Metal meets Medical Implantate-Fertigung fordert Maschinenbau heraus

Redakteur: Stéphane Itasse

Im Vorfeld der Konferenz „Metal meets Medical“ hat die Fachzeitschrift Devicemed die Referenten Prof. Rainer Bader und Prof. Berend Denkena über die medizinischen Anforderungen an Implantate und die daraus resultierenden Anforderungen an die Bearbeitungstechnik befragt.

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Prof. Bader, welche Werkstoffe werden aktuell und künftig implantiert, damit der menschliche Organismus sie nicht abstößt?

Prof. Bader: Dem entsprechend eingesetzte Werkstoffe müssen im biologischen System verträglich sein. Die Biokomaptibilität wird durch die Oberfläche und die Struktur des Werkstoffs bestimmt. Als biokompatible Implantatwerkstoffe werden beim Menschen derzeit bestimmte Metalle, Kunststoffe und Keramiken verwendet. Diese Werkstoffe dürfen keine toxischen oder mutagenen Reaktionen im umliegenden Gewebe auslösen. Zukünftig wird vermehrt darauf geachtet, dass Biowerkstoffe und deren Abbauprodukte zudem keine entzündlichen und allergischen Reaktionen im Gewebe auslösen. Dies kann zum Beispiel durch Oberflächenmodifikationen realisiert werden.

Prof. Denkena, welche Anforderungen stellen die genannten Werkstoffe im Zusammenspiel mit den Bearbeitungsmaschinen und -werkzeugen?

Prof. Denkena: Derzeit können klassische Implantatwerkstoffe wie Titan und CoCr als Beispiel für Metalle beziehungsweise Polyethylen-Kunststoffe industriell standardisiert hergestellt werden. Herausforderungen spielen sich hier eher in der Realisierung einer kurzen, günstigen und reproduzierbaren Prozesskette in der Fertigung ab. Hier stehen daher eher Werkzeug spezifische Themen wie hoher Werkzeugverschleiß bei der Bearbeitung von Titan eine Rolle.

Viel größere Anforderungen an die Fertigung stellen keramische Implantate. Zum einen werden zunächst aufwendige formgebende Verfahren wie das Sintern benötigt, zum anderen können harte und verschleißfeste Keramiken, die zum Beispiel Anwendung als Hüftgelenkspaarung finden, nicht durch Fräsen und Drehen bearbeitet werden. Spezielle 5- und mehrachsige Schleifmaschinen, die hohen Ansprüchen an Formgenauigkeit und Oberflächenqualität genügen, sind daher erforderlich. Zukünftig wird dies eine immer größere Rolle spielen, da Keramiken inzwischen auch für komplex geformte Gelenkimplantate eingesetzt werden.

Gilt bezüglich der Oberflächengüte das Motto „je höher desto besser die Verträglichkeit“?

Prof. Bader: Die Verträglichkeit von Implantatoberflächen im Organismus wird durch deren chemische, physikalische und biologische Eigenschaften vermittelt. Je genauer die Oberfläche dabei dem menschlichen Empfängergewebe angepasst ist, desto verträglicher ist das eingebrachte Implantat. Beispielsweise kann eine Calciumphosphat-Beschichtung, welche die chemische Zusammensetzung und die Struktur der mineralischen Phase des menschlichen Knochens aufweist, das Einwachsen von Implantaten in das Knochenlager verbessern und beschleunigen.

Gibt es neben der Medizintechnik andere Branchen mit vergleichbar hohen Anforderungen, Stichwort Know-how-Transfer?

Prof. Denkena: Ja, sicher. Beispielsweise können hier der Werkzeug- und Formenbau bei der Herstellung von Präzisionsgesenken oder Formen für Spiegel- und Linsenflächen genannt werden. Firmen aus den verschiedensten Branchen treten immer wieder an uns heran, um ihre Kenntnisse einzubringen und in der krisenfesten Medizintechnikbranche mitzuarbeiten.

Dritte Kenngröße ist die Geometrie. Was benötigen die Ärzte?

Prof. Bader: Die geometrischen Anforderungen an die Implantate sind in der Tat hoch und sehr unterschiedlich. Zum einen sollten die Implantate über einen gewebeschonenden Zugang in den menschlichen Organismus eingebracht werden können, zum anderen sollten zum Beispiel Osteosyntheseplatten nicht zu sehr am Knochen auftragen und an dessen Geometrie intraoperativ angepasst werden können. Ersatzimplantate wie künstliche Gelenke müssen trotz der vorgegebenen limitierten geometrischen Gestaltungsmöglichkeiten über sehr lange Zeiträume eine ausreichende mechanische Stabilität besitzen. Dies stellt wiederum hohe Ansprüche an die verwendeten Implantatwerkstoffe.

Was empfehlen Sie den Herstellern entsprechender Produkte, Spezial- oder Universalmaschinen?

Prof. Denkena: Beides. Für Produkte des medizinischen Massenmarktes sollten bewährte Maschinensysteme des Marktes gewählt werden. Hier stehen Zuverlässigkeit und Universalität für die Vielfältigkeit der Produkte und Implantate im Vordergrund.

Für die neuen Themen, die hohe Anforderungen an Bauteilgenauigkeit und Oberflächengüte stellen sowie für komplexe Geometrien und schwer zerspanbare Materialien, sind Sondermaschinen durchaus zu empfehlen. Nicht zu unterschätzen ist jedoch der Aufwand für deren Programmierung und Bedienung.

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* Der Autor ist Chefredakteur der Zeitschrift „Devicemed – Fachmagazin für Hersteller medizintechnischer Produkte“ in Wiesbaden

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