Gasmarkt Liberalisierter Gasmarkt: wirklicher Wettbewerb?
Das Urteil der Europäischen Kommission war ernüchternd, kam aber nicht überraschend: Ein Preiswettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt, vor allem bei Gas, findet nicht statt, hieß es zu Beginn des Jahres in den Schlussergebnissen der EU-Energiemarktanalyse. An diesem Zustand hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert.
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Wie ist es um die Liberalisierung des deutschen Gasmarkts bestellt? Was ist seit dem Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes von 1998 geschehen? Wodurch zeichnet sich der Status quo im Herbst 2007 aus? Die Antwort gibt ein Ausspruch Helmut Schmidts: „Märkte sind wie Fallschirme: Sie funktionieren nur, wenn sie offen sind.“ Diese Feststellung gilt vorbehaltlos für den deutschen Gasmarkt. Tatsache ist: Ein wirklicher Wettbewerb findet nicht statt, die Vorteile der Liberalisierung kommen nicht bei den Kunden an. Der Gasmarkt „funktioniert“ nach wie vor weitgehend als geschlossene Gesellschaft. Für jeden „offen“ ist er noch lange nicht. Von einem funktionierenden Wettbewerb kann nicht gesprochen werden. Darin sind sich Bundesnetzagentur und unabhängige Energieexperten einig.
Gaspreise auf Rekordniveau
Der aktuelle Gaspreisvergleich des VEA zeigt eindeutig: Die Preise stag-nieren auf hohem Niveau. Mittelständische Unternehmen in Deutschland müssen beim Einkauf von Erdgas europaweit weiterhin die höchsten Preise verkraften. Sie sind in den letzten zwölf Monaten lediglich um 1,6 % gesunken. Die regionalen Preisunterschiede sind dabei teilweise erheblich. Der Gaspreis folgt damit der Entwicklung des Heizölpreises. Durch die Bindung an das leichte Heizöl entstehen der Gasversorgungsbranche aber ungerechtfertigte Windfall Profits. Die Versorgungswirtschaft kann diese Preistreiberei nur aufgrund ihrer faktischen Monopolstellung durchsetzen.
Im Gegensatz zum Strommarkt, wo sich immerhin vier große Player ein gemütliches Oligopol eingerichtet haben, ist es bei Gas nur einer: Eon Ruhrgas. Von einer angekündigten, so genannten „Wettbewerbsinitiative“ des Monopolisten haben die Verbraucher bisher nichts gemerkt. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos jubelte schon, dass die Gaswirtschaft „unsere Signale verstanden“ habe. Die Freude war aber wohl verfrüht. Von der im Zuge der Liberalisierung angestrebten wettbewerblichen Dynamik kann nach wie vor keine Rede sein. Die Vergangenheit hat gezeigt: Die vollmundigen Versprechungen der Versorger in den letzten Monaten und Jahren waren meist nur Schall und Rauch.
Es geht noch lange nicht um eine echte Revolution auf dem Gasmarkt. Zwar soll seit Oktober 2006 endlich ein Netzzugangsmodell für mehr Wettbewerb sorgen. Doch die Lieferanten, die in ihrem Gebiet bislang über ein Versorgungsmonopol verfügten, werden wahrscheinlich noch über Jahre führend bleiben. Wer tatsächlich den Anbieter wechseln will, kann dies momentan nur in einigen wenigen Städten tun.
Entry-Exit-Modell
Im Januar 2006 hat die Bundesnetzagentur mit dem Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) sowie dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gemeinsame Eckpunkte eines neuen Gasnetzzugangsmodells präsentiert. Der Anteil der Netzkosten macht bei Gas immerhin 22 % des Gesamtpreises aus. Das erklärte Ziel war die Förderung des Wettbewerbs und damit die Senkung der stetig ansteigenden Erdgaspreise ab dem Gaswirtschaftsjahr 2006/07. Ursprünglich hätte das neue Modell bereits im Februar 2006 eingeführt werden sollen. Nach monatelangem zähen Ringen über eine marktorientierte Reform fielen die Vorschläge der Versorger immer weiter hinter den Anfang des Jahres verkündeten Kompromiss zurück.
Dabei lag der Bundesnetzagentur bereits frühzeitig eine tragfähige Lösung einer Allianz aus Erdgasnetzkunden, zu der auch der VEA gehört, sowie des europäischen Verbandes der Verteilerunternehmen (GEODE) vor. Der Vorschlag sah eine ausschließliche Anerkennung des gesetzlich vorgeschriebenen Zwei-Vertragsmodells (Entry-Exit-Modell) vor. Schwerwiegende Kritikpunkte waren außerdem die zu vielen Marktgebiete, die mangelnde Preistransparenz und die Beschränkungen beim Lieferantenwechsel.
Bisher regierte bei der Preisfestlegung in den Konzernen reine Willkür. Die Bundesnetzagentur korrigiert deshalb fehlerhafte Kalkulationen von Versorgern drastisch nach unten. Überall in Deutschland müssen die Netzentgelte neu festgelegt werden. Denn das Energiewirtschaftsgesetz schreibt vor, dass lediglich jene Kosten akzeptiert werden, die sich auch im Wettbewerb ergeben würden. Die Regulierungsbehörde hat inzwischen auch das überholte Einzelbuchungsmodell untersagt. Es erfülle nicht die gesetzlichen Vorgaben eines „diskriminierungsfreien, effizienten und massengeschäftstauglichen Netzzugangs“, so die Begründung.
Keine Alternative mehr zum kundenfreundlichen Entry-Exit-Modell
Somit gibt es de jure keine Alternative mehr zum kundenfreundlichen Entry-Exit-Modell. Das Netzzugangsmodell wird gegenwärtig optimiert. Ein Verbot langfristiger Lieferverträge von Ferngasgesellschaften oder Importeuren mit Stadtwerken ist bereits ausgesprochen. Als nächstes muss die Zahl der momentan noch 19 Marktgebiete signifikant reduziert werden, um eine ausreichende Liquidität im Gashandel zu gewährleisten.
Der Gasverbrauch in Deutschland steigt stetig an. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Die Gewinne der Energiewirtschaft steigen beständig. Eon Ruhrgas konnte seinen Umsatz 2006 um 39 % auf etwa 25 Mrd. Euro steigern. Das Vorsteuerergebnis stieg auf 2,1 Mrd. Euro. Im gleichen Maße, wie sich der Gasverbrauch und der Profit für einige Wenige erhöht, muss sich auch die Liberalisierung beschleunigen. Laut dem europäischen Richtlinienpaket von 2003 sollte die vollständige Marktöffnung für alle Gaskunden bis 1. Juli 2007 abgeschlossen sein. „Der Markt ist der einzige demokratische Richter, den es überhaupt in der modernen Wirtschaft gibt“, sagte schon Ludwig Erhard. Weitere Reformen sind deshalb dringend notwendig. Wir stehen nicht mehr ganz am Anfang. Aber ein Ende ist auch noch nicht abzusehen.
Manfred Panitz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Energie-Abnehmer e. V. (VEA), Tel. (0511) 9848-113, mpanitz@vea.de
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