Energie sparen Kamerasystem überwacht chemische Destillation
Mit einem Kamerasystem wollen Forscher die Destillation von chemischen Gemischen kontrollieren. In der Industrie könnte die Technik zukünftig als automatisiertes Regelsystem zum Einsatz kommen und dabei helfen, Energie zu sparen.
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Wenn es darum geht, chemische Gemische in ihre Einzelbestandteile aufzusplitten, ist das gängige Verfahren in der Industrie eine energieaufwendige Destillation. Hierbei werden die verschiedenen Bestandteile der Flüssigkeiten durch Verdampfen und darauffolgende Kondensation des Dampfs voneinander getrennt. Diese Technik kommt etwa bei der Raffinerie von Rohöl zum Einsatz. Jedoch ist die Destillation mit einem hohen Energieaufwand verbunden und entsprechend teuer. In den Vereinigten Staaten entsteht beispielsweise die Hälfte der Energiekosten bei thermischen Trennverfahren der chemischen Industrie im Bereich der Destillation. Jährlich fallen dadurch Kosten von über 100 Mrd. US-Dollar an.
Verunreinigungen bei der Destillation
Vor diesem Hintergrund arbeiten Forscher der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) an der Entwicklung eines Kamerasystems, das den Destillationsprozess überwacht und mit dem sich die Energieeffizienz verbessern lassen soll. „Die Destillation in der chemischen Industrie findet in sogenannten Trennkolonnen statt“, erklärt Markus Lichti von der TUK. Zum Einsatz kommt dabei eine Art zylinderförmiger Apparat, in dem einzelne Böden – sogenannte Trennstufen – eingebaut sind. Das zu trennende Gemisch wird in der Mitte der Kolonne zugeführt. Über die Böden läuft es nach unten, wo es erhitzt wird.
Als Dampf steigt das Gemisch schließlich nach oben. Die Flüssigkeit kühlt sich dabei wieder ab und sammelt sich auf dem nächsthöheren Boden an. Die Bestandteile, die einen niedrigeren Siedepunkt haben, verdampfen in der Folge erneut und wandern in der Kolonne nach oben zur nächsten Trennstufe. Dieser Prozess geht über mehrere Ebenen – bis sich auf dem obersten Boden die Flüssigkeit angesammelt hat, die am leichtesten siedet. „Bei der Destillation kommt es jedoch immer wieder zu Verunreinigungen, da sich die Flüssigkeit nicht richtig in ihre Bestandteile auftrennt“, berichtet Lichti.
Ursachen können etwa ein zu hoher Dampfstrom, ein zu hoher Druck oder zu wenig Flüssigkeit im System sein. So kann es passieren, dass Flüssigkeit und Dampf auf dem Boden sehr stark vermischt werden. In der Folge werden viele Tropfen aus der flüssigen Phase durch den Dampf nach oben mitgerissen. Die Tropfen wandern auf den nächsten Boden, wo sie dann liegen bleiben. Bei der Rohöl-Raffinerie können sich auf diese Weise zum Beispiel Teile des Schweröls beim Diesel ansammeln.
Software steuert Kamerasystem
Das Kamerasystem der Forscher soll hier künftig Abhilfe schaffen: Die Kamera befindet sich in einer Sonde, einem Rohr aus Edelstahl, das sie vor dem heißen Dampf schützt. Diese Sonde wird über einen Zugang in die Trennkolonne eingeschoben. Durch eine Glasscheibe erhält die Kamera einen Blick ins Innere der Kolonne. Um kontrastreiche Aufnahmen zu ermöglichen, ist direkt gegenüber in einem weiteren Zugang noch die Technik für die Belichtung untergebracht. „Unser System ist derart gestaltet, dass diese Einschübe an verschiedenen Stellen in der Trennkolonne positioniert werden können“, sagt Jonas Schulz, der sich am Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik im Rahmen seiner Promotion mit dem Verfahren beschäftigt.
Über das Kamerasystem lasse sich der Destillationsprozess etwa am Rand oder in der Mitte untersuchen. „Mithilfe der Bilder sehen wir, wie groß die Tropfen sind oder wie schnell sie sich bilden“, erklärt Schulz. „Mit unserer Technik können wir Parameter messen, die vorher nicht zu untersuchen waren.“ Gesteuert wird die Kamera über eine Software, die auch die Bilder auswertet und dabei das Entrainment – das Mitgerissenwerden der Tropfen – ermittelt. Bislang habe es noch keine Untersuchungen dazu gegeben, wie dieser Prozess genau abläuft. Mithilfe der hier gewonnenen Daten wollen die Forscher unter anderem Aufschluss darüber erhalten, ob die Parameter bei dem Vorgang anders eingestellt werden müssen.
Die Vision der Forscher sieht vor, dass die Industrie die Software für ein automatisches Regelsystem nutzt. Dieses könnte gegensteuern, wenn die Messwerte von der Norm abweichen, und gleichzeitig etwa dabei helfen, Heizleistungen zu reduzieren und so die Betriebskosten zu senken. Zudem ließe sich mit der Technik Material einsparen – etwa wenn sich zeige, dass bestimmte Trennstufen nicht notwendig oder zu groß dimensioniert seien.
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