Russland-Sanktionen Nach Coronahilfen jetzt Sanktionshilfen?

Quelle: dpa

Die Bundesregierung plant Hilfen für Unternehmen, die von den westlichen Sanktionen gegen Russland betroffen sind.

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Die Bundesregierung will Unternehmen unterstützen, die besonders hart von den Sanktionen gegen Russland getroffen wurden.
Die Bundesregierung will Unternehmen unterstützen, die besonders hart von den Sanktionen gegen Russland getroffen wurden.
(Bild: ©Zerbor - stock.adobe.com)

Aktuell werde an einem Kredit-Hilfsprogramm gearbeitet, um diejenigen Unternehmen, die von den EU-Sanktionen gegen Russland hart getroffen sind, zu unterstützen, hieß es am Freitag aus dem Bundeswirtschaftsministerium. „Dabei schauen wir uns auch den Beihilferahmen der EU genau an. Denn davon hängen viele Fragen ab“, sagte eine Sprecherin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Unterdessen wächst in der deutschen Wirtschaft die Sorge vor einem möglichen Importstopp von russischem Gas oder Öl. Mehrere Verbände warnten am Freitag vor Belastungen für Unternehmen und Verbraucher, sollte Deutschland ein Energie-Embargo gegen Russland verhängen.

Die Europäische Kommission hatte am Donnerstag vorgeschlagen, dass von den Folgen des Kriegs gegen die Ukraine betroffenen Unternehmen Darlehen mit besonders günstigen Zinsen oder begrenzt Zuschüsse wegen der derzeit stark angestiegenen Gas- und Strompreise gewährt werden können. So sollen die Folgen der Russland-Sanktionen für Unternehmen in der EU abgemildert werden. Die EU-Länder haben die Möglichkeit, zu dem Vorschlag Stellung zu nehmen.

Das Wirtschaftsministerium prüfe nun die Vorschläge der Brüsseler Behörde für einen neuen Krisen-Beihilferahmen. „Zwar ist es so, dass Sanktionen und Folgen von Sanktionen rechtlich nicht entschädigungspflichtig sind, aber natürlich helfen wir dort, wo Unternehmen wegen der Wirkungen der Sanktionen sonst in die Knie gezwungen wären“, sagte die Sprecherin.

Das „Handelsblatt“ hatte berichtet, dass die Bundesregierung an neuen Wirtschaftshilfen arbeite. Nach Informationen der Zeitung erwägt die Bundesregierung unter anderem, einen Russland-Schutzschirm aufzubauen, ähnlich wie er für die Coronakrise eingerichtet wurde. Auch an einem eigenen Schutzschirm für die Energiewirtschaft werde gearbeitet. Final ausgearbeitet seien die Pläne noch nicht, hieß es.

Wirtschaftsverbände warnen vor den Folgen weiterer Sanktionen

Mit Blick auf bereits spürbare Beeinträchtigungen der deutschen Wirtschaft haben Wirtschaftsverbände derweil vor den Folgen weiterer Sanktionen gegen Russland gewarnt – möglich wäre etwa ein Embargo für Öl oder Gas. „In der deutschen Wirtschaft gibt es eine breite Zustimmung für die harten Sanktionen. Denn Krieg ist keine Basis für Geschäfte“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) der "Rheinischen Post" (Freitag).

„Aufgrund konkreter Hinweise aus den Unternehmen wissen wir, dass die Rückwirkungen auf die deutsche Wirtschaft in den kommenden Monaten nicht unterschätzt werden dürfen“, sagte Wansleben. „Das gilt nicht nur für weiter steigende Energiepreise, sondern gerade auch für Verwerfungen in den Lieferketten mit großer Breitenwirkung in der Wirtschaft.“ Immer mehr mittelständische Industriebetriebe könnten sich bei diesen Preisen die Produktion in Deutschland nicht mehr leisten, sagte Wansleben. „Hinzu kommt die Sorge, die eigenen Anlagen wegen Energieengpässen zumindest vorübergehend abschalten zu müssen.“

Auch die Metall- und Elektroindustrie zeigte sich besorgt. „Wenn Deutschland sich dazu entschließen sollte, kein Gas oder Öl aus Russland mehr zu importieren, würde sich das dramatisch auf unsere Industrie, aber auch auf die Privathaushalte auswirken“, sagte der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). „Die Inflation wäre zweistellig. Die Versorgungssicherheit wäre ernsthaft gefährdet.“

Die Chemie-Industrie verwies auf den immensen Verbrauch von Öl und Gas in der Branche. Sollte es wegen eines Energieembargos zu längeren Ausfällen von Anlagen kommen, hätte das massive Folgen für die Wertschöpfungsketten in Deutschland, erklärte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) am Freitag in Frankfurt. Etwa 95 Prozent aller Industrieerzeugnisse benötigten Chemieprodukte, vom Auto über Computerchips und Dämmmaterialien bis hin zu Fernsehern, Arzneien sowie Waschmitteln. „Wer die Energie- und Rohstoffversorgung für die chemische Industrie kurzfristig abschaltet, lähmt auch die gesamte Industrieproduktion am Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup der dpa.

Scholz will weiterhin Energie aus Russland importieren

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt weiter auf Energieimporte aus Russland. In der EU sind die Positionen aber gespalten, wie sich beim Sondergipfel am Donnerstag in Versailles zeigte. Die US-Regierung hat bereits einen Importstopp für russisches Öl verhängt. Befürworter eines Energie-Embargos kritisieren, dass deutsche Energieimporte aus Russland den Ukraine-Krieg letztlich mitfinanzieren. Die Unionsfraktion im Bundestag hatte einen Stopp des Gasbezugs über die Pipeline Nord Stream 1 gefordert.

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums liegt der Anteil russischer Importe an den fossilen Gasimporten nach Deutschland bei rund 55 Prozent, bei Kohle bei rund 50 Prozent und bei Rohöleinfuhren bei rund 35 Prozent. Aktuell ist die Gasversorgung demnach sicher.

„Ohne Zweifel muss Deutschland, muss Europa, seine Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung überwinden“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der dpa. Dabei müsse die Regierung aber auch die Konsequenzen für die Menschen und die Wirtschaft sehen und Folgen abwägen. „Ein kurzfristiger Importstopp von Öl, Kohle und insbesondere von Gas, gefährdet eine sichere Energieversorgung und industrielle Produktionsprozesse." Die Wettbewerbsfähigkeit, teilweise gar die Existenz einzelner Firmen, stehe auf dem Spiel.

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