Siemens PLM/BCT Technology Industrie 4.0 und die Digitalisierung als Chance

Autor / Redakteur: Ralf Steck / Stefanie Michel

Digitalisierung als Antwort auf die stagnierende Produktivität in Deutschland – so sahen es die beiden BCT-Geschäftsführer Klaus Erdrich und Jürgen Hillemann. Sie unterstützen damit den Weg von Siemens PLM Software, dessen Ziel ist es, die Realität digital abzubilden und damit Lösungen für eine Industrie 4.0 zu realisieren. Welche Chancen sich daraus ergeben, zeigte das Unternehmen auf den BCT Technologietagen.

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Urban August: „Ziel ist es, die Realität möglichst genau und möglichst umfassend digital abzubilden.“
Urban August: „Ziel ist es, die Realität möglichst genau und möglichst umfassend digital abzubilden.“
(Bild: BCT Technology)

Das Systemhaus BCT, ein enger Partner von Siemens PLM Software, kann auf ein erfolgreiches Jahr 2014 zurückblicken: der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um 10 % auf 11,5 Mio. Euro. Inzwischen arbeiten 60 Mitarbeiter in Willstädt und anderen Standorten, 10 mehr als vor zwölf Monaten. Neben dem Lösungsgeschäft mit dem Siemens-PLM-Portfolio werden eigene ergänzende Anwendungen entwickelt, die international über den Siemens-Vertriebskanal angeboten werden. Vergangenes Jahr war BCT Teamcenter-Partner des Jahres und größter Teamcenter-Partner in Deutschland. Im NX-Bereich steht das Unternehmen auch nicht weit hinter diesen Zahlen.

Erfolgreichstes Eigenprodukt ist BCT Inspector, eine Lösung zum Erstellen von Erstmusterprüfberichten aus NX-Modellen und -Zeichnungen. Die Software kann auf Wunsch eigenständig Zeichnungsmaße und -merkmale in den Prüfbericht übertragen und beispielsweise Toleranzangaben in Mindest- und Maximalmaße umrechnen. Der Prüfbericht lässt sich dann in den verschiedensten Formaten an andere Prozesse übergeben, im einfachsten Fall als Excel-Tabelle, aber auch in Form einer XML-Datei, die dann ins QS-System importiert wird.

Das digitale Modell als Herzstück der Digitalisierung

Urban August, Senior Vice President und Managing Director Germany der Siemens Industry Software GmbH, eröffnete die Technologietage mit einem Vortrag über die Herausforderungen und Chancen von Digitalisierung und Industrie 4.0. Seiner Ansicht nach ist das digitale Modell das Herzstück der Digitalisierung. Dieses digitale Modell „lebt“ jedoch nicht nur im CAD-System, sondern in der gesamten Prozesskette vom PLM-System über MES und ERP bis wieder zurück ins PLM-System. „Ziel ist es, die Realität möglichst genau und möglichst umfassend digital abzubilden. Das digitale Modell ist dabei immer aktuell und wird über den gesamten Lebenszyklus mit Informationen angereichert“, so August.

August ging auch auf die in Industrie 4.0 implizierten mechatronischen Konzepte ein. Bisher war deren Entwicklung ein eher serieller Ansatz, bei dem die elektronische Entwicklung der mechanischen folgte und die Software oft erst implementiert wurde, als die Anlage fertiggestellt war. Augusts Vision zeigte, dass alle Bereiche des Unternehmens zusammenarbeiten müssen und die einzelnen Entwicklungsdisziplinen parallelisiert werden müssen, damit echte Industrie-4.0-Lösungen entstehen. Dazu müssen alle Handlungsfelder auf den Prüfstand und darauf analysiert werden, wie sie mit modernen Softwarelösungen unterstützt, vereinfacht und automatisiert werden können.

Unterstützung bei der Entwicklung smarter Produkte

August brachte auch Beispiele der Einsparungen, die Siemens-Kunden bei diesen Optimierungen erzielten. Wenn das Anforderungsmanagement durchgängig organisiert und mit den Produkteigenschaften verlinkt wird, könnten beispielsweise 15 bis 25 % Einsparung gegenüber anderen Unternehmen erreicht werden. Werden in der Entwicklungsumgebung strukturierte und zielgerichtete Stücklistenstrukturen implementiert und ein Varianten- beziehungsweise Konfigurationsmanagement eingeführt, sind weitere 20 bis 40 % Einsparung möglich. Die Zusammenarbeit der drei Entwicklerdisziplinen bringt 10 bis 15 %. Abgesicherte, nachvollziehbare Prozesse im Änderungsmanagement sparen weitere 5 bis 15 %.

August sieht Siemens mit seinem Portfolio aus PLM, MES und Automation bestens positioniert, um Kunden bei der Entwicklung, der Fertigung und dem Service smarter Produkte zu unterstützen. Das Portfolio umfasst für jeden Schritt des Produktentstehungsprozesses die passenden Lösungen mit Teamcenter als Backbone für den gesamten Informationsfluss.

Virtuelle Automation könnte in Zukunft Produktionsprozess beschleunigen

Ein neues Produkt, dessen Namen August noch nicht verraten wollte, kommt zur nächsten Hannover Messe auf den Markt. Es scheint sich um eine integrierte Engineeringlösung zu handeln, bei der beispielsweise die Automatisierung aus dem CAD-System NX gespeist wird, was wiederum virtuelle Automation ermöglicht. Letzteres bedeutet, dass das Einfahren eines neuen Produktionsprozesses nicht an der fertigen Maschine stattfindet, sondern am virtuellen Modell. Dies spart viel Zeit, denn die Inbetriebnahme kann schon starten, wenn die Anlage noch gar nicht aufgebaut ist. Dabei ist heute schon Hardware-in-the-loop möglich, das heißt, dass die echte Siemens-Steuerung das virtuelle Modell im CAD-System steuert. So lassen sich Fehler schnell erkennen und ohne kostspielige Crashes ausmerzen.

In der laufenden Produktion ermöglicht es die virtuelle Automation, neue NC-Bearbeitungen am virtuellen Modell zu testen, statt die reale Maschine zu belegen. Letztere kann normal weiterproduzieren, die neue Bearbeitung wird am virtuellen Modell getestet und optimiert und muss nur noch sehr kurz eingefahren werden, bevor die reale Produktion startet.

Nur 42 % der Unternehmen haben eine Strategie zur digitalen Transformation

Augusts Fazit: Industrie 4.0 verändert die Entwicklungs- und Produktionswelt, die Herausforderungen sind nur mit Datendurchgängigkeit und einer intelligenten Collaboration-Plattform adressierbar. Die BCT-Geschäftsführer Klaus Erdrich und Jürgen Hillemann schlossen mit ihrem Vortrag nahtlos an. Sie sehen für das Jahr 2016 ein positives wirtschaftliches Umfeld, es gibt jedoch auch Entwicklungen, die zu Sorgen Anlass geben, vor allem die stagnierende Produktivität in Deutschland. Hillemann und Erdrich sehen die Lösung in Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung. Anhand einer Crisp-Research-Studie zeigten sie jedoch, dass nur 42 % der Unternehmen überhaupt eine Strategie zur digitalen Transformation entwickelt haben. Dabei sei jedes zweite Unternehmen von der Digitalisierung bedroht.

„Industrie 4.0 ist nicht in wenigen Tagen umsetzbar“, so Erdrich, „Industrie 4.0 erfordert Produktionsarbeit 4.0.“ Ganzheitliche Zusammenarbeit benötige Vertrauen und eine offene Kommunikation aller am Produktentstehungsprozess Beteiligten. Sie gaben den Zuhörern eine ganze Reihe von Handlungsansätzen mit, von der Internationalisierung über den Ausbau des After-Sales-Geschäfts bis hin zur Optimierung des Produktportfolios.

Am Nachmittag des ersten Tages wurde eine ganze Reihe interessanter Vorträge angeboten, unter anderem zur Unterstützung der frühen Entwicklungsphase in NX. Innerhalb des CAD-Systems ermöglicht das Modul Layout for NX das freie Skizzieren von Lösungen, die dann sukzessive in reale Produkte ausgebaut werden können. Dazu lassen sich Skizzenelemente durch vordefinierte Blöcke aus einer Bibliothek ersetzen. Wechselt man dann in die 3D-Modellierung, werden die 2D-Blöcke gegen ihre 3D-Pendants ausgetauscht. Parallel entsteht schon im Skizziermodus eine Baugruppenstruktur. MM

* Ralf Steck ist freier Fachjournalist in 88046 Friedrichshafen

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