Massivumformung Massivumformer müssen auf Elektromobilität reagieren

Autor Stéphane Itasse

Vom Verbrennungsmotor im Auto haben die Massivumformer lange profitiert. Wenn sich jetzt neue Antriebskonzepte, ob vollelektrisch oder hybrid, abzeichnen, geraten auch die etablierten Verfahren und damit die Hersteller unter Druck. Doch es zeichnen sich auch neue Möglichkeiten ab.

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Wie können Teile für ressourcenschonendere Automobile künftig am besten produziert werden? Dieser Frage geht das Fraunhofer-IWU in Chemnitz nach.
Wie können Teile für ressourcenschonendere Automobile künftig am besten produziert werden? Dieser Frage geht das Fraunhofer-IWU in Chemnitz nach.
(Bild: Fraunhofer-IWU)

Wie innovative Prozessketten für die Produktion alternativer Antriebskonzepte aussehen können, erläuterte Anne Manuela Taubert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-IWU in Chemnitz, auf dem 33. Jahrestreffen der Kaltmassivumformer in Düsseldorf. Dazu will das Forschungsinstitut die Herstellungsprozesse optimieren. „Wir wollen nicht nur die Elektromobilität umsetzen, sondern auch in einer effizienten Form an den Mann bringen“, sagte Taubert.

Auf die Umformtechnik setzen die Chemnitzer Forscher, weil bei diesen Verfahren das Material effizient verwendet wird – und Material ist mit 48 % größter Kostenblock im Fahrzeugbau. Um effiziente Fertigungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen, gilt es nach den Worten von Taubert, spanende Prozesse durch Umformtechnik zu ersetzen, effiziente Fertigungssysteme einzusetzen und die ursprüngliche Prozesskette zu verkürzen. Dies wurde bereits im E³-Leitkonzept umgesetzt – die Forschungseinrichtung in Chemnitz bietet Rundkneten, Bohrungsdrücken, Verzahnungswalzen (warm und kalt), Axialformen und Fertigwalzen.

Kürzere Gesamtprozesskette bringt deutliche Fortschritte

„Wir sind in der Lage, in kürzerer Zeit mehr zu fertigen, indem wir die Gesamtprozesskette verkürzen“, berichtete sie weiter und erläuterte dies am Beispiel einer Welle, bei der die bisherige Fertigungsroute mit Fließpressen und Tieflochbohren durch zwei Alternativen ersetzt wurde: Einmal durch die Kombination aus Schmieden und Bohrungsdrücken, im anderen Fall durch kombiniertes Fließpressen. Anschließend wurde in allen drei Fällen spanend nachbearbeitet, in der Ausgangsroute folgten noch Wälzfräsen, in den beiden anderen Verzahnungswalzen, bevor das Härten und die Hartfeinbearbeitung kamen.

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Beim Ausgangsprozess wurden 3,83 kg Stabstahl durch Fließpressen in vier Stufen umgeformt, danach folgte das Tieflochbohren. Bei den beiden anderen Verfahrensrouten genügten jeweils 3,35 kg.

Bei der ersten Alternative wurde das Fließpressen durch Schmieden ersetzt, danach folgten Bohrungsdrücken und Lochen. Beim Bohrungsdrücken wurden Napfrückwärtsfließpressen und Drückwalzen kombiniert. „Ja nach Material und Geometrie kann das Bauteil kalt, halbwarm oder warm umgeformt werden“, berichtete Taubert. Mit dem Bohrungsdrücken hat das IWU Verhältnisse von Länge zu Durchmesser bis zu 15 und Verhältnisse von Durchmesser zu Wanddicke zwischen 2 und 23 realisiert. Damit lässt sich eine große geometrische Variantenvielfalt mit variablen Wanddicken und Innenprofilen umsetzen, bei gleichzeitig hoher Materialausnutzung. Bei den Zykluszeiten für das Bohrungsdrücken hat das Forschungsinstitut mittlerweile Werte zwischen 30 s und 1 min erreicht, je nach Bauteil.

Komplexe Wellen- und Profilformen durch Fließpressen realisiert

Bei der zweiten Alternativroute kombinierten die Forscher das Napfvorwärts- und das Napfrückwärtsfließpressen in einem Prozessschritt. Damit ließen sich auch komplexe Wellen- und Profilformen realisieren. Außerdem merkte Taubert an: „Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe, wenn wir alles in einem Prozessschritt machen statt konventionell in vier Schritten.“

Doch das Fraunhofer-IWU beschränkt sich bei seinen Untersuchungen nicht nur auf das Thema Automobil. So versuchen die Forscher im Projekt Gearform, großmodulige Zahnräder für die Windkraft energie- und ressourceneffizient zu fertigen, indem sie die Materialeffizienz verbessern und die Fertigungszeit verkürzen. Dazu untersuchen sie Warmumformprozesse auf bestehenden Maschinen, entwickeln und bauen Werkzeuge für die Umformung von Verzahnungen mit Modul > 8 mm und Durchmesser bis 1000 mm und setzen nicht zuletzt auf eine neuartige induktive Erwärmungseinheit. Beim Projekt Marget ist das Ziel, Komponenten für Schiffsgetriebe umformtechnisch herzustellen. Dazu gilt es, das Bohrungsdrücken auf größere Dimensionen zu skalieren.

Neuartiges Herstellungskonzept für Rotorwellen durch Massivumformung

Um bei Elektromotoren eine bessere Ressourceneffizienz und Wirtschaftlichkeit zu erreichen, hat Felss Systems ein neuartiges Herstellungskonzept für Rotorwellen realisiert. Das Produkt namens E4 Smartshaft ist modular aufgebaut, wie Dr. Michael Marré, Leiter Engineering & Innovation beim Maschinenbauer, auf dem Kongress erläuterte. Das ermöglicht ein Baukastensystem für Elektromotoren.

Die modulare Rotorwelle besteht aus einem einheitlichen, in der Länge variablen Wellenelement für das Blechpaket und individuellen Endstücken für die Anbindung der Verbraucher oder die Integration von Sensoren. Diese Elemente werden separat produziert und durch eine verpresste Verzahnung gefügt. Um das Gewicht zu senken, basieren die Wellenelemente meist auf hohlen Strukturen.

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Unterstützt wird die Produktion durch das neuartige Verfahren Tube+ von Felss (wir berichteten). Es funktioniert gleichsam entgegengesetzt zum Rundkneten: Während bei Letzterem ein Rohr durch die Umformwerkzeuge in seinem Durchmesser reduziert wird, wird bei Tube+ das Rohrende durch Aufbringen axialer Kräfte angestaucht. Dieses angestauchte Ende wird dann entlang einer Dornachse geschoben. Damit lassen sich an der Außenseite des Rohres ohne Wärmezufuhr Materialanhäufungen dort erzeugen, wo aufgrund von Belastungen auch mehr Material benötigt wird. Das Ausgangsmaterial der Rohlinge spielt keine Rolle, die Rohre können geschweißt oder gezogen sein. Als Einzelverfahren kann Tube+ auch in mehrstufige Transferanlagen integriert werden.

Rotorwellen für Elektromotoren mit neuartigem Produktionsverfahren

Bei der Herstellung der Rotorwelle E4 Smartshaft wird ein unbearbeitetes Rohr zunächst mittels Tube+ lokal aufgedickt, dann wird die gewünschte Bauteilgeometrie durch Rundkneten erzeugt. Durch Einziehen und Axialformen wird dann im Bereich der Aufdickung die Fügestelle, also die Abbildung der Verzahnung, hergestellt. Erst im letzten Schritt kommt ein spanendes Verfahren zum Einsatz: Durch Drehen wird der Lagersitz der Mittelwelle bereitgestellt.

Die Endstücke können auf Basis von Schmiedeteilen, Fließpressrohlingen oder Drehteilen hergestellt werden – zahlreiche Varianten sind möglich. Zum Fügen werden sie als Rohling oder fertiges Bauteil mittels Axialformen verzahnt.

Da sich mit dieser Art der Herstellung von Rotorwellen für Elektromotoren viel Material einsparen lässt, ergibt sich ein doppelter Nutzen für die Umwelt. Zum einen fällt durch die Produktion mit umformenden statt mit zerspanenden Verfahren nur wenig Schrott an, zum anderen wird die bewegte Masse in den Elektromotoren durch die Hohlwellen deutlich reduziert, was den Energiebedarf für den Antrieb senkt. Im Vergleich zu einer Vollwelle konnte Felss bis zu 58 % Gewichtseinsparung erreichen.

Über Schmiedeteile im Automobil der Zukunft sprach Dr. Michael Muckelbauer, Leiter Innovationsmanagement bei der Bharat Forge Global Holding in Ennepetal. Das Schmiedeunternehmen sieht sich durch die aktuellen Entwicklungen in Richtung Elektro- oder Hybridfahrzeuge unter Druck – beispielsweise machen Kurbelwellen ein Drittel der Produkte von Bharat Forge aus. „Bei der Elektromobilität gibt es überhaupt keine Kurbelwellen mehr, beim Hybridfahrzeug sind es nicht unbedingt geschmiedete“, beschrieb Muckelbauer die Situation des Schmiedeunternehmens.

Auch bei Teilen im Fahrwerk, ob aus Aluminium oder Stahl, spürt Bharat Forge den Wettbewerb von Guss- und Blechteilen. Um am Markt zu bleiben, setzt Bharat Forge teilweise auch auf andere Verfahren als das Schmieden.

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