Präzisionsbearbeitung Komplexe Geometrien beherrschbar machen

Autor / Redakteur: Udo Hipp / Mag. Victoria Sonnenberg

Wer den hohen Anforderungen komplexer Geometrien und schwer zu bearbeitenden Materialien gewachsen sein will, muss einen entsprechenden Maschinenpark aufweisen.

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Freiraum: Der Breite Wangenabstand ergibt einen Störkreis von 990 mm im Durchmesser.
Freiraum: Der Breite Wangenabstand ergibt einen Störkreis von 990 mm im Durchmesser.
(Bild: Hermle)

Vieles hat sich von selbst entwickelt“, erinnert sich Andreas Bruns, Geschäftsführer der Andreas Bruns Zerspanungstechnik GmbH. Gestartet hat er 1994 in einer Garage. Mit der Zeit entwickelte sich sein Unternehmen zu einem gefragten Hersteller von Prototypen und Kleinserien für die Automobilindustrie die Medizintechnik und den allgemeinen Maschinen- und Anlagenbau. Dank der guten Auftragslage folgte nur wenige Jahre nach der Firmengründung der Umzug in eine 400-m²-Halle.

Diese hatte Bruns für insgesamt zehn Jahre angemietet, bevor er vor elf Jahren den jetzigen Firmensitz in Isernhagen bei Hannover baute. Nicht nur die Platzverhältnisse, auch das Portfolio hat sich verändert – heute produzieren 20 Mitarbeiter auf mehr als 1250 m². „Es sind hochanspruchsvolle Bauteile, die für mich den speziellen Reiz ausmachen“, erklärt Bruns. Neben den komplexen Geometrien und der hohen Präzision schätzt er auch die Herausforderung durch die schwer zu bearbeitenden Materialien wie Inconel, Titan und hochwertige Kupferlegierungen.

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Wer so hohen Anforderungen gewachsen sein will, muss einen entsprechenden Maschinenpark zur Verfügung haben. Der Blick in die Produktionshalle zeigt, dass Bruns in puncto Qualität und Präzision einem Hersteller besonders vertraut: Neben den Anlagen zum Drehen, Erodieren und Sägen stehen vier CNC-Bearbeitungszentren der Maschinenfabrik Berthold Hermle AG. „Unsere erste Hermle ist rund 20 Jahre alt“, rechnet Bruns nach. „Ihre Zuverlässigkeit hat uns überzeugt.“ So investierte der Geschäftsführer 2014 in das High-Performance-Bearbeitungszentrum C 22 UP mit Palettenwechselsystem. „Und das hat sich als richtig erwiesen“, bestätigt er. Denn, wie Bruns verdeutlicht, läuft sie seit der Inbetriebnahme einwandfrei.

Höhere Präzision und geringere Rüstzeiten

Je mehr sich das Unternehmen auf komplexe Produkte konzentrierte, desto mehr stießen etablierte Arbeitsprozesse an ihre Grenzen bezüglich der Präzision. „Erforderte ein Werkstück sowohl eine Bearbeitung auf der Dreh- als auch Fräsmaschine, riskierten wir durch das umspannen Fehler in der Maßhaltigkeit“, berichtet der Geschäftsführer.

Um die Bauteile nicht mehr auf zwei separaten Maschinen bearbeiten zu müssen, entschied sich Bruns 2018 dazu, eine C 42 U MT zu kaufen. Die Mill-Turn-Version des 5-Achs-Bearbeitungszentrums verfügt zusätzlich zum Tandemantrieb der A-Achse auch über einen Torque-Motor für die C-Achse. Dieser lässt für die Drehbearbeitung bis zu 700 kg schweren Werkstücke mit maximal 800 min-1 rotieren. Im reinen Fräsbetrieb ist der Tisch sogar mit bis zu 1400 kg belastbar. „Neben der höheren Präzision profitieren wir von der enormen Zeitersparnis und den dadurch reduzierten Rüstkosten – das schafft Kapazitäten für Neues“, erläutert Bruns. Zudem kann er nun auch Teile mit einem Durchmesser von bis zu 700 mm bearbeiten. Vorher lag das Limit bei gerade mal 300 mm. Aktuell fertigt er Kleinserien rotationssymmetrischer Bauteile, die im Durchmesser 400 mm und in der Höhe rund 500 mm messen.

Mill-Turn-Technologie bedarf mehr Einarbeitung

Das 5-Achs-Fräs-Drehzentrum wurde im November 2018 geliefert und in Betrieb genommen. „Hierbei lief alles perfekt“, bestätigt der Geschäftsführer. Den Umgang mit der C 22 U gewohnt, merkten die Bediener jedoch schnell, dass die Mill-Turn-Technologie mehr Einarbeitung bedarf. Zwei Spindeln wurden schon beschädigt, was dem Unternehmen gerade am Anfang besonders weh tut. „Glücklicherweise wird Hermle auch beim Servicethema seinem Ruf gerecht: Meist war schon am selben Tag der Techniker vor Ort“, erzählt Bruns. Zur schnellen Reparatur trägt auch das Konstruktionsprinzip der Spindeln bei: Die schlank bauende Werkzeugspindel ist zweigeteilt und kann schnell und einfach ausgetauscht werden. Ebenso direkt und unkompliziert hilft Hermle auch telefonisch, zum Beispiel bei Problemen mit der Programmierung. Diese findet primär in der CAD-/CAM-Abteilung des Familienunternehmens statt. Aus den Step-Daten der Kunden programmieren die geschulten Mitarbeiter vor allem 3D-Freiform am PC. Einfachere Bearbeitungsschritte wie Bohrungen dagegen geben sie auch direkt über das Bedienpult der C 42 U MT ein.

Bruns zeigt sich optimistisch, dass nach den Anlaufschwierigkeiten die Lernkurve stark steigen wird. Mittlerweile begegnen die drei zuständigen Mitarbeiter der Maschine mit Respekt vor ihrer Sensibilität und Begeisterung für die Heidenhain-Steuerung. Je weiter die Einarbeitung voranschreitet, um so produktiver wird der Prozess an der High-Performance-Maschine.

Arbeitnehmerfreundliches Arbeitszeitmodell im Einschichtbetrieb

Die Kapazitätsfrage ist wichtig für Bruns. Wie auch viele andere Unternehmen seiner Branche bemerkt er, dass es zunehmend schwieriger wird, Fachkräfte zu gewinnen. Seine Strategie ist neben der Ausbildung im eigenen Betrieb ein arbeitnehmerfreundliches Arbeitszeitmodell im Einschichtbetrieb. Um nicht an Kapazität einzubüßen, braucht er Maschinen, die zuverlässig autark laufen, auch in die Nacht hinein. Zudem denkt er auch in Richtung Automation: „Für die C 42 U MT haben wir die Automation vorbereiten lassen. Derzeit lohnt es sich für uns aber noch nicht, da wir doch immer wieder Messprozesse einfügen müssen, die auf einer separaten Maschine erfolgen. Zudem müssen wir zunächst die Handhabung voll verinnerlichen.“

Diese Vorsicht gilt allerdings nur der Fräs-Dreh-Maschine. Denn noch dieses Jahr soll eine C 400 U einziehen, die mit dem flexiblen Handlingsystem HS flex ausgestattet ist. „Die Ansprüche an die Teile, gerade bezüglich der Genauigkeit und Verfügbarkeit, sind extrem gestiegen. Da musste eine Hermle her“, begründet der Geschäftsführer die neue Investition. „Sie wird ein anderes Fräszentrum ersetzen und ebenfalls durch ihre hohe Präzision und Zuverlässigkeit punkten“, ist sich Bruns sicher.

* Udo Hipp ist Leiter Marketing bei der Maschinenfabrik Berthold Hermle AG in 78559 Gosheim, Tel. (0 74 26) 95 62 38, udo.hipp@hermle.de

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