Roboterbearbeitung Roboter ziehen das Tempo der Rohrbearbeitung an

Autor / Redakteur: Marc Kluge / Mag. Victoria Sonnenberg

Zwei Roboter für die zentrale Metallrohrverarbeitung sorgen beim Marktführer von Hilfsmitteln für Gehbehinderte nicht nur für eine schnellere Bearbeitung, sondern zudem für eine höhere Flexibilität und Stabilität in der Produktion von Gehhilfen.

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Der Kawasaki-Roboter RS020N ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt der automatisierten Produktion.
Der Kawasaki-Roboter RS020N ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt der automatisierten Produktion.
(Bild: Kawasaki Robotics)

Die Ossenberg GmbH aus dem westfälischen Rheine ist ein echter Hidden Champion der Mobilitätsbranche mit mehr als 60 Jahren Tradition: Als Marktführer von Hilfsmitteln für Gehbehinderte entwickelt, produziert und vertreibt Ossenberg Unterarmgehhilfen, Leichtmetallstöcke und orthopädische Hilfsmittel für den weltweiten Fachhandel. In den vergangenen zehn Jahren konnte das Unternehmen zweistellige Wachstumsraten verzeichnen. Aus dem 2007 aus zehn Mitarbeitern bestehenden Betrieb ist ein weltweit agierendes Unternehmen geworden: Die Geschäftsführer Carsten Diekmann und Frank Wieditz leiten inzwischen ein Team von fast 100 Mitarbeitern in Rheine. Die moderne Produktion mit Kunststoff- und Metallverarbeitung sowie Versand, Lagerhaltung und Logistik wird vollständig vor Ort abgewickelt.

Ossenberg implementiert bereits seit Jahren Kernpunkte der Industrie 4.0: Das Unternehmen produziert Artikel ausschließlich auftragsbasiert und verzichtet zugunsten einer schnellen, bedarfsorientierten Produktion vollständig auf eine aufwendige Lagerhaltung. Entsprechend sind eine hohe Geschwindigkeit, kurze Durchlaufzeiten und eine zeitnahe Lieferung entscheidende Faktoren: So vergehen durchschnittlich nur acht Minuten von der Annahme eines Auftrags bis zum Start der Produktion – weniger als 36 Stunden nach Auftragseingang ist der fertige Auftrag schließlich beim Kunden und das ab einer Losgröße von eins. Die Fertigungstiefe der benötigten Komponenten liegt bei 95 % – nur 5 % werden von Zulieferern produziert.

In den meisten produzierenden Branchen wird in den letzten Jahren eine flexible Produktion im Rahmen der Industrie 4.0 als zukunftsweisender Erfolgsfaktor diskutiert – bei Ossenberg ist diese bereits seit mehr als fünf Jahren zentraler Standard: Losgrößen von einem Stück bis hin zur Serienproduktion lassen sich so gleichermaßen unkompliziert und schnell abwickeln, insbesondere seit der Einbindung von Kawasaki-Robotern.

Roboter sind für die zentrale Metallrohrverarbeitung zuständig

Um dem starken Unternehmenswachstum und der steigenden Auftragslage gerecht zu werden, entschloss sich die Ossenberg-Geschäftsführung 2016 für die Einführung zweier Roboter für die zentrale Metallrohrverarbeitung. Neben einer höheren Flexibilität bei der Produktion und der leichten Verarbeitung mehrerer Rohrlängen stand bei der Suche höchste Genauigkeit im Vordergrund. So sollten die Löcher zur Höhenverstellung in die Rohre gefräst statt wie bisher gebohrt und gestanzt werden, gleichzeitig sollte die Anzahl der Löcher schnell und unkompliziert anpassbar sein. Die regulären Ossenberg-Gehhilfen sind in circa 850 Varianten verfügbar: von verschiedenen Farben über unterschiedliche Materialien bis hin zu einstellbaren Größen und Belastungsgraden. Diese enorme Produktvarianz bedingt ein hohes Maß an Flexibilität.

Beim Besuch eines Automobilzulieferers konnte sich Carsten Diekmann von der Effizienz und dem unkomplizierten sowie störungsfreien Betrieb von Robotern aus dem Hause Kawasaki überzeugen. „Kawasaki Robotics genießt einen sehr guten Ruf und viele Betriebe schätzen neben der modernen Technologie die Flexibilität, die örtliche Nähe und den besonderen Fokus auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen. Wo andere Hersteller uns wenig entgegenkamen, hat uns das Kawasaki-Team umfassend beraten und erfolgreiche Vorversuche durchgeführt“, berichtet Diekmann.

Durch die interne Kabelführung lassen sich die Roboter einfach und sauber integrieren

Das schlanke Design und die interne Kabelführung der Kawasaki-Roboter überzeugten Ossenberg ebenfalls: Denn der Anspruch an Sauberkeit und eine aufgeräumte Optik in Produktionsanlagen steigt seit Jahren, wie auch General Manager Carsten Stumpf von Kawasaki Robotics bestätigt: „Produktionsanlagen mit versteckten Kabeln und ansprechendem Finish sind ein wichtiges Aushängeschild. Sie sprechen in den Augen vieler Kunden direkt für die Qualität der Produkte. Um diesen wichtigen Anspruch optimal zu erfüllen, lassen sich unsere Roboter besonders einfach und sauber integrieren.“

Auch in Sachen Präzision mussten die Kawasaki-Roboter bei Ossenberg höchste Anforderungen erfüllen – eine Wiederholgenauigkeit in der Positionierung von 0,1 mm bei einer Genauigkeit der Bohrung von 0,05 mm ist für die Rohrbearbeitung unerlässlich. Im Vergleich: Beim automatisierten Vernieten von Flugzeugteilen reicht eine Genauigkeit von 0,3 mm aus. Zudem sollten die Rohre gleichzeitig von innen und außen entgratet werden. „Durch das Arbeiten im idealen Arbeitsbereich des Roboters erreichen wir Genauigkeitswerte weit unterhalb der Katalogwerte“, erklärt Key Account Manager Andreas Bettenbrock, der das Projekt seitens Kawasaki Robotics begleitet hat.

Roboteranlage bearbeitet sechs Rohre in nur 50 Sekunden

Dietmar Fark, Geschäftsführer des zur Ossenberg-Gruppe gehörenden Sonderanlagenbauers Rheima, arbeitete bei der Umsetzung eng mit den Kawasaki-Technikern zusammen, um einen perfekt abgestimmten Einsatz der Roboter zu garantieren. So konnte die Anlage im November 2016 in Betrieb gehen und Produktionsvolumen sowie Effizienz maßgeblich erhöhen: Während die Bearbeitung eines Rohres bis zu 5,5 min in Anspruch nahm, werden nun sechs Rohre in 50 s bearbeitet.

„Die Automatisierung durch die Kawasaki-Roboter hat unseren Output exponentiell erhöht. Und es gibt noch Raum nach oben: Durch gezielte Prozessoptimierungen planen wir, die für sechs Rohre nötige Zeit sogar auf 45 s zu senken“, so Fark.

Ein zentral positionierter Kawasaki-Roboter RS020N verbindet sämtliche Prozesse der Rohrbearbeitung innerhalb einer circa 6 m × 9 m großen – durch Dietmar Fark entwickelten – Zelle: Nachdem die über einen externen Schacht zugeführten Rohre in Rohform auf die passende Länge geschnitten und entgratet wurden, wird die Schweißnaht für eine präzise Ausrichtung auf die richtige Seite gedreht. Daraufhin werden die Rohre vom Roboter einer Fixierung zugeführt – dort fräst ein weiterer, mit Fräswerkzeugen ausgestatteter RS050N-Roboter beidseitig die genau positionierten Löcher zur Höhenverstellung in die Rohre.

Die gesamte Rohrbearbeitungsanlage ist modular aufgebaut: Dies ermöglicht eine genaue Zu- und Abwahl von Fertigungseinheiten über das zentrale Bedienfeld der Anlagensteuerung. So wird eine unkomplizierte, produktspezifische Herstellung der Rohre gewährleistet. Im finalen Prozessschritt können etwa die Druckknöpfe mit Feder für die Höhenverstellung der Gehhilfen automatisiert montiert werden. Je nach Produktanforderung können zum Beispiel auch entsprechende Biegewinkel im Bauteil-Außenrohr realisiert werden. So ist eine hochflexible und wirtschaftliche Fertigung unterschiedlichster Komponenten zur Herstellung von Gehhilfen in vielen Varianten und Formen möglich.

Erhöhte Produktionsstabilität durch den Einsatz von Robotern

Ossenberg konnte in kürzester Zeit sein produziertes Gesamtvolumen auf 1 Mio. Artikel jährlich erhöhen. Heute werden im Rahmen eines Dreischichtenbetriebs mehr als 10.000 Stützen – gegenüber 100 vor zehn Jahren – und 3000 bis 4000 Handteile pro Tag produziert. Ein wesentlicher Vorteil des Einsatzes von Kawasaki-Robotern in der Automatisierung: Die Produktionsstabilität wird maßgeblich erhöht und bietet so auch für die Mitarbeiter am Standort Rheine langfristig eine hohe Arbeitsplatzsicherheit.

In den nächsten Jahren stehen der Ausbau des Standorts Rheine sowie die sukzessive Erweiterung des Produktionsvolumens weit oben auf Carsten Diekmanns Agenda. Derzeit sind die letzten Planungen eines neuen Logistikzentrums so gut wie abgeschlossen, welches künftig eine klare räumliche Trennung von Lager und Produktion ermöglicht. Während Ossenberg derzeit das Kundenmaximum der aktuellen Produktionskapazitäten erreicht hat, sollen diese zeitnah von 10.000 auf bis zu 20.000 Artikel pro Tag gesteigert werden.

Auch die internationale Nachfrage steigt deutlich: Ossenberg vertreibt rund 70 % seiner Produktion in Deutschland sowie circa 30 % international – Tendenz stark steigend. Neben dem europäischen Ausland und China steht beim Wachstumskurs unter anderem auch der US-amerikanische Markt im Fokus. Die Innovationskraft der Gehhilfenbranche ist dabei nicht zu unterschätzen: So ist Ossenberg in die Entwicklung von Robotikgehhilfen und unterstützenden Anzügen involviert. Mit dem „Smartstick“ hat das Unternehmen zudem einen vernetzten, GPS-gestützten Gehstock entwickelt, der samt Sendeeinheit und Notrufknopf insbesondere demenzkranken Senioren mehr Sicherheit im Alltag bietet. Carsten Diekmann ist überzeugt: „Mit unserem neuen Logistikzentrum, zunehmender Automatisierung und der zentralen Rolle der Kawasaki-Roboter sind wir in der Lage, unsere Produktion schnell und dynamisch an die globale Nachfrage, wachsende Auftragsgrößen und kontinuierliche Innovationen anzupassen.“ MM

* Marc Kluge arbeitet im Marketing der Kawasaki Robotics GmbH in 41468 Neuss, Tel. (0 21 31) 3 42 62 45, marketing@kawasakirobot.de

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