar, hitzebeständig und chemisch homogen das Endprodukt – zum Beispiel eine Turbinenschaufel – ist. Gerade im Bereich der Hochleistungslegierungen, die etwa in der Luftfahrt zum Einsatz kommen, sind noch viele Detailfragen ungeklärt.
Eigenschaften der Legierungen steuern
„Wir wissen zwar, dass thermomechanische Prozesse im Design von Hochleistungswerkstoffen eine wichtige Rolle spielen. Nichtsdestotrotz ist die Steuerung der erwünschten Eigenschaften einer Legierung mittels konkreter Prozessparameter und Prozessrouten noch eine Herausforderung für die Industrie und ein heißes Thema in der Metallforschung“, sagt Maria Cecilia Poletti, Materialforscherin am Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik der TU Graz.
Poletti leitet das neu eröffnete Christian-Doppler-Labor für Design von Hochleistungslegierungen mittels thermomechanischer Prozesstechnik. Unternehmenspartner sind Böhler Schmiedetechnik und Nemak Linz. Von den beiden Firmenpartnern und der Christian-Doppler-Gesellschaft fließen insgesamt rund 3 Mio. Euro in das CD-Labor. Die Laufzeit beträgt sieben Jahre.
Technischer Fortschritt im Leichtbau und bei den Automotiven
Der österreichische Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Harald Mahrer zur Bedeutung des Labors: „Hochleistungslegierungen spielen eine wichtige Rolle für den technischen Fortschritt im Leichtbau und im Bereich Automotive. In diesem CD-Labor wird die Grundlage für praktische Anwendungen gelegt, von denen wichtige Industriezweige in Österreich profitieren. Das Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist dafür eine perfekte Grundlage und ermöglicht Forschung entlang der Bedürfnisse der Betriebe.“
Entwicklung der Mikrostruktur besser verstehen
Bei der Herstellung sind alle Arten von Legierungen thermomechanischen Belastungen ausgesetzt: Gusslegierungen in der Nachbehandlung und Knetlegierungen während der Verarbeitung. Bei flüssig in Form gegossenen Legierungen entstehen bei der Erkaltung des Bauteils innere Spannungen, die zu unerwünschten Verbiegungen des Bauteils führen können und die Festigkeit mindern. Eine Wärmebehandlung durch wiederholtes Aufheizen und schnelles Abkühlen baut die mechanischen Spannungen in der Mikrostruktur des Bauteils wieder ab.
Knetlegierungen werden zwar auch gegossen, aber wiederholt bei sehr hoher Temperatur und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten geknetet, bevor sie in Form gebracht werden. Mit Kneten ist hier jegliche mechanische Belastung gemeint, die zu einer plastischen Verformung führt – etwa Schmieden, Walzen oder Strangpressen. Wie beim Kneten eines Teiges vereinen sich die einzelnen Bestandteile zu einem Material, das anschließend in Form gebracht wird.
„Wir wollen im Rahmen des CD-Labors ein tieferes Verständnis der Mikrostrukturentwicklung während thermomechanischer Prozesse erhalten. Denn diese nicht sichtbare Form des Gefüges hat größten Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften des Bauteils im Einsatz, zum Beispiel im Fahrwerk oder im Turbinenrad eines Flugzeugs“, erklärt Poletti. „Wie bei einem guten Kochrezept wollen wir genau wissen, welche Zutaten, Mengenangaben, Temperaturen, Reihenfolge und Zeitangaben es braucht, um am Ende eine Legierung mit den genau gewünschten Eigenschaften zu erhalten.“
Nichteisenlegierungen im Forschungszentrum
Der Fokus des neuen CD-Labors liegt auf Nichteisenlegierungen – wie etwa Titan-, Nickel- oder Aluminiumlegierungen – für Bauteile und deren Verarbeitungsprozesse. Das Team des CD-Labors will die physikalischen Phänomene, die in metallischen Werkstoffen während der industriellen Herstellung und nachfolgenden Anwendung auftreten, charakterisieren, beschreiben und modellieren.
Darauf aufbauend sollen physikalisch-basierte Multiskalenmodelle entwickelt werden, die sich für verschiedene Materialien und Verfahren verallgemeinert anwenden lassen. Die Forscher verwenden dafür unterschiedliche Methoden – von Experimenten im Labor über Modellbildung und Mikroskopie bis zu Röntgenuntersuchungen, teilt die TU Graz mit.
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