Unternehmensgründungen In der Vielfalt floriert die Forschung

Redakteur: Peter Steinmüller

Technologieintensive Unternehmen werden besonders häufig in Regionen gegründet, in denen die kulturelle und ethnische Vielfalt besonders hoch ist. Mit diesem Befund widersprechen drei Wissenschaftler aus Kiel, Thüringen und Franken der verbreiteten These, wonach für eine hohe Gründungsrate vor allem die Branchenstruktur verantwortlich sei.

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Die Gründungsrate von Unternehmen variiert erheblich zwischen Deutschlands Regionen. Dies gilt insbesondere für technologieintensive Unternehmen. Einer der Gründe dafür ist die unterschiedliche regionale Verteilung der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung und der Arbeitnehmer mit einem besonders hohen Qualifikationsniveau.

Aber gerade bei technologieintensiven Neugründungen ist es auch die kulturelle Vielfalt, die besonders viele neue Unternehmen in einer Region entstehen lässt, wie David Audretsch vom Max-Planck-Institut Jena, Dirk Dohse vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel und Annekatrin Niebuhr vom IAB in Nürnberg in ihrer Querschnittsanalyse deutscher Raumordnungsregionen herausgefunden haben.

Kulturelle Vielfalt messen die Autoren dabei anhand der Vielzahl und Verteilung der ethnischen Gruppen im jeweiligen regionalen Arbeitsmarkt. Regionen mit einem hohen Niveau an Forschung und Entwicklung und zahlreichen unterschiedlichen Gruppen, die sich zudem von der Zahl ihrer Mitglieder her nicht zu sehr unterscheiden, kommen nach der jetzt vorgelegten Analyse auf die höchsten Raten von Neugründungen je 10000 Einwohner.

Je verschiedener die Bewohner, desto wahrscheinlicher unternehmerische Initiativen

Hintergrund dieses bemerkenswerten Einflusses von kultureller Vielfalt auf die unternehmerische Aktivität ist dabei eine schon Ende der siebziger Jahre gewonnene Erkenntnis aus der Ökonomie der Stadt: Je verschiedener die Bewohner einer Region von ihren Erfahrungen, ihrem kulturellen Hintergrund und ihren Fähigkeiten her sind, umso unterschiedlicher reagieren sie auf innovative Ideen und unternehmerische Möglichkeiten, die in einem wissensintensiven Umfeld entstehen. Neues technisches oder organisatorisches Wissen aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen erhöht aber die Chance, dass neue bisher unbekannte Aspekte zum Vorschein kommen, die Anreiz zu kommerzieller Nutzung und unternehmerischer Initiative geben können.

Der kulturellen Vielfalt in diesem Sinne kommt dabei offenbar eine wichtige Schlüsselrolle im Rahmen der so genannten „Wissens-Spillover-Theorie“ unternehmerischer Aktivität zu. Diese Theorie besagt, dass durch Forschung und Entwicklung (F&E) zahlreiche Chancen zu unternehmerischem Handeln weit über die selbst F&E betreibenden Firmen hinaus entstehen. Durch F&E entsteht neues Wissen und eine innovative Atmosphäre in der betreffenden Region insgesamt, die auf andere Firmen und potenzielle Gründer abfärbt und diesen eigenen unternehmerischen Gestaltungsspielraum ermöglicht.

Über welche Kanäle der innovatorische Funke überspringt, war bislang kaum bekannt. Frühere Ergebnisse deuteten darauf hin, dass regionales Wachstum in der Tat positiv mit der Verschiedenartigkeit der Wirtschaftslandschaft zusammenhängt. Dabei wurde Vielfalt aber eher durch Branchenstrukturen gemessen. Audretsch, Dohse und Niebuhr greifen diese Ergebnisse auf, können aber zeigen, dass es weniger die Diversität der Branchenstruktur in einer Region als vielmehr die kulturelle und ethnische Diversität ist, die zu vielen Unternehmensneugründungen führt.

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