Supplier Risk Management Königsdisziplin im Einkauf
Nicht jeden Tag legt ein Vulkanausbruch auf Island den Flugverkehr in Europa lahm. Oft sind es sehr viel kleinere Ereignisse, die ganze Unternehmensbereiche zum Stillstand bringen. Ein gezieltes Lieferantenrisikomanagement identifiziert mögliche Gefährdungen, bevor sie zum Tragen kommen und erhöht funktionsübergreifend das Bewusstsein für Faktoren, die zu Produktionsausfällen führen können.
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Das Risiko hat viele Gesichter. Naturkatastrophen oder politische Unruhen sind naheliegende Störfaktoren für Lieferketten. In jüngster Zeit ist die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen in BRIC-Staaten hinzugekommen, die für deutsche Unternehmen kritisch werden kann: Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Ländern wie China deutlich weniger offizielle Quellen wie Unternehmensauskünfte, um die finanzielle Situation eines Zulieferers zu prüfen und Insolvenzverfahren sind nur schwach reglementiert. Lieferanten können quasi über Nacht „verschwinden“. Wer hier keinen Plan B hat, kann schnell in Schwierigkeiten kommen.
Keine Frage der Größe
Risikoprävention ist eine wichtige Teildisziplin des Lieferantenmanagements und jedes Unternehmen, egal wie groß, sollte seine Gefährdungen kennen. Eine Handvoll Lieferanten ist vergleichsweise einfach zu überblicken. Doch bei einer größeren Zahl, globalen Lieferketten und komplexeren Unternehmensstrukturen ist dies ohne eine Risikomanagement-Strategie nicht mehr möglich. Nur ein auf die spezifischen Prozesse abgestimmter methodischer Ansatz mit konkreten Maßnahmen ermöglicht es, die Risiken im Griff zu halten. Das Risikomanagement-Konzept der Deutsche Business Consulting GmbH (DBC) umfasst vier Schritte und gibt Kunden ein einfach bedienbares Tool an die Hand, das sie selbstständig betreiben können:
Schritt 1: Kenne Deine kritischen Lieferanten (Risikoidentifikation).
Die anspruchsvollste Aufgabe beim Aufbau einer Strategie für das Lieferantenrisikomanagement ist es, alle kritischen Lieferanten zu identifizieren. Hier lohnt es sich, Aufwand und Zeit zu investieren. Die Methodik schließt deshalb die komplette Lieferantenbasis ein und betrachtet jeden Supplier unternehmensindividuell. Dies stellt – im Gegensatz zu einem Standardschema, etwa nach dem Einkaufsvolumen – sicher, dass möglicherweise stark risikobehaftete Lieferanten nicht durch das Raster fallen. Denn auch ein Kleinstlieferant mit nur geringem Einkaufsvolumen kann ein enormes Schadenspotenzial haben, wenn er beispielsweise eine hochspezielle Schraube liefert, die in vielen Produkten verbaut wird.
In einem mehrstufigen Verfahren, vergleichbar einem Trichter, durchlaufen die Lieferanten verschiedene Raster, zum Beispiel zunächst nach dem materialinduzierten Versorgungsrisiko. Danach werden sie einer Abhängigkeitsanalyse unterzogen, die zum Beispiel untersucht, wie viele alternative Anbieter es gibt, wenn ein Lieferant ausfällt. Diejenigen, zu denen ein Single-Source-Verhältnis besteht und von denen es am Markt gleichzeitig nur wenige gibt, werden ins Lieferantenrisikomanagement aufgenommen. Hier ist die Abhängigkeit sehr hoch, allein die Qualifizierungsphase eines alternativen Lieferanten würde mehrere Monate beanspruchen. Schritt für Schritt werden so die kritischen Lieferanten herausgefiltert und als kritisch, mittelkritisch und hochkritisch klassifiziert. Im Anschluss daran entscheidet das Unternehmen je nach Risikoakzeptanz, welche es in die Risikobeurteilung aufnimmt.
Schritt 2: Einordnung der Risikosituation (Risikoanalyse).
Wenn die kritischen Lieferanten identifiziert sind, muss ihr Ausfallrisiko aus Unternehmenssicht bewertet werden. Die Indikatoren hierfür sind vielfältig und reichen von der finanziellen Situation eines Lieferanten über dessen Standort bis hin zu den Sub-Lieferketten. Anhand eines individuellen Katalogs an Risikoindikatoren und Empfehlungen legt der Kunde gemeinsam mit DBC fest, welche davon in die Beurteilung einfließen. Diese Indikatoren werden in eine Risiko-Scorecard eingebettet und untereinander gewichtet. Um die Lieferanten zu beurteilen und einzuordnen, fließen sowohl externe Informationen, beispielsweise aus Datenbanken von Wirtschaftsauskünften, als auch interne Zahlen und Wissen der Einkäufer ein. So entsteht ein umfassendes Bild der aktuellen Risikosituation im Einkauf. Um schnell auf Veränderungen reagieren zu können, wird eine Alert-Funktion implementiert. Aus der Risikobeurteilung werden im nächsten Schritt Strategien abgeleitet und geeignete Maßnahmen definiert.
Schritt 3: Strategien und Maßnahmen (Risikobeherrschung).
Anhand der detaillierten Risikoanalyse werden die hochkritischen Lieferanten priorisiert und in Risikoklassen eingeordnet. Eine einheitliche und verständliche Terminologie stellt sicher, dass alle Beteiligten diese auch verstehen und interpretieren können. Die Berater besprechen mit dem jeweils verantwortlichen Einkäufer die kritischen Lieferanten und leiten aus der Analyse Normstrategien und Maßnahmen mit entsprechendem Zeitplan ab. Eine Strategie könnte es beispielsweise sein, einen Ersatzlieferanten (Second Source) in einer anderen Region aufzubauen. Für jede Maßnahme wird ein Verantwortlicher festgelegt sowie alle Beteiligten benannt, zum Beispiel Qualitätssicherung, Produktentwicklung oder die Produktion. Die differenziert ausgearbeiteten Maßnahmen ermöglichen es, die Lieferantenbasis risikoorientiert zu gestalten. Gleichzeitig kennt jeder Prozessbeteiligte im Bedarfsfall seine Rolle.
Schritt 4: Maßnahmentracking und Erfolgskontrolle (Risiko-Controlling).
Risikomanagement ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, das heißt die Risikosituation des Unternehmens muss in regelmäßigen Abständen kontrolliert und neu bewertet werden. DBC erarbeitet hierfür unternehmensindividuelle KPI und implementiert Kontroll- und Reportingmechanismen. Darüber hinaus dient das Risiko-Controlling dazu, den Status und den Erfolg der Maßnahmen anhand der definierten KPI in einem festgelegten Turnus zu überprüfen. Die aktuelle Risikosituation ist dadurch mess- und für alle nachvollziehbar. Verändern sich bestimmte Risikoindikatoren oder kommen neue hinzu, können Einkäufer zusammen mit der Fachabteilung zeitnah Maßnahmen einleiten.
Ist das System einmal eingeführt, unterstützt es auch die Entwicklung von neuen Lieferanten: Diese durchlaufen automatisch einen festen Prozess und werden den Parametern im Risikomanagement entsprechend eingeordnet. Schnell lässt sich überprüfen, ob ein Lieferant die Anforderungen nicht nur im Hinblick auf Technologie oder Qualität, sondern auch der vertretbaren Risiken erfüllt.
Risikobewusstsein steigt
Einkäufer und Fachabteilungen lernen das Risikomanagement-Konzept schnell zu schätzen. Die eingebaute Alert-Funktion unterstützt bei der täglichen Arbeit, denn sie informiert zeitnah, wenn sich bei einem Lieferanten beispielsweise die finanzielle Situation verändert oder ein Naturereignis in dessen Region die Lieferkette bedroht. Darüber hinaus erhalten alle Beteiligten nach dem turnusgemäßen Update einen übersichtlichen klar strukturierten Report. Darin finden sie die kritischen Lieferanten in ihrem Wirkungsbereich, klassifiziert nach Abhängigkeit und Ausfallwahrscheinlichkeit sowie Maßnahmen, die sie ergreifen sollten oder die bereits laufen.
Mit dem Lieferantenrisikomanagement steigt das Bewusstsein für mögliche Gefährdungen funktionsübergreifend – allerdings müssen Einkäufer und Fachabteilungen früh in die Entwicklung der Risikomanagement-Strategie involviert werden. Nur wenn alle Beteiligten verstehen, wie beispielsweise die Lieferanteneinschätzung zustande kommt, akzeptieren sie diese und engagieren sich bei der Weiterentwicklung. Das System ist flexibel gestaltet und ein Einkäufer kann selbst Informationen eintragen oder einen Zulieferer in eine höhere Risikoklasse einstufen. Erfährt er zum Beispiel im Lieferantengespräch, dass der Besitzer 70 Jahre alt ist, aber keinen Nachfolger hat, ist das ein Risiko. Dies kann kein System automatisiert erfassen, sondern setzt voraus, dass der Gesprächspartner auf Unternehmensseite Risiken aktiv erkennt, die sich im laufenden Geschäftsprozess ergeben. Erst dann „lebt“ Risikomanagement im Einkauf und ist dementsprechend wirkungsvoll. MM
* Sascha Kleemann ist Principal der Deutsche Business Consulting GmbH in 61352 Bad Homburg, Tel. (0 61 72) 8 50 10-0, sascha.kleemann@deutsche-bc.com
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