Insolvenz Mit dem Schutzschirm aus der Krise
Seit rund drei Jahren soll das „Schutzschirmverfahren“ die Sanierung von Unternehmen in der Krise erleichtern. Vorteil für die Unternehmen: Nicht ein Insolvenzverwalter übernimmt das Ruder, sondern die Geschäftsführung bleibt im Amt.
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Die inhabergeführte Unternehmensgruppe Tech mit Hauptsitz in Hannover und Göttingen hatte sich entschieden, dieses recht neue Sanierungsinstrument zu nutzen. Mit Erfolg: Tech ging bereits nach nur neun Monaten als saniertes Unternehmen aus dem Verfahren hervor. Ende 2013 hatte das inhabergeführte Unternehmen für Industriedienstleistungen den Schutzschirm beantragt. „Die Krise begann mit der Finanzkrise 2009“, erinnert sich Tech-Geschäftsführer Jürgen Zinecker. „Damals mussten wir einen Umsatzeinbruch von 50 % verkraften.“
In den folgenden Jahren ging es zwar wieder bergauf. „Doch die Verbindlichkeiten blieben“, so Zinecker. Da ein Verkauf für Zinecker und seinen Partner Rainer Bilgeri nicht zur Debatte stand, entschied man sich im Dezember 2013, ein „Schutzschirmverfahren“ zu beantragen. Ziel war es, das Unternehmen schnell und vollständig zu sanieren. „Ein Schutzschirmverfahren ist hierzu die ideale Lösung“, betont der Sanierungsexperte Prof. Lucas F. Flöther, der in diesem Verfahren auch als Sachwalter fungierte. „Die Geschäftsführung bleibt Herr im eigenen Hause und ist für die Dauer des Verfahrens vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt.“
Stillschweigen bis zur letzten Minute
Voraussetzung für ein Schutzschirmverfahren ist, dass das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist. Frühzeitiges Handeln ist also entscheidend. „Je früher der Antrag gestellt wird und je mehr Ressourcen noch zur Verfügung stehen, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, das Unternehmen erfolgreich zu sanieren“, erläutert Flöther. „Viel zu oft wird so lange mit Sanierungsmaßnahmen gewartet, bis es zu spät ist.“
„Die Voraussetzung war bei Tech erfüllt“, so Zinecker. Allerdings mussten bis zur Antragstellung noch einige Hürden genommen werden: So musste das Unternehmen einen Spezialisten für Insolvenzrecht als Berater engagieren, mit dem der Antrag für das Gericht vorbereitet wurde. „Dies geschah noch alles undercover“, berichtet Zinecker. „Wir wollten zu diesem Zeitpunkt niemanden beunruhigen.“ Die Vorbereitung der Antragstellung dauerte etwa sechs Wochen.
Mit dem Antrag konnte Tech dem Gericht einen Sachverwalter vorschlagen, der – anstelle eines Insolvenzverwalters – das Verfahren im Interesse der Gläubiger beaufsichtigt. Tech vertraute hier auf Empfehlungen und entschied sich für Prof. Dr. Lucas F. Flöther, Partner der auf Sanierung spezialisierten Kanzlei Flöther & Wissing. „Uns war es wichtig, einen erfahrenen Sachwalter zu finden, der uns konstruktiv im Sinne des Unternehmens unterstützt und nicht auf Abwicklung oder Verkauf aus ist.“ Flöther ergänzt: „Als Sachwalter arbeite ich so eng wie möglich mit der Geschäftsführung zusammen und unterstütze den Sanierungsprozess bestmöglich. Meistens ist dies auch für die Gläubiger am Ende der beste Weg.“ Flöther verfügt als Sachwalter über umfangreiche Erfahrungen in Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren.
Das I-Wort besser vermeiden
Die Möglichkeit, einen Sachwalter auszuwählen und mit ihm das Verfahren zu durchlaufen, ist zudem vertrauensbildend. „Unternehmen und Sachwalter ziehen so sicher eher an einem Strang, als wenn das Gericht dem Geschäftsführer einen Sachwalter an die Seite stellt“, so Flöther.
Weiterer Vorteil von Schutzschirmverfahren: Wer ein solches Verfahren durchläuft, ist weniger mit dem Makel „Insolvenz“ behaftet. Dies wirkt sich positiv auf das Verhältnis zu Kunden, Lieferanten und natürlich Mitarbeitern aus. „Wir haben von vornherein versucht, das ‚I-Wort‘ zu vermeiden“, sagt Zinecker. „Darüber hinaus haben wir aber von Anfang an auf Transparenz und Ehrlichkeit gesetzt.“ So wurden die Mitarbeiter zeitgleich zur Antragstellung informiert und mit allen Kunden und Lieferanten persönliche Gespräche geführt, in denen die Situation genau erläutert wurde. Unterstützt wurde Zinecker dabei von Sachwalter Flöther, der Kunden und Lieferanten die Unsicherheit genommen und aktiv zur Weiterarbeit mit Tech aufgefordert hat. „Es war absolut positiv“, so der Geschäftsführer. „Alle Beteiligten haben den Weg des Schutzschirmverfahrens unterstützt. Kein Mitarbeiter hat gekündigt und kein Kunde oder Lieferant ist abgesprungen.“
Das deutliche Signal, dass das Unternehmen eben nicht insolvent war und man trotzdem rechtzeitig Maßnahmen zur Sanierung ergriffen hatte, ist auch aus Flöthers Sicht erfolgsentscheidend: „Unternehmer gelten nicht mehr als Versager, wie es früher der Fall war, wenn das Unternehmen ins Wanken geriet.“ Gleichzeitig könnten aber die bewährten Sanierungsinstrumente der Insolvenzordnung auch im Schutzschirmverfahren genutzt werden, vor allem das Insolvenzgeld und die Sonderkündigungsrechte.
Ein erfolgreich saniertes Unternehmen
Die Tech-Gruppe nutzte die bis zu drei Monate dauernde Schutzschirmphase, um erste wichtige Sanierungsmaßnahmen umzusetzen und einen detaillierten Sanierungsplan – den sogenannten „Insolvenzplan“ – zu erarbeiten. Angesichts dieser Fortschritte ordnete das Gericht auch nach Eröffnung des Verfahrens die Eigenverwaltung an; das heißt, die Geschäftsführer hatten auch im eröffneten Verfahren weiter die Entscheidungsgewalt über ihr Unternehmen. Nur wenige Monate später, im Juli 2014, wurde der Sanierungsplan von der Gläubigerversammlung angenommen. „Dass die Gläubiger dem Plan zustimmten, wäre ohne die offene und konstruktive Zusammenarbeit von Gläubigern, Sachwalter, Gericht und Unternehmen nicht möglich gewesen“, resümiert der Geschäftsführer. Am 24. September 2014 wurde das Verfahren durch das Gericht aufgehoben. Seitdem ist Tech ein rundum saniertes Unternehmen, dessen Geschäfte erfolgreicher laufen als vor der Krisenzeit.
Rückblickend zieht Zinecker eine durchweg positive Bilanz des Schutzschirmverfahrens. „Ich habe mich während des gesamten Verfahrens sicher gefühlt gegenüber allen Beteiligten“, berichtet der Geschäftsführer. „Hätten wir stattdessen ein Regelinsolvenzverfahren durchlaufen, hätten viele Geschäftspartner sicher anderes reagiert.“ Sanierungsexperte Flöther pflichtet ihm bei: „Ich kann nur jedem Unternehmen, das in eine Krise geraten ist und die Möglichkeit hat, ein Schutzschirmverfahren zu beantragen, raten, dies auch zu tun.“
* Tim Wallentin ist Redakteur bei der Möller PR GmbH aus 50672 Köln GmbH, tw@moeller-pr.de
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