Zerspanwerkzeuge Polieren passt Hartmetallflächen der Anwendung an
Leistungstests mit Hartmetallbohrern zeigen, dass sich das Polieren geschliffener Spannuten lohnt. Sie sind jedoch auch ein Beispiel dafür, dass sich dieser Effekt bei geschliffenen Hartmetalloberflächen nur bei Anpassung des Polierprozesses an die jeweilige Produktanwendung erreichen lässt.
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Hartmetalle haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von Anwendungen erschlossen, unter anderem im Motoren- und Getriebebau der Automobilindustrie, bei Elektromotoren, im allgemeinen Maschinenbau und vor allem im Formen- und Werkzeugbau, beispielsweise bei Schneidwerkzeugen [1].
Die positiven Eigenschaften von Hartmetall im Vergleich zu anderen, dort konkurrierenden Werkstoffgruppen liegen auf der Hand: Hartmetall lässt sich oftmals besser und wirtschaftlicher bearbeiten als keramische Werkstoffe [2]. Außerdem kann diese metallische Werkstoffgruppe mit einer Reihe von allgemeinen Anwendungsvorteilen punkten wie hoher Härte, hoher Bruchzähigkeit und hoher Wärmeleitfähigkeit. Aufgrund dieser Eigenschaften sind Hartmetalle im besonderen Maße zur Herstellung von Form- und Schneidwerkzeugen prädestiniert.
Weniger Oberflächenrauheit reduziert Reibung und Verschleiß
Vermehrt kommt es bei diesen Werkzeugen jedoch nicht nur auf die Form- und Maßtoleranzen an, sondern auch auf die Oberflächenbeschaffenheit für den jeweiligen Anwendungsfall. Die Verringerung der Oberflächenrauheit von Hartmetallerzeugnissen ist bereits in mehreren Anwendungsbereichen eine wichtige Maßnahme zur Verminderung des Reibkoeffizienten sowie des abrasiven Verschleißes. Als häufigste Anwendung polierter Hartmetallwerkzeuge sind Formwerkzeuge zur Herstellung optischer Bauteile zu nennen.
Ferner wurde schon die Herstellung polierter strukturierter Formeinsätze aus Hartmetall untersucht: Durch Verwendung von Polierscheiben mit feinsten, sehr dicht gepackten, metallisch gebundenen Diamantkörnern lässt sich eine mittlere Rauheit Ra von maximal 40 nm erzeugen. Aufgrund der Einbettung von Diamantpartikeln mit 3 µm Durchmesser (dk) kann eine signifikante Verbesserung der Oberflächengüte erreicht werden – verglichen mit dem Ausgangszustand nach dem Schleifen [3].
Hartmetalle punkten in der Medizintechnik mit niedrigem Reibwert
Ein weiterer Anwendungsbereich polierter Hartmetallprodukte ist die Medizintechnik. Dort werden aus Hartmetallen vor allem künstliche Gelenke hergestellt. Dabei kommt dem niedrigen Reibwert und der hohen Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß eine besondere Rolle zu. Gleiches gilt auch für Zerspanwerkzeuge: Um Bohrer mit tribologisch hochbeanspruchbaren Flächen herzustellen, kommen Polierverfahren zur Anwendung, weil der Spänetransport ein limitierender Faktor zur Erzielung großer Bohrtiefen ist.
Mit zunehmender Bohrtiefe wird der benötigte Weg für die Späne länger. Infolgedessen steigt die Werkzeugbelastung durch Spanreibung. Eine Verminderung des Reibwerts zwischen Span und Spannut verspricht daher einen besseren Spantransport aus der Bohrung und somit höhere Bohrtiefen bei gleichbleibendem Bohrungsdurchmesser sowie eine erhöhte Sicherheit gegen Werkzeugbruch durch Spanklemmer.
Herstellung von Hartmetall-Bohrwerkzeugen im Labormaßstab nachgebildet
Am Institut für spanende Fertigung der TU Dortmund wurden das Polieren von Hartmetallflachproben und der Einsatz von wendelgenuteten Vollhartmetall-Bohrwerkzeugen mit großem L/D-Verhältnis und polierten Spannuten untersucht. Für die Schleif- und Polierversuche wurden Rohlinge aus einem für die Herstellung von Schaftwerkzeugen üblichen Hartmetall (K30F) bearbeitet: zunächst mit einer hybrid gebundenen Schleifscheibe im Plan-Umfangs-Längsschleifverfahren, bevor die so erzeugten Oberflächen mit einer elastisch gebundenen Diamantscheibe poliert wurden.
So war es möglich, die Vorgehensweise bei der Herstellung von Bohrwerkzeugen am Institut nachzubilden. In der Praxis werden auch im ersten Schritt die Spannuten in einem Tiefschleifprozess erzeugt, bevor abschließend das Polieren der Nuten durch Schleifscheiben mit feinsten Korngrößen in einer elastischen Bindung erfolgt.
Nachgelagertes Polieren verbessert Oberflächengüte deutlich
Beim Poliervorgang wurden die Prozessparameter variiert und so die Zusammenhänge zwischen den erzeugten Probenoberflächen und den gewählten Polierparametern analysiert. Ausgehend von einer geschliffenen Oberfläche zeigt Bild 1 (siehe Bildergalerie) die Beschaffenheit der mit unterschiedlichen Prozessparametern polierten Oberflächen.
Nach dem Poliervorgang sind die Oberflächenrauheiten sehr niedrig, daher wurden die Flachproben optisch mithilfe eines Weißlichtmikroskops analysiert, um ein möglichst genaues grafisch aufbereitetes Abbild der polierten Oberflächen zu erhalten. Allen polierten Proben ist zunächst gemein, dass sich die Oberflächengüte durch den nachgelagerten Poliervorgang deutlich verbessert hat.
Angepasste Polierparameter können Polierzeit verkürzen
Weiterhin kann festgestellt werden, dass die Variation der Polierparameter einen Einfluss auf die erreichte Oberflächenqualität und damit auf die erzeugte Rauheit hat. Mit angepassten Prozessparametern lässt sich bei der Bearbeitung von Schaftwerkzeugen in der Praxis beispielsweise die Polierzeit verkürzen.
Die erhebliche Verbesserung des Einsatzverhaltens von Tiefbohrern mit polierten Spannuten hat sich in weiterführenden Versuchen bestätigt. Bild 2 zeigt die Ergebnisse dieser Untersuchungen, für die Bohrwerkzeuge mit 5 mm Durchmesser und einem L/D-Verhältnis von 20 verwendet wurden. Als Referenz diente ein unpoliertes Bohrwerkzeug, das lediglich geschliffen wurde. Für den Vergleich kam ein Werkzeug mit identischer Geometrie, aber mit einem dem Schleifen nachgeschalteten Polierprozess zum Einsatz.
Polieren der Spannut verbessert Prozessstabilität beim Bohren
Die Ergebnisse zeigen, dass durch das Polieren der Spannut die Prozessstabilität verbessert wird. Dies ist deutlich an den Bohrmomenten und Vorschubkräften zu erkennen. Der Momenten- und Kraftverlauf ist während des Bohrprozesses gleichmäßiger. Das lässt darauf schließen, dass die Späne kontinuierlicher entlang der Nuten aus der Bohrung transportiert werden.
Verglichen damit kam es beim unpolierten Werkzeug schon nach wenigen Bohrungen zum Werkzeugbruch. Zu diesem Zeitpunkt hatte hingegen das polierte Werkzeug noch keinen signifikanten Verschleiß. So konnte in Versuchen mit Hartmetallbohrwerkzeugen das Potenzial einer Spannutpolitur herausgestellt werden.
Die vorgestellten Ergebnisse zum Polieren von Hartmetalloberflächen und des Leistungstests polierter Bohrwerkzeuge zeigen die Vorteile geschliffener Hartmetalloberflächen, sofern deren Oberflächentopografien der jeweiligen Anwendung angepasst werden. Der Nutzen, der sich durch den Einsatz feinkörniger Schleifscheiben mit weichen Bindungssystemen ergibt, ist auch in einer lokal angepassten Oberflächenbearbeitung zu sehen. Zusätzlich lässt sich der Schleif- und Polierprozess in einer Werkstückeinspannung und somit zeit- und kosteneffektiv sowie ohne Umspannfehler realisieren.
Literatur
[1] Kolaska, H.: Neue Produkte – Neue Märkte. Pulvermetallurgie in Wissenschaft und Praxis. Band 16, VDI-Gesellschaft Werkstofftechnik, Düsseldorf, 2000.
[2] Bach, F.-W., I. Kutlu, K. Möhwald, T. A. Deißer, K. Weinert und C. Peters: Hochleistungswerkzeuge aus Keramik-Metall-Werkstoffverbunden. Hart- und Hochtemperaturlöten und Diffusionsschweißen, DVS-Berichte Band 231, DVS-Verlag GmbH Düsseldorf, 2004, S. 300–303.
[3] Klocke, F., E. Brinksmeier und O. Riemer: Manufacturing structured tool inserts for precision glass moulding with a combination of diamond grinding and abrasive polishing, Industrial Diamond Review – IDR, 67 (2007), S. 65–69.
* Prof. Dr.-Ing. Dirk Biermann ist Leiter des Instituts für spanende Fertigung (ISF) der TU Dortmund, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Tobias Heymann und Dipl.-Ing. Christian Rautert sind wissenschaftliche Mitarbeiter am ISF
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