Vitrimere im Kommen Neuartiges Epoxidharz lässt sich schmelzen und damit recyceln
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An der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) hat man ein Epoxidharz entwickelt, das sich reparieren und recyceln lässt. Auch ist es schwer entflammbar und mechanisch robust.

Epoxidharze sind in der Regel widerstandsfähige und vielseitige Kunststoffe. In Kombination mit Glas- oder Carbonfasern werden daraus Composites (GFK respektive CFK) zur Herstellung von hoch stabilen Leichtbauteilen für Flugzeuge, Autos, Züge, Schiffe und Windkraftanlagen. Solche faserverstärkten Kunststoffe auf Epoxidbasis haben auszeichnete mechanische und thermische Eigenschaften und sind eben viel leichter als Metall, so die Schweizer. Ihre Schwäche ist aber, dass sie bisher nicht recycelbar sind – zumindest noch nicht!
Das sind die Probleme bei üblichen Kunststoffen
Aber nun haben Empa-Forscher um Sabyasachi Gaan vom Empa-Labor „Advanced Fibers“ einen duromeren, also nicht wieder schmelzbaren, Kunststoff auf Epoxidharzbasis entwickelt, der vollständig recycelbar, reparierbar und zudem schwer entflammbar ist. Hinzu komme, dass dabei die günstigen thermomechanischen Eigenschaften von Epoxidharzen beibehalten würden. Ihre Ergebnisse haben sie bereits in der Zeitschrift Chemical Engineering Journal veröffentlicht.
Das Recyceln von Epoxidharzen ist, wie oben schon erwähnt, also alles andere als trivial. Denn diese Kunststoffe zählen zu den sogenannten Duromeren (früher Duroplaste). Bei dieser Art von Kunststoffen sind die Polymerketten engmaschig miteinander vernetzt. Diese chemischen Verbindungen lassen sich durch Aufheizen nicht wieder lösen respektive zum Schmelzen bringen. Ein Duromer bleibt hart, bis es schließlich verbrennen würde, wenn man zu viel „Gas“ gibt. Ähnliches gilt übrigens auch für viele Elastomere, also gummiartige Kunststoffe - man denke an Autoreifen.
Anders verhält es sich bei Thermoplasten, wie beispielsweise PET oder Polyolefine wie PE oder PP, aber auch ABS, PVC und PS, um die bekanntesten zu nennen. Ihre Polymerketten liegen nur eng aneinander und sind verschlugen, sind aber nicht untereinander verbunden. Deshalb lassen sie sich immer wieder schmelzen und wieder verarbeiten. Doch wegen der fehlenden Vernetzung gehen ihre mechanischen Eigenschaften bei erhöhten Temperaturen schnell verloren.
Ein duromerer Thermoplast? Wie geht`n das?! ...
Das besondere Epoxidharz, das die Empa-Forscher in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern entwickelt haben, ist zwar eigentlich ein Duromer, es lässt sicher aber wie ein Thermoplast schmelzen, sagen die Schweizer. Der Schlüssel dazu ist der Zusatz eines besonderen funktionalen Moleküls aus der Klasse der Phosphonsäureester in die Harzmatrix, das eigentlich als Flammschutzmittel gedacht war. Die Bindung, die das Molekül mit den Polymerketten des Epoxidharzes eingeht, ist nun reversibel, lässt sich also unter bestimmten Bedingungen wieder lösen. Dies lockert die Vernetzung der Polymerketten auf, sodass sie sich schmelzen und auch verformen lassen.
Solche Werkstoffe, auch Vitrimere genannt, wie man erfährt, sind erst seit rund 10 Jahren bekannt und gelten als besonders vielversprechend. Denn normale faserverstärkte Kunststoffe sind ja praktisch nicht recycelbar, außer unter extremen Bedingungen, die aber die Fasern beschädigen. Haben sie einmal ausgedient, werden sie verbrannt oder in Deponien entsorgt. Mit dem neuartigen Vitrimer wäre es also erstmals möglich, auch Composites erneut in den Stoffkreislauf zu bringen. Die Herstellung von Carbonfasern benötigt nicht zuletzt sehr viel Energie und verursacht Emissionen. Mit dieser Chance zum Recyceln könnte der Preis sinken und der CO2-Fußabdruck auch noch. Zusätzlich könnten so auch wertvolle Zusatzstoffe wie Phosphor aus der Polymermatrix zurückgewonnen werden.
Kommt die Wende in der Composite-Welt durch Vitrimere?
Faserverstärkte Kunststoffe sind aber nicht die einzige Anwendung für den neuen Kunststoff aus der Klasse der Vitrimere. Beispielsweise könnte er zur Beschichtung von Holzböden eingesetzt werden, als eine transparente, widerstandsfähige Schicht, die gute flammhemmende Eigenschaften aufweist und bei der sich Kratzer und Beschädigungen mit etwas Druck und Hitze wieder „heilen“ lassen.Man habe auch nicht ein einziges Material für einen spezifischen Zweck entwickelt, sondern vielmehr eine Toolbox. Der Flammschutz, die Rezyklierbarkeit und die Reparierbarkeit seien gegeben. Alle weiteren Eigenschaften könne man je nach Verwendungszweck optimieren. So seien Fliesseigenschaften besonders wichtig für die Herstellung von faserverstärkten Kunststoffen, während Holzbeschichtungen im Aussenbereich zusätzlich witterungsfest sein müssen. Um diese und weitere Anwendungen des Materials weiterzuverfolgen, suchen die Forscher nun nach Industriepartnern. Die Chancen für einen kommerziellen Erfolg stehen gut. Denn nebst all den anderen vorteilhaften Eigenschaften sei das modifizierte Kunstharz auch noch günstig und einfach in der Herstellung.
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