Getriebeproduktion Innovationen beim hochproduktiven Wälzschleifen
Im Vergleich zu der visionären Industrie 4.0-Welt wirkt der Werkzeugmaschinenbau geradezu bodenständig. Dabei überrascht selbst eine so ausgereifte Technik wie die Verzahnungsbearbeitung mit enormen Zuwächsen an Geschwindigkeit und Qualität.
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Verzahnungszentren zum Wälzschleifen zielen auf die hohen Produktionsvolumina der Großserien- und Serienfertigung, welche für immer höhere Anforderungen in den Bereichen Kosten, Energie und Umwelt bekannt sind.
Maschinen- und Prozessentwickler reagieren darauf mit Lösungen, die über technologische Grenzen hinausgehen. Im Folgenden werden hier vier Entwicklungen der Unternehmensgruppe Kapp Niles vorgestellt, die der bewährten Technik neue Einsatzbereiche erschließen und sie noch effizienter machen.
Schnittgeschwindigkeiten zwischen 63 und 80 m/s sorgen beim Wälzschleifen für hohe Produktivität. Diese werden mit den gängigen Werkzeugen – Schleifschnecken mit einem typischen Durchmesser von 300 mm – bei rund 5000 bis 7500 min-1 erzielt. Der große Werkzeugdurchmesser schafft jedoch Probleme bei Störkonturen, denn das Werkzeug benötigt Platz für Ein- und Auslauf während des Schleifhubes.
Dynamische Anforderungen meistern
Typische Beispiele sind ein Lagersitz mit einem Fräserauslauf nach der Vorbearbeitung oder eine größere Verzahnung nahe an der zu bearbeitenden Stelle. Will man für derartige Werkstücke nicht auf das zeit- intensive Profilschleifen ausweichen, muss man die Schleifschnecken miniaturisieren. Diese müssen sich jedoch sehr viel schneller drehen, um die Schnittgeschwindigkeit eines normal großen Werkzeugs zu erreichen. Herkömmliche Verzahnungsschleifmaschinen sind den dabei auftretenden dynamischen Anforderungen an Werkzeug- und Werkstückantrieben nicht gewachsen. Mit Neuentwicklungen von Kapp Niles, den Verzahnungszentren KX 160 Twin und KX 260 Twin, ist dies nun möglich. Abrichtwerkzeug, Werkzeug und Maschine sind eigens aufeinander abgestimmt.
Verzahnungen wälzschleifen
Mithilfe von Hochgeschwindigkeits-Schleifspindeln können erstmals Verzahnungen wälzgeschliffen werden, die Werkzeugdurchmesser von nur 55 mm erfordern. In Verbindung mit der maximal möglichen Breite dieser Werkzeuge von 180 mm können damit – bei in der Serienfertigung bekannten Qualitätsanforderungen – Bearbeitungszeiten und -kosten realisiert werden, die bisher bei störkantenkritischen Verzahnungen unerreichbar waren. Die Werkzeugantriebe der Maschinen erreichen 25.000 min-1. Das Werkstück muss sich ebenfalls schneller mitdrehen. Dort hat Kapp Niles einen Startvorteil: Bereits bei den Standardmaschinen leistet der Werkstückantrieb 5000 min-1. Der Maschinenhersteller hat für das Werkstück eines Kunden die Bearbeitungszeiten durchkalkuliert. Das Ergebnis: Abrichtfreies Profilschleifen mit einer CBN-Scheibe benötigt eine Maschinenlaufzeit von 5,4 min. Beim abrichtbaren Wälzschleifen beträgt sie nur 2,9 min bei einem Abrichtintervall von 25 Teilen.
Qualität in der Microgeometrie – Feinschleifen
Ein Finish-Verfahren, wie Feinschleifen, kann die Betriebseigenschaften eines Werkstücks erheblich verbessern. Reduziert man zum Beispiel die Oberflächenrauheit von Zahnflanken, lassen sich niedrigviskose Getriebeöle einsetzen. Als Folge steigt der Wirkungsgrad des Getriebes, ohne dass dies mit Festigkeitsnachteilen erkauft werden muss. Die dafür benötigten 80 bis 90 % Traganteil einer Oberfläche erreicht man beim Feinschleifen durch mechanisches Abtragen der Rauheitsspitzen. Dem stand bisher ein Problem im Weg: Die nötigen Oberflächengüten erreichte man nur mittels zeitraubender Verfahren, wie dem Gleitschleifen. Dabei werden die Werkstücke zusammen mit kleinen Schleifkörpern, einer wässrigen Lösung und einem Zusatzmittel in eine Vibrationswanne gegeben. Das Verfahren liefert gute Resultate, benötigt aber je nach Werkstück unter Umständen mehrere Stunden. Zum Vergleich: In der Serienfertigung kalkuliert man mit einer Minute pro Zahnrad. Serienfertiger von Getrieben benötigen automatisierte Prozessketten, idealerweise im one-piece-flow. Das ist mit derartig unterschiedlichen Bearbeitungszeiten nicht machbar. Gleitschleifen erfordert zudem Additive, das heißt Chemikalien, die im Prozess, beim Recycling beziehungsweise der Entsorgung den Anwender mit vielen Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen konfrontieren. Aus Produktionsgründen wäre es dann zweckmäßig die vorhandenen Schleifmaschinen mit einem Feinschleifprozess in die Prozesskette zu integrieren. Dass dies machbar ist, hat die Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) im Projekt 654 I nachgewiesen: Beim Feinschleifen mit konventionellen Verzahnungsschleifmaschinen lassen sich Oberflächengüten von Rz ≤ 1 μm erzielen. Dafür hat Kapp Niles spezielle Kombi-Werkzeuge mit zwei Funktionsbereichen im Einsatz.
Mit diesen können in einer Aufspannung Verzahnungen mit Oberflächengüten im Bereich von Rz 0,5 bis 1 μm auf neuen Kapp Niles Wälzschleifmaschinen (KX- und ZX-Serie) hergestellt werden. Bei Schnittgeschwindigkeiten bis zu 63 m/s beträgt der zusätzliche Zeitaufwand im Regelfall weniger als 50 % der Bearbeitungszeit der konventionellen Schleifbearbeitung.
Topologisches Wälzschleifen
Verzahnungen sind in den seltensten Fällen unmodifiziert: Die einfache Evolvente existiert im Lehrbuch, nicht in der Praxis. Dort müssen die Konstrukteure Toleranzen, wie Lagefehler der Achsen, berücksichtigen: Die Zahnflanke wird mit einer Balligkeit von wenigen µm versehen. Wäre sie unmodifiziert, würde sich der geringste Lagefehler negativ auf Tragfähigkeit und Geräuschemission auswirken. Soll so eine Verzahnung mittels Wälzschleifen produziert werden, stellt dies besondere Anforderungen an die Maschine: Beim Schleifen muss der Achsabstand zwischen Werkzeug und Werkstück kontinuierlich geändert werden. Durch die Lage der Berührlinien und der Achsabschnitte führt dies jedoch zu einem “Abbildungsfehler“: Statt einer symmetrischen Wölbung kommt es zu einer Flankenverzerrung. In der Regel will man Verschränkungen nicht einfach eliminieren, sondern gezielt beeinflussen. Wenn der Kunde genau weiß, welche Last auftritt und wie sich seine Bauteile hierbei verformen, kann er den besten Wälzkontakt für diese Anwendung berechnen.
Selbst eine derart komplexe Verzahnung lässt sich per Wälzschleifen herstellen. Dazu müssen einerseits während des Schleifprozesses bestimmte Achsbewegungen miteinander abgestimmt werden, sodass eine feste Verbindung zwischen Shift- und Vorschubbewegung geschaffen wird. Andererseits benötigt man ein modifiziertes Werkzeug: Die Schleifschnecke muss Bereiche mit unterschiedlicher Geometrie aufweisen, die gezielt eingesetzt werden. Beim Abrichten lassen sich diese Bereiche mit Standardwerkzeugen erzeugen. Es liegt auf der Hand, dass die Berechnung der Schneckengeometrie und der eigentliche Bearbeitungsprozess eine sehr leistungsfähige Software erfordern. Einige Hersteller führen diese Berechnungen im eigenen Haus durch und spielen die Daten anschließend in die Maschine des Kunden ein. Dies kostet jedoch Zeit. Insbesondere bei der Prototypenfertigung oder Tests zieht jede noch so geringe Modifikation einen längeren Maschinenstillstand nach sich. Bei Kapp Niles hat man deshalb einen anderen Weg eingeschlagen.
Beim topologischen Wälzschleifen steht bei dem Unternehmen eine bedienerfreundliche Benutzerführung und die maschineninterne Berechnung aller notwendigen Daten, beziehungsweise Abricht- und Schleifbahnen im Vordergrund. Der Kunde hat von der Simulation über die Fertigung bis hin zur Kontrolle in 2D- und 3D-Darstellung alle Möglichkeiten, die Verschränkung in seinem Sinn zu beeinflussen. Nach der Dateneingabe wird die Schneckenbreite mit einer maximal möglichen Anzahl der Shiftbereiche versehen. Beim topologischen Wälzschleifen möchte man möglichst viele Bereiche auf der Schnecke haben, um die Schnecke maximal auszunutzen. Allerdings müssen diese Bereiche groß genug sein, um die gewünschte Geometrie zu erzeugen. Die generierte Anzahl wird vom Maschinenbediener übernommen und auf der Simulationsseite kontrolliert. Wird der Maschinenbediener mit Werkzeugverschließ und Qualitätsverlust beim Schleifen infolge einer hohen Anzahl der Shiftbereiche konfrontiert, ist es möglich diese Anzahl zu reduzieren und somit die bestmögliche Verzahnungsqualität zu gewährleisten.
Geschwindigkeit – Mehrrilliges Abrichten
Ein wesentlicher Vorteil des Wälzschleifens ist die Zeitersparnis. Durch die Verwendung hoher Gangzahlen am Werkzeug kann die Vorschubgeschwindigkeit erhöht und die Bearbeitungszeit entsprechend verringert werden. Als nächster Schritt zur Zeitreduzierung war es zweckmäßig, die Abrichtzeiten zu verringern. Dies gelang durch das gleichzeitige Abrichten mehrerer Gänge mit einem Abrichtwerkzeug.
Der Schleifmaschinenhersteller hat dieses Verfahren genau untersucht, um alle Verbesserungspotenziale auszuschöpfen. Dies beginnt bei der Fertigung des Abrichtwerkzeugs. Mehrrilliges Abrichten erfordert Vollprofilabrichtrollen: Werkzeuge, die keinen separaten Kopfabrichter brauchen. Zur Herstellung nutzt Kapp Niles das sogenannte Negativverfahren. Bei diesem Verfahren werden Diamantkörner nicht direkt auf den Grundkörper, sondern in eine Negativform aufgebracht und vernickelt. Danach wird diese abrasive Form mit einem separat hergestellten Grundkörper verheiratet. Um die Abrichtzeit möglichst gering zu halten, müssen die Anzahl der Rillen an Abrichtrolle und Schnecke aufeinander abgestimmt sein. Im Idealfall sind sie gleich, sodass für eine Zustellung nur ein Hub nötig ist. Aus technologischen Gründen ist dies jedoch nicht immer möglich. Bei einer Kombination aus fünf Gängen an der Schnecke und drei Rillen an der Rolle würde letztere jedoch ungleichmäßig verschleißen. Um dies zu vermeiden und damit die Standzeit der Rolle zu erhöhen, arbeiten Maschinen von Kapp Niles mit einem Algorithmus, der für eine gleichmäßige Abnutzung sorgt.
Die Beispiele belegen, dass selbst bei einer bewährten Technik wie dem Wälzschleifen noch große Fortschritte bezüglich Produktivität und Qualität möglich sind. Zu den schnelleren Antrieben, den neuen Werkzeugkonzepten und den intelligenten Steuerungen kommen noch Verbesserungen hinzu, wie beispielsweise das vollautomatische Umrüsten der Spannmittel oder integrierte Automationslösungen in der neuen Pick-Up Wälzschleifmaschine. MM
* Martin Witzsch ist freier Journalist in 91056 Erlangen, Tel. (0 91 31) 9 26 67 25, info@witzsch.com
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