Flurförderzeuge Logistikzüge machen Staplern zunehmend den Rang streitig
Wer sägt schon am Ast, auf dem er sitzt? Diese Frage drängt sich beim neuen Logistikzug von Europas größtem Staplerbauer geradezu auf. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich die Suche nach dem geeigneteren Intralogistik-Transportmittel nicht als Entweder-oder-, sondern eher als Sowohl-als-auch-Entscheidung.
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Bereits während der Cemat 2011 hat Linde Material Handling seinen ersten Routenzug, den Linde-Logistikzug, und den Prototypen eines weiteren Zuges vorgestellt. Nach Anwendungsanalysen und intensiven Diskussionen mit Kunden bieten die Aschaffenburger knapp ein Jahr später ein modulares Anhängersystem mit vier Baureihen und drei verschiedenen Baugruppen ihrer Anhänger beziehungsweise Palettenfahrgestelle an (Bild 1).
Im produktionstechnischen Umfeld mit seinen horizontalen und vertikalen Transportprozessen werden insbesondere die vertikalen Warenbewegungen auch künftig vorwiegend mit verbrennungstechnisch oder elektrisch angetriebenen Gegengewichtsstaplern erfolgen.
Kleingebinde in der Produktion fordern die Transportlogistik
Doch was passiert in der Horizontalen? Beim Be- und Entladen von Lkw, dem Verteilen der Ware und der Ladungsgüter sowie deren Einlagerung in Regale oder Blocklager? Oder beim Transport in den Kommissionierbereich beziehungsweise zu den Produktionsstätten oder zu den Supermärkten, wo die Produktionsgebinde vorbereitet werden, um in passender Stückzahl und Konfiguration ans Band angeliefert zu werden?
Der Entwicklung hin zu kleineren, handlicheren Gebindegrößen nicht nur in Handel und Distribution, sondern auch und gerade im Produktionsalltag dürfen sich auch die Fördertechnikanbieter nicht verschließen. In der Produktion geht der Trend weg von großen, massiven Paletten hin zur angepassten Belieferung. Nicht zuletzt deswegen macht das Postulat „staplerfreie Produktion“ wieder die Runde.
Logistikzug löst Stapler im Produktionsumfeld ab
Tobias Zierhut, der den Logistikzug bei Linde verantwortet, sieht das entspannt: „Ein Logistikzug schafft keine staplerfreie Produktion. Aber er verlagert die Staplerprozesse in eine bestimmte Region im Unternehmen.“ Die Stapler sind seiner Meinung nach künftig nicht mehr dort zu finden, wo sich der Logistikzug befindet – im Produktionsumfeld.
Bisher werden große palettierte Stückgutbehälter bandnah oder direkt ans Band angeliefert und dort vom Mitarbeiter im Push-Prinzip im benötigten Umfang an den Produktionsprozess gegeben. Der Monteur setzt die Feinlogistik um. Ganz anders mit dem Logistikzug: Hier funktioniert die Belieferung der Arbeitsplätze getaktet nach Bedarfen im Pull-Prinzip.
Die Stückgutträger sind kleiner, die Gebindegrößen entsprechend angepasst an den Bedarf in der Produktion. „Damit ist der Mitarbeiter nicht mehr damit beschäftigt, die Ware von der großen Palette ans Band zu bringen. Es wird nur die Ware direkt am Band angeliefert, die der Mitarbeiter auch wirklich braucht“, so Zierhut.
Logistikzüge ermöglichen schlankere Prozesse
Daraus resultieren verschlankte Prozesse. Der Mitarbeiter beschäftigt sich nur noch damit, wofür er bezahlt wird: mit der Montage. So werden auch Fehler weitestgehend ausgeschlossen, weil die Fehlerkontrolle schon vorab im Supermarktbereich durchgeführt wird. Minimale Durchlaufzeiten sind das erwünschte Ergebnis dieses Prozesses.
Je nach logistischer Problemstellung im Unternehmen gibt es jedoch einen Richtwert, ab wann solch eine Schleppzugbelieferung wirtschaftlich ist. Nach Aussage von Tobias Zierhut liegt er bei zurückzulegenden Entfernungen zwischen 120 und 150 m.
Weil Routenzüge klassisch keinen Kreuzungsverkehr und damit auch keinen Gegenverkehr beachten müssen, sinkt die Unfallgefahr erheblich. Die Materialversorgung wird sicherer, weil sich die Fahrer nicht mehr um die eigentliche Routenführung kümmern müssen, sondern sich auf das unmittelbare Umfeld konzentrieren können und darauf, dass kein Mitarbeiter und keine Palette im Weg steht.
Jeder Hänger verfügt über ein gekapseltes Hydrauliksystem
Linde bietet die Frames seines neuen Logistikzugs in verschiedenen Antriebsvarianten an (Bild 5). Zum einen ohne Antrieb als preiswertes, wirtschaftliches Einstiegssegment (Bild 4) für Kunden, für die elektrische Antriebe keine Rolle spielen.
Ein Frame, wie er vor allem im Reinraumbereich mit einem Gebindegewicht bis zu 1 t verwendet wird, verfügt über einen elektrischen Hubmechanismus. Für Kunden, die Waren bis zu 2 t anheben müssen, bietet Linde Material Handling eine elektrohydraulische Bedieneinheit an (Bild 2).
Und genau hier sieht das Unternehmen den maßgeblichen Unterschied zum Wettbewerb: Die Hydraulikelemente in den Hängern sind nicht durch eine zentrale Hydraulikleitung mit permanenter Leckagegefahr verbunden. Stattdessen verfügt jeder Hänger über ein gekapseltes Hydrauliksystem. Die gesamten Hydraulikleitungen sind im Frame geschützt verlegt. Die einzige Verbindung der Anhänger mit dem Schlepper ist elektrischer Natur, um den Hydraulikmotor mit Energie aus dem Fahrzeug zu versorgen.
Ergänzt wird das Anhängersystem von Hängern in Brückenbauweise (Bild 3). Die Dollies sind dabei von links wie von rechts per Stapler oder Hochhubwagen bedienbar. Ein Plattformwagen schließlich kann als Standardhänger Paletten von A nach B bringen und rundet das Angebot ab.
Frames mit und ohne Hubkomponente erhältlich
Beim Frame ohne Hubkomponente werden die Dollies mit entsprechend palettierter Ware einfach in den Frame geschoben, dieser mit einem Bügel verschlossen, an die entsprechende Entladestation gefahren und der Fahrer oder der Mitarbeiter am Band entlädt den Frame. Die gleiche Frame-Variante gibt es auch mit einem elektrisch oder elektrohydraulisch arbeitenden Hubmotor, je nach Kapazität und Anwendung.
Wenn die Dollies vom Boden angehoben, das heißt also entkoppelt sind, reduziert sich natürlich der Verschleiß der Räder am Dolly und die Ware ist, gerade bei schlechteren Böden, besser gegen Erschütterungen geschützt. Bei einem geteilten Frame können zwei Paletten aufgenommen werden – ein Plus gerade im Hinblick auf die Lieferlogistik mit kleinen Bezugsgrößen.
Spezialbereifung für den Einsatz der Hänger im Außenbereich
Und auch an Sonderausrüstungen hat Linde gedacht: beispielsweise an Schutzummantelungen, die die Ladung vor Licht oder Nässe schützen sollen. Die Frames sind außerdem mit entsprechender Bereifung zu haben, damit sie problemlos im Außenbereich eingesetzt werden können. Eine optionale Ackermann-Lenkung, bei der alle vier Räder angelenkt werden, sorgt dafür, dass der Linde-Logistikzug noch besser die Spur hält und es zu keinem Unfall kommt, wenn ein Fahrer einmal die Kurve zu eng schneidet.
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