Leichtbau Leichtgewichtige Maschinenkomponenten ermöglichen höhere Beschleunigungen
Jeder kennt es, das Beharrungsvermögen großer Massen, das nur mit Kraftaufwand überwunden werden kann. Deshalb ist es vornehmste Aufgabe von Entwicklungsingenieuren, das Gewicht bewegter Massen zu minimieren. Leichtgewichtige Maschinenkomponenten ermöglichen bei gegebener Steifigkeit höhere Beschleunigungen. Was Leichtbautechnik heutzutage bewirken kann, darüber informiert das EMO-Symposium „Intelligenter Leichtbau – Herausforderung für die moderne Produktionstechnik“.
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Neue oder optimierte Werkstoffe sind ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung innovativer Produkte. Innovationstreiber ist dabei der Leichtbau. Dazu gehören der Einsatz von optimiertem Stahl und die werkstoffgerechte Strukturoptimierung ebenso wie die gezielte Anwendung von Leichtbauwerkstoffen wie Aluminium und Magnesium. Triebfeder der Leichtbautechnik sind vor allem die Automobilindustrie und die Luftfahrttechnik. So besteht das größte Passagierflugzeug der Welt, der Airbus A380, 25% aus Verbundwerkstoffen, davon sind 22% Kohlefaserverbundwerkstoffe (CFK) und 3% GLARE, das ist ein Laminat aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und Aluminiumlagen.
Leichtbau ist in – und Kohlefaserverbundwerkstoffe sind dabei kaum zu schlagen. Bei gleichen Steifigkeits- und Festigkeitswerten ist CFK etwa 70% leichter als Stahl und rund 40% leichter als Aluminium, bei nur 20% höheren Kosten. Gerade vor dem Hintergrund rasant gestiegener Rohstoff- und Energiepreise gewinnen Leichtbaukonzepte weiter an Bedeutung. Leichtbauwerkstoffe und die damit verbundene Leichtbautechnik bewirken eine Reduzierung des Energie- und Materialbedarfs und eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Systeme.
„Neue Fahrzeugkonzepte fokussieren heutzutage vor allem auf den automobiltechnischen Leichtbau, auf eine designtechnisch hochwertige Gestaltung von Innenräumen, auf Zuverlässigkeit, aktive und passive Sicherheit sowie eine begeisternde Fahrdynamik bei reduziertem Verbrauch“, erläutert Prof. Rudolf Stauber, Leiter Betriebsfestigkeit und Werkstoffe der BMW Group in München.
Zur Erfüllung dieser Anforderungen leisten seiner Auffassung nach moderne Werkstoffe wichtige Schrittmacherdienste: „Bei zukünftigen Werkstoffentwicklungen steht insbesondere die weitere Qualifizierung von Hochleistungs-Strukturwerkstoffen, beispielsweise CFK-Werkstoffen, im Vordergrund.“ Entwicklungsziele seien Untersuchungen zum Langzeitverhalten, wirtschaftliche Reparaturkonzepte sowie eine noch wirtschaftlichere Fertigung von Strukturbauteilen.
Werkstoffe sind Innovationstreiber im Fahrzeugbau
Die The Team Technology GmbH (TTT) in Hamburg und die Carbo Tech Composites im österreichischen Salzburg entwickeln die erste schwere Sattelzugmaschine mit Chassis, Fahrwerk, Fahrerhaus und einer Reihe von An- und Einbauteilen in Kohlenstofffaserverbundkonstruktion. Die dreiachsige Zugmaschine mit rund 300 kW (450 PS) soll das modernste und leichteste motorgetriebene Nutzfahrzeug werden. Allerdings stellt der Stoff, aus dem Leichtgewichte sind, auch hohe Ansprüche. „Zur mechanischen Bearbeitung von CFK-Bauteilen benötigt man extrem hochfeste und verschleißfeste Werkzeuge; da gibt es noch deutliches Entwicklungspotenzial“, weiß Dipl.-Ing. Ria Kaiser, geschäftsführende Gesellschafterin der TTT GmbH.
Ob Aluminium, Magnesium, hochfester Stahl, neuartige Faserverbundwerkstoffe auf Basis textiler Preforms oder Verbundkeramiken – Werkstoffe sind ebenso wie die Elektronik Innovationstreiber im Fahrzeugbau. Übliche Pkw bestehen heutzutage im Durchschnitt zu 50% aus Stahl, 15% sind Kunststoffe, weitere je 15% sind Aluminium und Magnesium und etwa 4% Glas.
Im Automobilbau gefragt sind vor allem hybride Leichtbaustrukturen, so Günter H. Deinzer, Leiter Werkstofftechnologie und Recycling der Audi AG in Ingolstadt: „Leichtbauwerkstoffe sind die Basis für Innovationen im Automobilbau. So reduzierte beispielsweise die hybride Karosseriestruktur aus 68% Aluminium und 32% Stahl des neuen Audi TT das Gewicht im Vergleich zur Vollstahlkarosserie bei gleicher Karosseriesteifigkeit um 48%.“ Eine Reduzierung um rund 5 kg pro Rad des Audi A8 W12 brachte die Verbund-Keramikbremsscheibe aus hartem SiC mit eingebetteten C-Faser-Bündeln, bei 4-fach höherer Lebensdauer als Graugussscheiben, hoher Bremsleistung und konstanter Wirkung nach Mehrfachbremsungen. „Das verbessert den Fahrkomfort und die Fahrdynamik“, so Deinzer. Ein Wermutstropfen sei allerdings der hohe Preis.
Gewebehalbzeug bietet Leichtbaupotenzial
Konstruktive Lösungen, die bei maximaler Gewichtseinsparung gleiche oder sogar höhere Anforderungen hinsichtlich der Bauteileigenschaften erfüllen und sich kostengünstig herstellen lassen, sind in zahlreichen Branchen gefragt. Prof. Ernst Schmachtenberg, Inhaber des Lehrstuhls für Kunststofftechnik der Uni Erlangen-Nürnberg, favorisiert beispielsweise die Entwicklung von vorkonsolidiertem, thermoplastisch gebundenem Gewebehalbzeug, sogenanntem Organoblech. Dafür verwendbare Gewebe sind Glas-, Aramid- und Kohlenstofffasern. Solche Halbzeuge können beispielsweise umgeformt und hinterspritzt werden.
„Durch Verwendung anisotroper Halbzeuge kann das Steifigkeitsverhalten des Bauteils an die Beanspruchung angepasst werden“, sagt Schmachtenberg. Komplexe Bauteilgeometrien in Verbindung mit sehr guten Eigenschaften seien erreichbar. Vor dem Hintergrund derzeitiger Debatten über Klimaschutz und CO2-Reduktion bekommt der Leichtbau zusätzliche Aktualität. Der zunehmende Zwang, Gewicht zu reduzieren, um Rohstoffe und Energie einzusparen, ist treibende Kraft für innovative Produktentwicklung. Dabei gilt es jedoch, Stabilität und Funktionstauglichkeit der Komponenten zu wahren.
Entsprechend müssen die Fertigungsprozesse daraufhin ausgerichtet und optimiert sein. „Hier ist die Fertigungstechnik gefragt“, betont Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitglied des Leitungskreises des Instituts für Leichtbau und Umformtechnik der Universität Dortmund. „Einerseits wollen Konstrukteure Gewicht reduzieren und anderseits mehr zusätzliche Funktionen in die Bauteile integrieren.“ Leichtbau sei deshalb eine Gemeinschaftsaufgabe von Konstruktions-, Werkstoff- und Fertigungstechnik.
Vermehrter Einsatz hochfester Bleche senkt das Gewicht
Eine weitere Möglichkeit, die Anforderungen in der Automobilindustrie zu erfüllen, ist der vermehrte Einsatz von hochfesten Blechen, denn Blechteile und -konstruktionen sind leicht. Sie werden immer häufiger dort eingesetzt, wo Guss-, Fräs- oder Gesenkschmiedeteile zum Zuge kamen. Außer dem reduzierten Gewicht sprechen auch Vorteile hinsichtlich Preis, Flexibilität und Verfügbarkeit für den Einsatz von Blech. Seine Eigenschaften und die Bearbeitungsmöglichkeiten erlauben durchaus eine noch breitere Nutzung als bisher realisiert.
Das Scalight-Projekt der Wilhelm Karmann GmbH in Osnabrück und der Salzgitter AG ist eine vielversprechende Alternative für den automobilen Leichtbau. Ausgangspunkt ist eine skalierbare Basiszelle, die im wesentlichen aus vereinheitlichten Profilkomponenten aus höchstfesten Stahlwerkstoffen wie Dualphasen- und Complexphasenstähle besteht, ergänzt um eine Interfacestruktur und einen markenspezifischen Aufbau. Nach Auffassung der Projektpartner ist und bleibt Stahl der Basiswerkstoff im Karosseriebau, weil er sich mit innovativen Fertigungs- und Herstellverfahren exakt auf unterschiedliche Anforderungen einstellen lässt. Halbfertigprodukte wie Tailored Rolled Blanks, Tailored Blanks und Patchworkplatinen ermöglichen dabei eine belastungsangepasste Blechdickenverteilung.
Gewichtsreduzierte Antriebe von Kraftfahrzeugen
Auch die Antriebe von Kraftfahrzeugen können ihren Beitrag zur Rohstoffeinsparung und Minimierung von Umweltbelastungen leisten. Werkstoffe mit hohen gewichtsspezifischen Eigenschaften bieten grundsätzlich Potenzial, das Gewicht eines Antriebes zu reduzieren. Insbesondere bei bewegten Komponenten lässt sich durch die Verwendung leichterer Materialien das gesamte Design des Motors gewichtsoptimiert auslegen. Darüber hinaus bestehen durch reibungsmindernde Beschichtungen bei einigen Bauteilen sehr gute Möglichkeiten, Reibungsverluste zu reduzieren und damit den Wirkungsgrad von Motoren zu erhöhen. Hochfeste Stähle, γ-Titanaluminiumnitrid und Leichtmetallverbundwerkstoffe kommen dafür ebenso zum Einsatz wie reibungsmindernde Beschichtungen. Ausgewählte Komponenten bereits realisierter Hochleistungsmotoren für Anwendungen in der Luftfahrt und im Motorsport verdeutlichen die Möglichkeiten dieser technischen Entwicklungen.
Leichtbaukonstruktionen steigern die Dynamik
Auch im Maschinenbau spielen Gewichts- und Bauraumoptimierung eine immer größere Rolle. So ist es bei selbstbewegenden Strukturen wichtig, das Eigengewicht des Gesamtsystems und der Antriebskomponenten möglichst gering zu halten. Konsequente Optimierung aller Komponenten erzielen eine Gewichtsreduzierung von bis zu 50% bei Präzisionsgetrieben ohne Einbuße an Drehmomentkapazität und Genauigkeit. „Mit CFK lässt sich die Dynamik von Werkzeugmaschinen und Handhabungsgeräten steigern, wenn die Masse der zu beschleunigenden Schlitten oder Spindeln reduziert wird“, sagt Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Hintze, Leiter Produktionstechnik am Institut für Produktionsmanagement und -technik der TU Hamburg-Harburg.
Gleiches gelte für oszillierende Hebel und Schlitten in Verpackungs-, Druck- und Textilmaschinen. Über eine Reduktion der Fliehkräfte ermögliche die CFK-Bauweise bei schnell laufenden Walzen höhere Drehzahlen. Alternativ kann die Belastung von Lagerungen verringert und damit die Lebensdauer verlängert werden. Voraussetzung für eine wirtschaftliche CFK-Anwendung und derzeit noch ein verbreitetes Hindernis sind nach Hintzes Einschätzung eine CFK-gerechte Bauteilauslegung sowie das Know-how und die Verfügbarkeit wirtschaftlicher Herstellprozesse.
„Hohes Leichtbau- und Dämpfungsvermögen bieten Metallschäume, beispielsweise aus Aluminium“, weiß Dr.-Ing. Gerald Rausch, Leiter Leichtbauwerkstoffe und Analytik des Fraunhofer-Instituts IFAM. Als Anwendungsbeispiele nennt er Sandwich-Platten sowie das Ausschäumen von Hohlkörpern, beispiels-weise Werkzeugmaschinengestelle oder Kolben. Kein Zweifel, der Leichtbau wird zunehmend zur vornehmsten Aufgabe von Entwicklungsingenieuren gehören. Wo genau die Reise hingeht, sowohl bei Anwendern als auch in der Produktionstechnik, darüber informiert umfassend das internationale Leichtbau-Symposium auf der EMO.
EMO-Symposium: Intelligenter Leichtbau
Das Symposium gibt einen Überblick zum aktuellen Stand in der Entwicklung moderner Leichtbaukonzepte und leitet daraus Anforderungen an zukunftsorientierte Produktionslösungen ab. Gleichzeitig werden Beispiele und Entwicklungen aus allen Bereichen der Fertigungstechnik aufgezeigt. Das Symposium bietet die Möglichkeit, sich umfassend über aktuelle Entwicklungen zu informieren und Erfahrungen hinsichtlich praktischer Umsetzung auszutauschen.
Themen sind unter anderem Leichtbau in Produktfamilien, neue Werkstoffe und Verfahren für Verbrennungsmotoren, superleichte Triebwerke, Leichtbauantriebslösungen für den Maschinenbau, Innovationen aus Blech, Leichtbau-Fräswerkzeuge, funktionsintegrative Leichtbaustrukturen.
- Termin: 18. September 2007, 9.00 Uhr bis 16.30 Uhr
- Ort: Messegelände Hannover, Convention Center, Saal 3A und 3B
- Teilnahmegebühr: 195 Euro (für Aussteller 125 Euro)
- Weitere Informationen und Anmeldung: Torsten Bell, Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V. (VDW), 60325 Frankfurt, Tel. (0 69) 75 60 81-15, t.bell@vdw.de
Artikelfiles und Artikellinks
Link: Leichtbau-Präzisionsantrieb
Link: Schwenkmodul aus CFK
Link: CFK-Hydraulizylinder
Link: Metallschäume
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