Krane Kranhersteller werden von Maschinenbauern zu Systemlieferanten
Der Kranbauer ist tot – es lebe der Systemlieferant! Den steigenden Forderungen des Marktes folgend haben sich die Kranhersteller in den letzten Jahren weitgehend umstrukturiert. Der Kunde bekommt inzwischen ein Kransystem samt Steuerung und Service komplett aus einer Hand.
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Ob aus dem Energiesektor, dem Automobilbereich, der Papierindustrie oder dem allgemeinen Maschinenbau – Anfragen für Industriekrananlagen kommen derzeit aus allen Industriebereichen. Im Trend liegen dabei zunehmend komplexere Anlagen.
Krane werden enger in die Produktion integriert
Was Komplexität in diesem Zusammenhang bedeutet, erläutert Thomas H. Hagen, Vorstand Industriekrane und Hafentechnologie der Demag Cranes AG in Düsseldorf: „Das betrifft zum einen die Integration eines Krans in die Prozesse unserer Kunden wie auch die Realisierung von Produktionsanlagen mit verschiedenen Kranebenen, die eine enge Abstimmung der Krane mit der Montageebene, dem innerbetrieblichen Transport von Montage- und Rohteilen – und dabei meist mit Positionierungsvorgaben – sowie dem Versand der Produkte erfordert.“
Kundenspezifische Kransysteme sind also angesagt, die von den Krananbietern dank ihrer standardisierten Baukastensysteme in großer Variantenvielfalt realisiert werden können, und zwar vom manuellen über den teilautomatisierten bis hin zum vollautomatischen Betrieb.
Vollautomatische Kransysteme haben sich noch nicht durchgesetzt
Den Großteil der industriellen Krananlagen bilden jedoch nach wie vor Systeme mit manuellen Steuerungen. Dies liegt zum einen daran, dass vollautomatische Kransysteme in vielen klassischen Anwendungsbereichen einfach (noch) nicht gebraucht werden, für den Anwendungszweck zu teuer sind oder Probleme mit der Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen verursachen.
Doch die Zeiten ändern sich. Je nach Einsatzfall oder dem Grad der Einbindung von Kranen in geschlossene Materialflusskonzepte wächst die Notwendigkeit der Automatisierung im Kransektor – was wiederum zur Folge hat, dass sich der Kranbauer zunehmend in artfremden Disziplinen üben muss. Dies reicht von der Anlagensteuerung bis hin zur umfangreichen Lagerverwaltung.
Der traditionelle Maschinenbau verliert bei Kranen an Bedeutung
Durch die wachsenden Anforderungen an den Kranbauer durchläuft die Branche bereits seit einiger Zeit einen nicht unerheblichen Wandel. Thomas Kraus, Leiter des Supportcenters der Stahl Cranesystems GmbH in Künzelsau, begründet dies: „Durch die immer komplexer werdenden Anwendungen entwickeln sich die führenden Hersteller immer mehr zu sogenannten Systemlieferanten, das heißt von der kompetenten Beratung über die Realisierung bis hin zum Service der Krananlagen. Der traditionelle Maschinenbau nimmt hierbei eine immer kleiner werdende Stellung ein.“
Aufgrund der zunehmenden Vernetzung einzelner intralogistischer Systeme und Komponenten muss auch der Kranbauer zahlreiche technische und organisatorische Schnittstellen klären. Thomas Hagen nennt ein Beispiel aus der Papierindustrie: „Neben der Abstimmung in der Baustatik und auf der produktionstechnischen Seite, zum Beispiel der Fördertechnik, wird durch die Implementierung unseres Lagerverwaltungsrechners in das kundeneigene Hostsystem eine enge Verzahnung der an der Realisierung Beteiligten notwendig.“
Automatische Krananlagen benötigen mehr Sicherheitseinrichtungen
Entscheidend bei automatischen Anlagen ist immer auch der Sicherheitsaspekt. Automatische Krananlagen erfordern ein hohes Maß an technischen Vorkehrungen zum Schutz des Personals. Durch verschiedene Sicherheitseinrichtungen, zum Beispiel die Sperrung des Arbeitsbereichs und Abschaltung bei dessen Betreten, muss die Sicherheit von Personen gewährleistet sein. Doch auch in dieser Frage sind die Prozesskrane nurmehr ein Teil logistischer Gesamtsysteme.
Einen starken Investitionsschub bei automatischen Prozesskranen hat Thomas Hagen zum Beispiel in der Papierindustrie erlebt. Entscheidend für die Betreiber war dem Demag-Vorstand zufolge das schonende Handling und die effiziente Lagerung von Papierrollen, und zwar bei einer optimalen Nutzung der Lagerfläche. Darüber hinaus gebe es in der Handhabung von Schüttgut, insbesondere im Recycling, eine anhaltende Nachfrage zur Automatisierung.
Demag bietet teilautomatisierte Krananlagen nach Kundenwunsch
Hier bietet der Düsseldorfer Kranspezialist kundengerechte Systeme an: teilautomatisierte Anlagen in Müllverbrennungsanlagen, die innerhalb eines Zeitfensters von Kranführern bedient werden, bis zu Kranen im 24/7-Automatik-Betrieb. Hier, so Thomas Hagen, werde zunehmend mit Scannern gearbeitet, die bei jeder Fahrt die aktuellen Füllstände im Müllbunker ermitteln.
In der Zementindustrie übernehmen Demag-Kranlagen neben der Beschickung der Öfen auch die Verwaltung des Lagers. Zudem sieht Thomas Hagen in der Stahl- und Aluminiumindustrie für die Handhabung von Coils einen vermehrten Bedarf von (teil-)automatisierten Kranen.
Eine große Herausforderung stellten dabei Lager an die Lagerverwaltungssoftware, um unterschiedliche Coilsorten zu lagern und zu verwalten. In diesem Bereich habe Demag in den zurückliegenden Monaten beispielhafte Komplettsysteme realisiert.
Kranhersteller liefert eigenes Lagerverwaltungssystem mit
Das Unternehmen könne als einziger Kranhersteller ein hauseigenes Lagerverwaltungssystem mit sehr breitem Leistungsumfang liefern, das darüber hinaus zahlreiche Optionen für kundenspezifische Anpassungen bereithalte. Aber auch Konecranes bietet dem Kunden viele vorinstallierte Steuerungsfunktionen und Software, die laut Achim Serak, Sales Manager Industriekrane Deutschland, bei Bedarf jederzeit freigeschaltet werden können.
An den bereits erwähnten Beispielen ist zu erkennen, dass der Kranbauer von heute auch mit dem Rüstzeug des Informatikers ausgestattet sein muss, zumindest, was die Entwicklung und Bereitstellung von Steuerungssoftware, Schnittstellen für Produktionsplanungssysteme oder Materialflussrechner angeht.
Automatisierte Kransysteme erfordern ein Höchstmaß an Präzision
Durch ihre breite Aufstellung decken die führenden Kranhersteller so gut wie alle Bereiche im Bedarfsumfeld des Krans ab. Und Komponentenhersteller wie Stahl Cranesystems ergänzen das Angebot zudem mit Sonderanfertigungen, wie explosionsgeschützten Hebezeuge oder Krankomponenten im Hygienebereich.
Aber welche Bedeutung bleibt dem modernen Anbieter von industriellen, automatisierten Kransystemen überhaupt noch als Maschinenbauer? Wenn auch das Umfeld und der Aufgabenbereich um den Maschinenbau wächst, so bedeutet dies jedoch keinesfalls, dass dadurch der Anspruch an die Ingenieurskunst verloren ginge.
Automatisiertes Kransystem fordern Maschinenbauer weiter heraus
Im Gegenteil: „Die Komplexität eines automatisierten Kransystems erfordert ein Höchstmaß an Präzision in der Einhaltung der Krangeometrie“, betont Thomas Hagen. „Die Anforderungen auf Kundenseite nach optimaler Ausnutzung der Hallenfläche erfüllen wir zum Beispiel mit größeren Spannweiten und realisieren möglichst geringe Anfahrmaße.“
Antriebs- und Steuerungstechnik, die Hubwerke sowie die Lastaufnahmemittel erfordern Hagen zufolge das effiziente Zusammenspiel der verschiedenen Disziplinen, die der Maschinenbauer zu beherrschen hat. Demag arbeitet in seinem Stahlbau, beispielsweise beim Bau von Katzen, zum Teil mit Toleranzen, wie sie sonst nur im Maschinenbau üblich sind.
Wenn der Kran von der Stange für die Aufgaben nicht ausreicht
Und wie sieht es aus mit den weiteren geforderten Kompetenzen? Welche Rolle kommt dem Anbieter von Kransystemen als Planer oder „Anlagenarchitekt“ zu – falls der Kran von der Stange für die Lösung der geforderten Aufgaben nicht ausreicht? Thomas Hagen liefert eine klare Antwort: „Bei den Prozesskranen, zu denen die automatischen Krane gehören, gibt es keinen Kran in Serie. Der Prozesskran ist ein Engineering-Produkt, das speziell auf die Prozesse des jeweiligen Kunden abgestimmt ist. Ziel ist es, einen optimalen Materialfluss mit hoher Umschlagleistung zu erzielen. Folglich werden wir als Kranhersteller sehr früh in die Planungen der Gesamtanlage miteinbezogen. Uns kommt dabei eine beratende Rolle zu, die auch Auswirkungen auf die Gebäudearchitektur und das Anlagenlayout hat. Im Bereich der Standardkrane gibt es nach wie vor den Kran von der Stange, also einen nicht automatisierten Kran, der vollständig bedienergesteuert ist.“ Der Kran von der Stange hat auch Achim Serak zufolge „seine 100%-Berechtigung, erstens um die eigene Fertigung auszulasten und zweitens um die Anforderungen im Werkstattbereich weiterhin zu erfüllen.“
Zur Entscheidungshilfe, ob ein Kran von der Stange oder ein automatisierter Prozesskran installiert werden soll, hat Demag umfangreiche webbasierte Konfigurationswerkzeuge geschaffen, mit deren Hilfe sich ein Kran mit einer Vielzahl von standardisierten Optionen zusammenstellen lässt. Diese Werkzeuge werden den Kunden und Interessenten kostenfrei zur eigenständigen Projektierung zur Verfügung gestellt, die Konfiguration wird anschließend bei Demag weiterverarbeitet.
Hohe Verfügbarkeit bei Kranen oberste Priorität
Der Kranbauer als Servicetechniker und Dienstleister im After-Sales-Bereich: Das wichtigste Kriterium für eine automatisch betriebene Krananlage ist die hohe Verfügbarkeit. Dementsprechend sind die Anforderungen an den Servicetechniker in den vergangenen Jahren gestiegen.
Durch das Zusammenwachsen der Disziplinen wie Mechanik, Sensorik, Software, Elektronik und Pneumatik ist ingenieurmäßiges Denken gefordert – basierend auf einem fundierten Spezialistenwissen. Neben Remote-Service-Zugängen verfügt Demag über einen Spezialisten-Pool, der die Prozesskrane mit kurzen Reaktionszeiten betreut.
Kranhersteller müssen weiter alle Disziplinen abdecken
Und auf welche Disziplinen muss sich der Kranhersteller von heute für die Anforderungen von morgen vorbereiten? „Als Kranbauer“, so Thomas Hagen, „decken wir alle Disziplinen ab: von der Entwicklung und Konstruktion über die Produktion bis zum Projektmanagement mit tiefer Branchenkenntnis in den Schlüsselindustrien.“
Hier gelte es, so Hagen weiter, am Puls der Zeit zu bleiben, um weiterhin die Technologieführerschaft zu beanspruchen. Dazu habe Demag den Fokus unter anderem auf die Optimierung des Energieverbrauchs in sämtlichen Krananwendungen gerichtet. Mit der Entwicklung des Battery-AGV und der Inbetriebnahme des ersten Hafenmobilkrans mit Hybridantrieb habe Demag im Segment Hafentechnik bereits Meilensteine gesetzt.
Energieeffiziente Kransysteme werden immer wichtiger
Energiesparende, moderne Systeme über den einzelnen Kran hinaus werden immer wichtiger werden, ist Achim Serak von Konecranes überzeugt: „Wir müssen künftig unseren Kunden deutliche Produktionssteigerungen bieten. Wir erleben eine Änderung, weg vom projekt- hin zum prozessbezogenen Einkauf. Wir müssen komplexe Logistiklösungen anbieten können, zusammen mit einem breitem Service- und Ersatzteilkonzept. Energiesparende und clevere Produkte werden dafür benötigt, außerdem müssen wir unsere eigenen Prozesse weiterhin verbessern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Und Thomas Kraus ist überzeugt, dass sich der Wettbewerb zukünftig noch weiter verstärken wird, sodass eine globale Aufstellung und Vernetzung für die Kranbauer immer wichtiger werden wird.
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