Prüftechnik Messen im 3D- Druck

Autor Simone Käfer

Erfordert die Additive Fertigung neue Messtechnik? Erfahren Sie, welche Messverfahren an welchen Stellen im Herstellungsprozess angewandt werden können und auf welchen Gebieten geforscht wird.

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Diese Mess- und Prüfverfahren sind in der Additiven Fertigung sinnvoll.
Diese Mess- und Prüfverfahren sind in der Additiven Fertigung sinnvoll.
(Bild: ©xiaoliangge - stock.adobe.com)
  • Zur Kontrolle planen manche Unternehmen mindestens eine Zugmessprobe in jeden Baujob ein.
  • Für eine gute Qualität sollte Pulver auf seine Porosität hin überprüft werden. Dazu analysiert man die Beschaffenheit der Pulverpartikel.
  • An In-situ-Kontrollen wird noch geforscht und entwickelt. Erste Anbieter sind aber auf dem Markt.
  • Per Computertomografie erhält man eine komplette 3-dimensionale Beschreibung des Bauteils und kann ins Innere sehen sowie Defekt- und Porenanalysen durchführen.

Der anfänglich schlechte Ruf des 3D-Drucks aufgrund von sprödem Material, das schnell bricht, steckt noch in vielen Köpfen. Das führt oft dazu, dass 3D-gedruckte Bauteile unnötig – aber zur Beruhigung des Kunden – zur Qualitätsprüfung zerstört werden. Hinzu kommt der Verzug, wenn das Bauteil ungleichmäßig abkühlt. Nicht zu vergessen die Anwender, deren Qualitätsprüfung dort Fehler meldet, wo entsprechend einem additiven Design Materialeinsparungen vorgenommen wurden, also dort wo kein Material, sondern konstruktionsbedingt und damit absichtlich Luft ist.

„Wir drucken in jedem Baujob Qualitätsprüfkörper mit, um die mechanischen und geometrischen Eigenschaften jedes Druckauftrags, in genau dieser Maschine, an genau dem Tag, in dem speziellen Auftrag, zu kontrollieren”, sagt Dr. Reiner Nett, Geschäftsführer des Auftragsfertigers Kegelmann Technik. „Diese können an relevanten Stellen im Bauraum positioniert werden, um auch lokale Schwankungen der Parameter zu überprüfen. Aber letztendlich verlässt man sich im Spritzguss ebenfalls zunächst nur auf die angegebenen Materialeigenschaften der Hersteller. Ein technisches Spritzguss-­Bauteil durchläuft dann immer eine nachfolgende Validation zur Sicherstellung der Qualitätsanforderungen.”

Die Prüfung beginnt beim Material

Das Schöne an der Additiven Fertigung ist, dass so gut wie das gesamte Material aufgebraucht werden kann. Pulver, das beim Druck nicht zu einem Bauteil verarbeitet wurde, kann wieder verwendet werden. Natürlich nicht einfach so. Um überschüssiges und Restpulver recyceln zu können, muss dieses gesiebt, geprüft und mit frischem Material vermischt werden. Die meisten Nutzer von Pulverbettverfahren separieren ihr Pulver in Neu-, Überlauf- und Bauraumpulver. Diese vermengen sie in einem kontrollierten Mischverhältnis, mit dem sie die Qualität garantieren können. Dafür sind genaue Mess- und Prüfvorgänge nötig. Aber auch Neupulver kann thermisch beschädigt sein oder die Qualität des Lieferanten schwankt. Sowohl bei Metall- als auch bei Kunststoff­pulver sollten die Fließeigenschaften kontrolliert werden.

Wer seine Pulver schnell untersuchen und die Größenverteilung der Partikel bestimmten will, dem bietet Carl Zeiss die Methode der Lichtmikroskopie an. Für eine genauere Analyse eignen sich nach Erfahrung des Messtechnikunternehmens Rasterelektronenmikros­kope, deren Auflösung bis in den Nanometerbereich reicht und dadurch die Beschaffenheit der einzelnen Pulverpartikel sichtbar macht. So können Anwender ihr Material auf Porosität überprüfen. Per Computertomografie (CT) kann laut Zeiss zudem die Dichte des Pulverbetts analysiert werden. Diese Techniken machen auch nach dem Herstellungsprozess Sinn, um die Materialqualität zu überprüfen.

Die Situation in der Maschine kontrollieren

Die Prozessparameter entscheiden über das Gelingen eines Druckjobs und die Qualität des fertigen Bauteils. Ein instabiler Prozess, ein ungleichmäßig beheizter Bauraum – und das Fehlteil ist fertig. Die Situation in der Maschine auch während des Druckvorgangs zu kontrollieren, unterstützt die Qualität und Reproduzierbarkeit von Bauteilen. Außerdem kann durch sie auch die eine oder andere Prüfaufgabe als Nachbearbeitungsschritt entfallen. Forschungsinstitute haben sich bereits des Themas angenommen. Die BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) beispielsweise untersucht im Projekt „Prozessmonitoring in der additiven Fertigung” (ProMoAM) die Druckprozesse von metallischen Bauteilen, die mit Laser-Pulverauftragschweißen (LPA) oder per selektivem Laserschmelzen (SLM) entstanden. Ausgangsfragen sind: „Bilden sich Gasporen oder entstehen Risse? Und wenn ja: Was ist die Ursache und wie lässt sich die Entstehung von Qualitätsmängeln vermeiden?” Um das herauszufinden, forscht das Projektteam an Verfahren der Spektroskopie und der zerstörungsfreien Prüfung zur Kontrolle des Herstellungsprozesses. „Da im Pulverbettverfahren die Bauteile lagenweise gefertigt werden, bildet jede Schicht irgendwann im Fertigungsprozess einmal die Oberfläche und kann dann von uns gut überwacht werden“, erklärt Projektleiter Dr. Simon Altenburg. Gemessen wird hier unter anderen mit thermografischen und optischen Verfahren.

Die einzelnen Messergebnisse werden schließlich zu einem 3D-Datensatz zusammengefügt, welcher der Geometrie des Bauteils entspricht. Der komplette Datensatz liefert den Wissenschaftlern Informationen über das Innere des Bauteils und somit die Qualität. Zudem sind Rückschlüsse darüber möglich, an welchen Stellen das additive Fertigungsverfahren verbessert werden kann und auch, wo ein Fehler entsteht. Fehler können anhand der Temperaturverteilung im Bauraum in Kombination mit einer Analyse von Erwärmungs- und Abkühl­geschwindigkeiten sowie von Temperaturgradienten ermittelt werden.

Fehler über mehrere Schichten identifizieren

Aber auch Unternehmen arbeiten auf eine Prozesskontrolle hin. So hat Dr. Jochen Schell von Polytec im Rahmen eines Vortrags auf der Messe EAM – Experience Additive Manufacturing im vergangenen September angekündigt, dass sein Unternehmen an einem In-situ-­Messverfahren arbeite. Auf der Formnext 2019 stellt das US-amerikanische Unternehmen Sigma die Version 5.1 seines Produkts Printrite3D vor. Die Software zur Echtzeitanalyse ist für SLM-Verfahren geeignet und nutzt thermische Messwerte aus dem Schmelzbad, um Anomalien für jede Bauschicht zu erkennen und vorherzusagen. Eine der neuen Funktionen von Printrite3D ist die automatisierte Anomalieerkennung in der Z-Achse, die thermische Fehler identifiziert, die sich über mehrere Schichten ausbreiten.

Viele Anwender nutzen zur Prüfung des gedruckten Bauteils die Geräte, die sie auch für konventionell gefertigte Bauteile verwenden. Auch Auftragsfertiger verfahren so. „Aufträge, bei denen sehr hohe Anforderungen wie häufig bei Spritzguss-Bauteilen an Form, Lage und Maßgenauigkeit gestellt werden, haben wir eher selten in der Additiven Fertigung”, sagt Nett. „In diesen Fällen nutzen wir die gleiche Prüf- und Messtechnik, die wir auch bei Spritzgussverfahren verwenden.” Nach dem Druck ziehen einige Verfahren Wärmebehandlungen nach sich. Dabei können thermische Spannungen dazu führen, dass sich Merkmale und Bohrungen in Form, Größe und ihrer Lage verändern. Koordinatenmessgeräte oder 3D-Scanning sind in solchen Fällen angebracht. 3D-Scanning empfiehlt sich auch zur Überprüfung der Maßhaltigkeit, die besonders dann wichtig ist, wenn das Bauteil in ein größeres Ganzes verbaut wird.

Andere Hersteller schwören auf Computertomografie. Diese kann bereits zum Prüfen des Pulvers eingesetzt werden. Aber besonders eignet sich die CT, um die inneren Strukturen eines additiv gefertigten Bauteils zu prüfen. Das BAM forscht diesbezüglich mit einem Synchron-µ-CT im Mikro­bereich, der Inhomogenitäten wie Risse und Hohlräume erkennt. So werden mechanische Belastungen untersucht und deren Auswirkungen auf die Bauteilsicherheit bestimmt. Gleichzeitig stellt man sich an der BAM aber auch die Frage, ob CT noch notwendig ist, wenn eine In-situ-Messung bereits die Merkmale für Fehler erkennt und diesen vorbeugt.

Auf der Formnext 2018 hatte General Electric einen Computertomografen dabei, der noch nicht auf die Bedürfnisse der Additiven Fertigung abgestimmt gewesen sei. Denn die Details in einem additiv gefertigten Bauteil seien mit 1/20 mm wesentlich feiner als die eines konventionellen mit 1/40 mm. Inzwischen liegt das Know-how bei der Tochter Baker Hughes, deren weiterentwickelte Computertomografen bei GE Aviation eingesetzt werden.

Enger tolerierte und qualitativ hochwertigere Bauteile per CT

Steffen Hachtel, Geschäftsführer von Hachtel Werkzeugbau, ist von der Technik so überzeugt, dass er auf der EAM einen Vortrag dazu hielt. Der Kunststoffverarbeiter stieg 2013 in die Additive Fertigung ein, seit 2007 arbeitet sein Unternehmen mit CT. Für ihn ist besonders die Formtreue beim 3D-Druck mit Kunststoffen ein Problem. Auch eine Reproduzierbarkeit ist nicht gegeben. Seit einem Jahr arbeitet Hachtel mit Hot Lithografy, einem der Stereolithografie (SLA) ähnlichen Verfahren, das hochviskose Harze bei 120 °C verarbeitet. Das Bauteil wird bei Hachtel mit dem CT geprüft und danach gegebenenfalls der Druck optimiert. „So erhalten wir enger tolerierte und qualitativ hochwertigere Bauteile“, sagt Hachtel.

Per Computertomografie erhält man eine komplette 3-dimensionale digitale Beschreibung des Bauteils und kann ins Innere sehen sowie Defekt- und Porenanalysen durchführen. „Mit einem einzigen Scan erhalten wir einen Überblick über die Formtreue und die Gefügestruktur”, hebt Hachtel die Vorteile hervor. Ebenso können Anlagen und Prozesse damit optimiert und kalibriert werden. Allerdings erfordert auch ein Umgang mit der Computertomografie Erfahrung.

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