Auslandsmärkte Saudi-Arabien wird vom Ölstaat zur Hightech-Nation

Wer braucht in 40 Jahren noch Erdöl? Diese Frage treibt Saudi-Arabiens Regierung um. Sie sorgt deshalb für einen massiven Wandel im Land, der auch neue Geschäftsmöglichkeiten bringt.

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In Riad kommt es zurzeit zu umfangreichen Bautätigkeiten. Saudi-Arabien will sich entwickeln und investiert deswegen kräftig.
In Riad kommt es zurzeit zu umfangreichen Bautätigkeiten. Saudi-Arabien will sich entwickeln und investiert deswegen kräftig.
(Bild: Hannah Riehle)

Der Rahmen für Geschäfte mit dem Königreich Saudi-Arabien ist sicher komplexer als in anderen Ländern der arabischen Welt. Der Islam hat einen erheblichen Einfluss auf das Leben, in der absoluten Monarchie Saudi-Arabien ist das noch ausgeprägter. Das führt zu einer bedenklichen Situation bei den Menschenrechten.

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Es gibt aber auch Zeichen der Hoffnung, denn der faktisch regierende Kronprinz Mohammed bin Salman leitet eine vorsichtige Modernisierung der Gesellschaft ein. Das Land ist durch seine Erdölexporte eines der reichsten der Welt. Allerdings ist der Ölpreis seit 2015 unter Druck. Auch wissen die Saudis, dass sich die Zeit für fossile Rohstoffe wohl in spätestens drei bis vier Jahrzehnten dem Ende zuneigen könnte. Das Land ist somit gezwungen, seine Volkswirtschaft zu diversifizieren. Ein Werkzeug dazu ist das Reformvorhaben „Vision 2030“. Die Schlagworte sind: Digitalisierung der Bürokratie, Reform des Bildungswesens und Aufbau eines „toleranten Landes“. Der Kronprinz hat nun elf Jahre Zeit, um seine Ziele zu erreichen.

Persönliche Präsenz wichtig

Eine Organisation, die Brücken zum arabischen Markt baut kann ist die Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e. V. Vorsitzender ist der CSU-Politiker und ehemalige Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Peter Ramsauer, der sagt, Deutschland habe ein Interesse an traditionellen europäischen Werten. Dazu gehören auch Menschen und Arbeitsrechte. Saudi-Arabien hat auch eine andere Seite. Im Inneren ist es ein Land im Wandel. In der Information der Ghorfa meinen Ramsauer und der Generaldirektor Abdulaziz Al-Mikhlafi über Faktoren auf dem arabischen Markt: „Entscheidend für den Erfolg sind ein starkes Netzwerk, wertvolle Kontakte, interkulturelle Kompetenz sowie regelmäßige Präsenz in der deutsch-arabischen Geschäftswelt.“

Mit seiner Vision 2030 will Saudi-Arabien zudem seine Wirtschaft umbauen. Auch deswegen mehren sich die Anzeichen, dass der Projektmarkt in Saudi-Arabien immer stärker an Fahrt gewinnt, berichtet Ralf Neubauer in seinem Länderreport für Saudi-Arabien.

Zahlreiche dieser Projekte betreffen Meerwasserentsalzungsanlagen für das Wüstenland. Viel Beachtung schenken die Saudis auch den erneuerbaren Energien. Noch verläuft diese Entwicklung langsam. Allerdings will das Königreich ein Zentrum bei der alternativen Energieerzeugung werden. Priorität haben die Photovoltaik und Windkraftanlagen.

Das dieses nicht auf tönernen Füßen steht zeigt die Entwicklung von ACWA Power, eines saudischen Entwicklers für Großprojekte in der Region. Das Unternehmen stützt sich dabei auf europäische Unterlieferanten wie ABB und Siemens. Bis zum Jahr 2050 soll die Hälfte des Strombedarfs in Saudi-Arabien aus Erneuerbaren Quellen stammen. In neue Öl- und Gasfelder sollen 200 Mio. Dollar investiert werden.

Investitionen in Bahnverkehr

Eine weitere Säule der Vision 2030 ist die Verkehrsinfrastruktur. Insbesondere städtische Metronetze und Eisenbahnverbindungen stehen auf der Agenda der saudischen Verantwortlichen. Bestandteil dieses Vorhabens ist eine 950 km langer Schienenweg von der Hauptstadt Riad zum Roten Meer. Dazu gibt es bereits ein Memorandum of Understanding mit der China Civil Engineering Construction Company, einem chinesischen Bauunternehmen, das vor allem im Eisenbahnbau umfangreiche Erfahrungen besitzt. Die Chinesen sollen das Projekt mit einem Wert von 10,6 Mrd. Dollar „implementieren“. Gerade diese Verbindung soll dem Land erhebliche Verbesserungen beim Güterverkehr bringen. Dazu kommt noch der Ausbau von Flughäfen.

Ein Projekt, auf das die Welt ihre Augen richtet, ist die Mega-City Neom am Roten Meer im Nordwesten des Landes. Ein Gebiet von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns könnte ein riesiges Innovationszentrum für neue Technologien und Industriezweige werden. Das anvisierte Investitionsvolumen beträgt hier 500 Mrd. Dollar. Einer der Berater für das Vorhaben ist ehemalige RWE- und Innogy-Vorstandsvorsitzende Peter Terium.

Die Dinge in Saudi-Arabien ändern sich. Das bestätigen auch erfahrene Geschäftsleute aus dem Umfeld der Ghorfa. Waren vor 20 Jahren persönliche Kontakte die Basis für Geschäfte, sind es heute Ausschreibungen. Ob dadurch eine größere Transparenz entsteht, ist noch fraglich. Vorläufig fällt jedenfalls ein größerer Bedarf an Beratungsdiensten auf.

Exklusiv-Interview: „Deutsche Unternehmen sind in Saudi-Arabien gerne gesehen“

Oliver Oehms von der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen (AHK Saudi-Arabien).
Oliver Oehms von der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen (AHK Saudi-Arabien).
(Bild: privat)

Kann der Wandel in Saudi-Arabien auch Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Anbieter eröffnen? Worauf die Unternehmen achten müssen, verrät Oliver Oehms von der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen (AHK Saudi-Arabien) im Exklusiv-Interview.

Welche Chancen bestehen für deutsche Unternehmen im Saudi-Arabien?

Deutsche Unternehmen sind in Saudi-Arabien gerne gesehen. Die Kombination aus deutscher Arbeitsmentalität und Zuverlässigkeit sowie der hohen Reputation deutscher Produkte erleichtert den Markteinstieg. Der Rückgang deutscher Exporte in den letzten drei Jahren ist auf die derzeit geringe Investitionsneigung der lokalen Industrie zurückzuführen. Mit der Vision 2030 sehen die kurz- bis mittelfristig Aussichten allerdings wieder besser aus.

Welche Rolle spielt die Vision 2030?

Die Saudi-Vision 2030 wird das Königreich tiefgreifend verändern. Im Mittelpunkt des industriellen Wandels steht die Diversifizierung der bislang stark von der Ölförderung abhängigen Wirtschaft. Dies wird die Weiterentwicklung der Downstreamindustrie bedeuten, aber auch die Entwicklung weiterer industrieller Cluster. Das Engagement deutscher Mittelständler ist hierbei ausdrücklich gewünscht. Das regulatorische Umfeld ist dementsprechend deutlich unternehmensfreundlicher gestaltet worden.

Was ist bei Geschäften mit Saudi-Arabien zu beachten?

„Personal relations matters“ – das gilt für Saudi-Arabien in besonderem Maße. Dementsprechend sollten mögliche Partner sorgfältig ausgewählt und „geprüft“ werden. Häufig sind hierfür mehrere Reisen erforderlich. Die AHK in Saudi-Arabien hilft nicht nur bei der Beantragung eines Visums zur mehrfachen Einreise, sondern auch bei der Suche nach Partnern. Direktgeschäfte sind möglich, meist aber nicht nachhaltiger Natur. Zudem erfordert die Vision 2030 insbesondere bei öffentlichen Projekten ein Commitment vor Ort.

Welche Rolle spielt die Kultur?

Der Islam prägt bis zu einem gewissen Grad auch das Geschäftsleben in Saudi-Arabien. So sind während der Gebetszeiten Geschäfte und Restaurants geschlossen, und geschäftliche Verabredungen werden entsprechend terminiert. Die Zusammenarbeit der Geschlechter war bis vor Kurzem noch stark reglementiert, ändert sich derzeit aber in hoher Geschwindigkeit. Insgesamt ist das große Königreich auch von regionalen Unterschieden geprägt sowie von starken Unterschieden zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Generationen. Verallgemeinerungen sind deshalb oft irreführend. „Jeddah ist anders“ ist eine oft gehörte Aussage. Das gilt auch für andere Regionen.

Das Interview führte Thomas Isenburg

* Dr. Thomas Isenburg ist freier Wissenschaftsjournalist in 44629 Herne.

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