Taiwan Motto: Lieber Geld verlieren als Vertrauen
Wenn Asiaten das Wesen deutschen Erfolgs verstehen wollen, lautet ihre Bitte häufig, man möge ihnen etwas über den „German Mittelstand“ erzählen. Was ist das Geheimnis langjähriger Marktführerschaft? Dabei müssten sie nur nach Taiwan schauen, um Beispiele für erfolgreiche mittelständische Strukturen zu sehen.
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Wir beide könnten morgen in die Produktion von Werkzeugmaschinen einsteigen und müssten nicht ein einziges Teil selbst produzieren“, lautet in einem Satz zusammengefasst das Geschäftsmodell nicht weniger Firmen und der Wesenszug einer ganzen Industrie. Ob der Chef des Maschinenindustrieverbandes, C. C. Wang, oder Vorstände und Inhaber taiwanesischer Betriebe – das Argument der kurzen Wege und vielfältigen Möglichkeiten der mittelständisch geprägten Branche wird in vielen Gesprächen angeführt.
Erfolge der taiwanesischen Industrie werden umso bedeutender, wenn man sich vor Augen hält, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Inselindustrie im Vergleich zu anderen Ländern ohne eigene Automobilindustrie oder andere großen Inlandskunden auskommen muss. Und so haben sich kleine und mittlere Firmen Anpassungsfähigkeit und Flexibilität antrainiert. Taiwanesische Entscheider zeigen sich überzeugt: Das ist der Kern unseres Erfolges.
Unter fremder Flagge produzieren
Es ist ein Markenkern, den sich auch Rock Liao zu eigen macht. Vom Chef der Quaser Machine Tools im Youshih Industriepark in Taichung stammt das Eingangszitat. Er betreibt noch heute sein Unternehmen nach diesem Geschäftsmodell unter dem Motto „We cut faster“. Klein angefangen hat alles Anfang der 1990er-Jahre. Zwei Jahre nach der Gründung beschreibt Liao den ersten Meilenstein, die OEM-Produktion im Auftrag eines großen amerikanischen Herstellers, selbstverständlich noch ohne eigene Produktion. Nach den ersten Fünf-Achs-Maschinen aus dem Hause Quaser interessierten sich auch europäische Anbieter für in Taiwan unter fremder Flagge produzierte Maschinen. Heute fahren die Eigentümer von Quaser zweigleisig: Ein dritter und vierter großer OEM-Kunde und Maschinenverkäufe unter eigenem Markennamen führten dazu, dass Europa mit zwei Dritteln der größte Markt für ihre Werkzeugmaschinen geworden ist. Während der asiatische Marktanteil wächst, sinkt hingegen der Absatz in Amerika. Seit 2009 trägt der Heimatmarkt in Asien mit einem Viertel zum Geschäft bei.
Wenn Liao den Erfolg erklären soll, legt er die Hände übereinander und lächelt. Es schleicht sich ein Funkeln in seine Augen, als er das Standortargument in etwas abgewandelter Form wiederholt: „Wir haben eine außergewöhnliche Supply Chain hier, Hersteller von Messtechnik, Achsen, Ölkühlern und so weiter. Hier finden wir eine große Anzahl an Zulieferern,“ Doch er ergänzt auch: „Design und Montageprozess machen den Unterschied. Wir streben eine hohe Genauigkeit an. Als Beispiel, wie wir diese erreichen, denken Sie an den Handscraping Process. Der ist nicht neu, verlangt aber viel Manpower und Sorgfalt.“ (Anm. d. Red.: Handscraping Process: Bearbeiten der Flächen bewegter Teile, um den Gleitvorgang zu optimieren.) Darüber hinaus würden mittlerweile bestimmte Kernkomponenten selber hergestellt, fährt er fort. Zudem würden die Geometrieermittlung während des Zusammenbaus und zusätzliche Messschritte nach dem ersten Test die Qualität der produzierten Maschinen und damit den Erfolg befördern. Fast entschuldigend fügt er hinzu: „Da unser wichtigster Markt in Europa liegt, nutzen wir auch viele europäische Komponenten, das ist der Grund, warum wir teurer sind.“
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