VDMA Studie Neue digitale Modelle –B2B-Plattform-Ökonomie
Was kann ein bodenständiger Fabrikant aus dem Maschinenbau von Plattformen wie Apple, Amazon und Co. lernen? Die neue VDMA-Studie beleuchtet verschiedene Plattformmodelle, von denen auch Mittelständler profitieren können.
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Die aktuelle Studie Plattformökonomie im Maschinenbau des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) untersucht erstmals die Strukturen plattformbasierter B2B-Geschäftsmodelle speziell im Maschinen- und Anlagenbau. Im Mittelpunkt standen die Erfahrungen von rund 20 Unternehmen, die im Hinblick auf digitale Plattformen zu den sogenannten First Movern zählen. Darunter befinden sich nicht nur bekannte Konzerne wie Siemens oder Bosch, sondern auch Mittelständler. „Plattformen bieten sich nicht nur für große Akteure an, auch Mittelständler können sich hier positionieren“, erklärt Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer VDMA. „Maschinenbauer bringen mit ihren Kenntnissen und Kundenapplikationen die besten Voraussetzungen mit, um dank der cleveren Kombination von vorhandenen Daten mit Branchen-Know-how und Applikationswissen erfolgreich zu sein. Dieses Domänenwissen schafft Marktdominanz.“ Wie die Plattformstrategie gelingt, erläutert Dr. Michael Zollenkop, Partner bei Roland Berger: „Eine gute Plattformstrategie ist in erster Linie keine Frage der Informationstechnologie, sondern der Geschäftsperspektive.“
Die Berater nahmen dazu verschiedene Plattformmodelle unter die Lupe, die alle – genauso wie in der B2C-Welt – einen gemeinsamen Nenner haben: Für jede erfolgreiche Plattform spreche, dass sie dreifachen Mehrwert biete. So sinken erstens die Transaktionskosten für das Abwickeln von Geschäften aufgrund von standardisierten Schnittstellen. Zweitens kommt es mit einer steigenden Anzahl an Teilnehmern zu einem Netzwerkeffekt, der den Nutzen für jeden Beteiligten steigert. Doch als entscheidenden, dritten Mehrwert nannte Zollenkop die Möglichkeit, neue digital- und plattformbasierte Services zu offerieren, die für Anbieter als Basis für völlig neue Geschäftsmodelle dienen können und für Nachfrager ganz spezifischen, neuen Kundennutzen entstehen lassen. Beispielsweise in Form konkreter Anwendungsfälle wie Prozess- oder Anlagenoptimierung in der Produktion.
Ebenen von IIoT-Plattformen
Industrial-Internet-of-Things-(IIoT-)Plattformen können auf fünf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein: Oben stehen die Infrastruktur- und Plattformanbieter (Ebene 1 und 2) und in der Mitte App- und Softwareentwickler (Ebene 3). Die Plattformen nutzen unter anderem Maschinenbau-OEMs (Ebene 4: zum Beispiel Trumpf, Kuka, Bosch Rexroth) und deren Endkunden als Fabrikbetreiber (Ebene 5: beispielsweise BASF, Daimler, Henkel). Die Bandbreite der Anwendungen reicht von Produktion, Supply-Chain-Management oder Instandhaltung bis hin zur Vertriebsanalytik und zum Service. „Es gilt für Maschinenbauer mit Blick auf die enorm hohe Anzahl an möglichen Anwendungsfeldern, die wirklich relevanten zu selektieren, die einen messbaren Mehrwert aus Kundensicht und damit Geschäftspotenzial liefern“, sagt Martin Lüers, Manager bei Roland Berger. Dazu zählen unter anderem Anwendungen, mit denen sich die Verfügbarkeit und damit die Auslastung von Maschinen und somit die Kennziffer OEE erhöhen lässt. Auch der klassische Mittelstand setzt bereits auf Plattformökonomie: Die Kampf Schneid- und Wickeltechnik GmbH & Co. aus Wiehl hat für eigene Maschinen, Komponenten und Anlagen von Partnern eine Plattform gegründet, um mit ihr die vorausschauende Wartung, die sogenannte Predictive Maintenance, zu verwirklichen. Hinzu kommt für Kunden die Möglichkeit, digitale Lebensläufe der Maschinen mit Nutzungs- und Leistungsprofilen aufzurufen.
Acht Schritte zur Plattform
Infrage kommen Plattformen sowohl für zusätzliche digitale Services für eigene Produkte im Rahmen des bestehenden Geschäftsmodells oder aber auch zur Unterstützung eines neuen digitalen Geschäftsmodells. Bei der Realisierung empfiehlt die Studie acht Schritte:
- Plattformthema auf die CEO-Agenda setzen;
- strategische Ziele festlegen;
- relevante Anwendungsfälle definieren;
- realistische Bestandsaufnahme durchführen;
- Unternehmensumfeld beobachten;
- Optionen und Szenarien entwickeln;
- Kundenschnittstelle nicht aus der Hand geben;
- passende Kooperationspartner auswählen.
Trotz der unbestrittenen Vorteile haben gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Bedenken. „Viele Unternehmer scheuen davor zurück, ihr Geschäftsmodell in Richtung digitaler Services zu erweitern“, gibt Zollenkop zu bedenken. „Es ist auch oft nicht klar, welchen Mehrwert die digitalen Services bieten, welche Kosten entstehen und welchen Preis die Anbieter dafür verlangen können.“ Außerdem würden diese neuen, digitalen Geschäftsmodelle neue Fachexpertise und neue Mitarbeiter erfordern. Verschärfend käme die Qual der Plattformwahl hinzu. Der Einsteiger müsse nicht nur die für ihn passende Plattform finden, sondern wegen der anstehenden Konsolidierung auf dem Markt auch beurteilen, ob sie überlebensfähig ist.
Zollenkop: „Für viele kleinere Unternehmen kann es sinnvoll sein, sich einer bestehenden Plattform anzuschließen oder Kooperationen einzugehen, statt auf eine eigene Lösung zu setzen.“
* Nikolaus Fecht ist freier Fachjournalist. Weitere Informationen: Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer VDMA, Tel. (0 69) 03-13 31, hartmut.rauen@vdma.org
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