Sauberkeitskontrolle Sauber genug für den nächsten Prozess

Autor / Redakteur: Doris Schulz / Stéphane Itasse

Spezifikationen zur technischen Sauberkeit finden sich inzwischen in vielen Branchen ebenso selbstverständlich auf Konstruktionszeichnungen wie Angaben zu Bauteilabmessungen. Dabei rücken neben partikulären Verunreinigungen immer häufiger filmische Rückstände in den Fokus.

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Bei diesem mobilen Messgerät werden mit einem Klick zwei Testflüssigkeiten vollautomatisch parallel dosiert und alle Kontaktwinkel gleichzeitig analysiert. Dies ermöglicht fundierte Aussagen über die Benetzbarkeit durch wässrige oder organische Flüssigkeiten.
Bei diesem mobilen Messgerät werden mit einem Klick zwei Testflüssigkeiten vollautomatisch parallel dosiert und alle Kontaktwinkel gleichzeitig analysiert. Dies ermöglicht fundierte Aussagen über die Benetzbarkeit durch wässrige oder organische Flüssigkeiten.
(Bild: Krüss)

Die Sauberkeit von Bauteiloberflächen zählt heute in nahezu allen Branchen zu den wichtigen Qualitätsmerkmalen. Dabei standen in den vergangenen Jahren vor allem partikuläre Verunreinigungen im Mittelpunkt. Inzwischen werden jedoch auch chemisch-filmische Verschmutzungen zunehmend als qualitätsbeeinflussend wahrgenommen, beispielsweise Öle, Fette, Kühlschmierstoffe, Rückstände von Korrosionsschutzmitteln und Konservierungsstoffen, Trennmitteln sowie von weiteren Fertigungshilfsstoffen.

Filmische Verunreinigungen können nachfolgende Prozesse stören

Denn sie können für nachfolgende Fertigungsschritte wie Kleben, Schweißen, Härten, Beschichten, Lackieren, Bedrucken und Montage sowie für die Funktion der Bauteile störend sein. Flecken, Fingerabdrücke, Reste von Reinigungs- und Spülmedien sowie je nach Branche biologische und ionische Kontaminationen können Folgeprozesse ebenfalls beeinträchtigen.

Daraus resultiert, dass Teilehersteller und Betreiber von Reinigungssystemen immer häufiger mit der Sauberkeitsanforderung „öl- und fettfrei“ konfrontiert werden. Diese Vorgabe beschreibt allerdings keine quantifizierbare Sauberkeitsspezifikation. Zugegebenermaßen gestaltet sich die Definition von Grenzwerten bei filmischen Verunreinigungen deutlich schwieriger als bei Partikeln. Grund dafür ist nicht zuletzt, dass es in diesem Bereich für viele Fragestellungen noch keine geeigneten Messverfahren gibt. Industrie, Verbände und Forschungseinrichtungen arbeiten an entsprechender Messtechnik sowie an Handlungsempfehlungen und Regelwerken. Dazu zählt die Richtlinie „Filmische Verunreinigungen beherrschen“, die vom Fachverband industrielle Teilereinigung (FIT), basierend auf dem verfügbaren Stand der Technik, erarbeitet wurde und auf der Parts2clean 2018 vorgestellt wird.

Verfahren zum Nachweis filmischer Verunreinigungen

Um filmische Verunreinigungen auf Bauteiloberflächen nachzuweisen, stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Mit den einzelnen Methoden lassen sich üblicherweise bestimmte Substanzen beziehungsweise Bestandteile filmischer Verunreinigungen aufspüren. Je nach Aufgabenstellung kann es daher sinnvoll sein, mehrere Verfahren anzuwenden.

Die Sichtprüfung, die visuell sowie gegebenenfalls unterstützt durch UV- oder Weißlicht erfolgt, zählt zu den einfachsten Nachweismethoden. Filmische Verunreinigungen lassen sich damit meist nur in „schweren“ Fällen nachweisen.

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Auf der materialspezifischen Oberflächenenergie, gemessen in Millinewton pro Meter (mN/m), basiert der Einsatz von Testtinten. Damit lässt sich bestimmen, ob die Oberfläche durch eine Flüssigkeit benetzbar ist oder abperlt. Im letzteren Fall ist von einer nicht ausreichenden Reinigung auszugehen. Zur einfachen und schnellen Überprüfung der Oberflächenenergie stehen Testtinten – Flüssigkeiten mit definierten Oberflächenspannungen (von 18,4 bis 105 mN/m) – und Teststifte zur Verfügung. Es empfiehlt sich, die Testtinten jeweils mit einem unbenutzten, sauberen Wattestäbchen aufzutragen und dieses nicht erneut in die Tinte zu tauchen. Dadurch lassen sich Verunreinigungen der Tinte und damit eine Verfälschung des Ergebnisses vermeiden.

Auch Kontaktwinkelmessung prüft Benetzbarkeit der Bauteiloberfläche

Um die Benetzbarkeit der Bauteiloberfläche geht es auch bei der Kontaktwinkelmessung. Der Kontaktwinkel, auch Grenz- oder Benetzungswinkel, bezeichnet dabei den Winkel, den ein Flüssigkeitstropfen an der Oberfläche eines Feststoffes bildet. Je kleiner der Kontaktwinkel ist, desto besser lässt sich die Bauteiloberfläche von der Flüssigkeit benetzen. Bei einer Kontaktwinkelmessung wird mittels eines Dosiersystems ein Tropfen einer Testflüssigkeit auf die Bauteiloberfläche aufgebracht. Die Kontur des Tropfens wird mit einer Kamera aufgenommen und das Videobild ausgewertet. Inzwischen stehen für die Messung auch mobile Geräte zur Verfügung, die zum Teil zwei Testflüssigkeiten – eine polare und eine unpolare – gleichzeitig einsetzen. Mit nur einem Klick werden beide Flüssigkeiten vollautomatisch parallel dosiert und alle Kontaktwinkel gleichzeitig analysiert. Das Ergebnis der Messung erlaubt fundierte Aussagen über die Benetzbarkeit durch wässrige oder organische Flüssigkeiten, zum Beispiel für Beschichtungen.

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Sauberkeitskontrolle auf der Parts2clean

Welche Verfahren und Systeme ermöglichen eine zuverlässige und wirtschaftliche Kontrolle der technischen Sauberkeit? Wie lassen sich filmische Verunreinigungen zuverlässig detektieren? Mit welchen Verfahren können partikuläre Restkontaminationen aufgespürt werden? Welche Verfahren zur Inline-Sauberkeitskontrolle gibt es? Antworten auf diese und viele weitere Fragen rund um die Teilereinigung und Sauberkeitskontrolle bietet die Parts2clean vom 23. bis 25. Oktober 2018 in Stuttgart. Von den nach derzeitigem Stand über 270 Ausstellern bieten 40 Unternehmen Produkte und Dienstleistungen rund um die Qualitätssicherung bei der Teilereinigung an. Dabei sind sowohl spezialisierte Anbieter als auch Maschinenbauer, die Geräte zur Sauberkeitskontrolle mit im Portfolio haben.

Bei der Aerosol-Benetzungsprüfung erzeugt ein Ultraschallzerstäuber ein definiertes Wasseraerosol. Es bildet abhängig von der Oberflächenenergie der zu prüfenden Oberfläche ein spezifisches Tropfenmuster. Die Tropfen werden automatisch von einem Kamerasystem aufgenommen und mithilfe einer Bildverarbeitungssoftware dargestellt. Anhand der Tropfengrößenverteilung kann die Benetzungsfähigkeit der Oberfläche charakterisiert werden. Das Verfahren ist sowohl im industriellen Umfeld als auch für Laboruntersuchungen einsetzbar.

Die Fluoreszenzmessung basiert auf der Eigenschaft organischer Substanzen wie Öle, Fette und Wachse, bei Anregung mit UV-Licht zu fluoreszieren. Nicht-fluoreszierende Stoffe wie Silikonöle können durch die Beimischung von fluoreszierenden Farbstoffen als Fluoreszenzmarker detektierbar gemacht werden. Für die Anregung kommen bevorzugt definierte, geregelte und möglichst überwachte UV-Lichtquellen zum Einsatz. Die Fluoreszenzintensität wird durch einen Photodetektor erfasst. UV-Reflexionsanteile werden durch Spektralfilter entfernt. Für diese bewährte und schnelle Methode zum berührungslosen Nachweis organischer Substanzen auf Metalloberflächen stehen Handmessgeräte zur Verfügung, die fertigungsnah und flexibel eingesetzt werden können. Darüber hinaus ermöglichen Inline-Messsysteme eine fertigungsintegrierte 100%-Kontrolle. Die Fluoreszenzintensität wird meist in relativen, normierten Einheiten, beispielsweise RFU (Relative Fluorescence Unit) ausgegeben. Je höher die Fluoreszenzintensität, desto mehr Restschmutz befindet sich auf dem Teil.

VDA 19 – Standardwerk für partikuläre Sauberkeit

Die bisher beschriebenen Verfahren ermöglichen eine qualitative oder semiquantitative (vergleichende) Bewertung des Sauberkeitszustandes. Außerdem können sie keinen Hinweis zur Ursache beziehungsweise Herkunft der Verunreinigungen liefern. Dagegen lassen sich mithilfe der vakuuminduzierten Desorption chemisch-filmische Verunreinigungen nicht nur auf der gesamten Produktoberfläche nachweisen, sondern die Verunreinigungen auch eindeutig identifizieren und ihren Ursachen zuordnen. Das Messgerät liefert quantitative Messwerte in Gramm pro Oberfläche oder pro Bauteil und ermöglicht damit die Festlegung zweckmäßiger Prüfwerte. Sowohl einzelne Bauteile als auch Baugruppen können zerstörungsfrei und vollautomatisch in der Prozesskette geprüft werden.

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Geht es um partikuläre Verunreinigungen, haben sich die VDA 19, Teil 1 (Prüfung der Technischen Sauberkeit – Partikelverunreinigung funktionsrelevanter Automobilteile) und Teil 2 (Technische Sauberkeit in der Montage – Umgebung, Logistik, Personal und Montageeinrichtungen) als Standardwerke etabliert und das weit über die Automobilindustrie hinaus. Das internationale Pendant von Teil 1, die ISO 16232, wurde inzwischen ebenfalls an die seit 2015 erhältliche Ausgabe der überarbeiteten VDA 19 angepasst.

Automatisierte Inlinekontrolle der partikulären Sauberkeit inzwischen realisierbar

Bei der fertigungsnahen beziehungsweise -integrierten Partikelgrößenanalyse liegt der Fokus inzwischen auf Geräten, die eine produktionsintegrierte beziehungsweise produktionsnahe Kontrolle der partikulären Sauberkeit erlauben. Für die automatisierte Inlinekontrolle der partikulären Sauberkeit steht mittlerweile ein Messsystem zur Verfügung, das über eine Schnittstelle komplett in die Reinigungsanlage beziehungsweise einen Funktionsprüfstand integriert werden kann. Es arbeitet analog zur Sauberkeitsanalytik im Labor mit Filtration und lichtoptischer Auswertung. Für die Auswertung wird das Medium direkt nach dem letzten Reinigungs- oder Spülschritt automatisch in die Messzelle geleitet. Hier erfolgt die Extraktion der im Medium enthaltenen Partikel auf einen Analysefilter, der anschließend mittels Bildverarbeitung ausgewertet wird. Dies beinhaltet eine automatische Partikelklassifizierung (Größe mit Zuordnung zur jeweiligen Partikelgrößenklasse nach VDA 19.1 und metallischer Glanz). Das Ergebnis steht innerhalb von 30 s zur Verfügung, sodass bei einem N.i.O-Befund sofort Maßnahmen ergriffen werden können. Alle Messergebnisse (Messwerte und Ergebnisbild) werden gespeichert.

Eine fertigungsnahe Extraktion und Auswertung ermöglicht die Entwicklung eines „Partikel-Staubsaugers“. Dabei handelt es sich um einen mit einer Membranaufnahme modifizierten Staubsauger. Es lassen sich damit Partikel aus Innenräumen von Bauteilen absaugen und direkt auf ein auswertbares Filter ablegen. Das so entstandene Präparat kann mit einem Partikelscanner schnell ausgewertet werden.

* Doris Schulz ist freie Fachjournalistin in 70825 Korntal

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