Arbeitsmarkt Schaeffler streicht 4400 Stellen

Redakteur: Melanie Krauß

Bis Ende 2022 plant Schaeffler den Abbau von rund 4400 Stellen. Betroffen sind zwölf deutsche Standorte und zwei in Europa.

Anbieter zum Thema

An insgesamt 14 Schaeffler-Standorten sollen die Kapazitäten zurückgeschraubt werden.
An insgesamt 14 Schaeffler-Standorten sollen die Kapazitäten zurückgeschraubt werden.
(Bild: Schaeffler Technologies AG & Co. KG)

Vom Kapazitätsabbau und der Konsolidierung sind neben den Großstandorten Herzogenaurach, Bühl, Schweinfurt, Höchstadt und Homburg vor allem Standorte mit einem technisch auslaufenden Produktportfolio oder kleinteiligen Werksstrukturen betroffen. Zu letzteren gehören die Produktionsstandorte Wuppertal, Luckenwalde und Eltmann, der Schaeffler-Engineering-Standort in Clausthal-Zellerfeld sowie die Aftermarket-Betriebsstätten Hamburg und Köln.

Grund für den Kapazitätsabbau: Trotz einer Belebung der Nachfrage in allen drei Sparten und vier Regionen in den letzten Monaten, bleibt die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie und die daraus resultierende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lagefür Schaeffler hoch. Zudem deuten die Markt- und Umsatzerwartungen für den Zeithorizont bis 2025 auf eine langsame Erholung hin, was für das Unternehmen strukturelle Unterauslastungen der Produktionswerke zur Folge hat.

Insbesondere der Automobilsektor, der sich bereits zuvor in einem Strukturwandel hin zur E-Mobilität befand, wird durch die Coronakrise hart getroffen. Die für das Jahr 2020 erwartete globale Produktion von Fahrzeugen liegt mit minus 20 % signifikant unter Vorjahr. Ein Erreichen des Vorkrisenniveaus wird frühestens 2024 erwartet. Aber auch die globale Industrieproduktion wird im Jahr 2020 mit schätzungsweise minus 8 bis minus 12 % deutlich rückläufig sein.

Das passiert mit den betroffenen Standorten

Im Hinblick auf den Standort Wuppertal ist dem Unternehmen zufolge nach mehrjähriger Prüfung sämtlicher Optionen eine Standortschließung nicht mehr auszuschließen. Gleichwohl soll versucht werden, im Zuge einer Teilverlagerung der Produktion so viele Arbeitsplätze wie möglich in Deutschland zu erhalten. Für den Standort Luckenwalde ist eine Teilverlagerung von Aktivitäten geplant. Gleichzeitig wird aktiv nach alternativen Nutzungs- und Verkaufsmöglichkeiten gesucht.

Die Produktion am Standort Eltmann wird nach Schweinfurt verlagert. Der überwiegende Anteil der Arbeitsplätze soll damit in geographischer Nähe erhalten bleiben. Bereits heute produziert Eltmann im Wesentlichen für den Standort Schweinfurt, sodass es sich faktisch um eine Integration der Produktion handelt. Der Standort Clausthal-Zellerfeld wird geschlossen, sofern sich kurzfristig keine Verkaufsmöglichkeit ergibt. Den Beschäftigten der Aftermarket-Betriebsstätten Hamburg und Köln wird angeboten, soweit möglich, künftig aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten.

Zudem ist vorgesehen, die Verwaltungsbereiche der Zentralfunktionen und der Sparten zu reduzieren. Die betrifft vor allem die Standorte Herzogenaurach, Schweinfurt, Bühl sowie Homburg.

Schaeffler baut bereits seit 2018 Kapazitäten ab

Schaeffler hatte bereits im November 2018 die Präsenz in Großbritannien um drei Standorte reduziert. Zudem wurde im Frühjahr 2019 in der Sparte Automotive OEM das Effizienzprogramm Race etabliert, dem im Verlauf desselben Jahres die Spartenprogramme Grip (Automotive Aftermarket) und Fit (Industrie) folgten. Im Rahmen von Race wurden seitdem unter anderem die drei Automotive-Standorte Hamm, Unna und Kaltennordheim verkauft. Ferner wurde im September 2019 noch vor Ausbruch der Coronakrise ein zusätzliches Freiwilligenprogramm aufgelegt, das sich aktuell in der Umsetzung befindet.

Die Zahl der Beschäftigten der Schaeffler Gruppe hat sich seit Ende 2018 um rund 8250 Stellen von 92.478 auf 84.223 per Ende Juni 2020 verringert, was einem Rückgang um knapp 9 % entspricht. Die genannten Maßnahmen sind dabei bisher nur teilweise in den Beschäftigtenzahlen reflektiert.

Auf die in den Monaten Februar/März 2020 einsetzende Coronaviruspandemie und die hiermit verbundenen starken Nachfragerückgänge in allen drei Sparten reagierte die Schaeffler Gruppe zunächst mit kurzfristig orientierten Gegensteuerungsmaßnahmen, sodass das Unternehmen bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist. Neben einer Ausweitung des europäischen Freiwilligenprogramms von 1300 auf 1900 Stellen, von denen 1700 auf Deutschland entfallen, nutzte Schaeffler temporäre Maßnahmen, wie zum Beispiel Schließtage, den Abbau von Zeitkonten und Urlaubstagen sowie die Einführung von Kurzarbeit.

Weitere strategische Maßnahmen

Als zweiter Bestandteil des Maßnahmenpakets bündelt die Schaeffler Gruppe lokale Technologie- und Produktionskompetenzen an den Standorten Herzogenaurach, Höchstadt, Bühl und Schweinfurt und will damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sowie ausgewählte Standorte in Deutschland stärken. Der Sitz der Sparte Automotive Aftermarket in Langen wird zudem durch Personaltransfers ausgebaut.

Am Standort Herzogenaurach, dem Hauptsitz der Schaeffler Gruppe, wird unter anderem neben dem Aufbau eines hochmodernen Zentrallabors zukünftig das Kompetenzzentrum für Wasserstofftechnologie angesiedelt. Höchstadt erhält ein Kompetenzzentrum für den Werkzeugbau, das die vorhandenen Kapazitäten aus Herzogenaurach übernimmt. Im Gegenzug werden die Aktivitäten der Sparte Industrie von Höchstadt nach Schweinfurt verlagert, so dass Höchstadt ein reiner Automobil-Standort wird.

Der Standort in Bühl, Sitz der Sparte Automotive OEM, wird als Kompetenzzentrum für E-Mobilität und die Serienfertigung von Elektromotoren ausgebaut. In diesem Zusammenhang werden zusätzlich 500 Stellen in Bühl entstehen, die in der ursprünglichen Planung zunächst für den Standort Szombathely in Ungarn vorgesehen waren. Der Aufbau des Werkes in Ungarn ist davon nicht betroffen.

Schweinfurt, Sitz der Sparte Industrie, soll durch die Bündelung der Wertschöpfung für die klassischen Lagerprodukte im mittleren- und großen Durchmesserbereich eine klare Stärkung der Kompetenz erhalten. Stärken will Schaeffler auch die Hauptentwicklungsaktivität für Zukunftsfelder der Sparte Industrie, wie zum Beispiel der Bereich Robotik. Zudem wird ein Innovationszentrum für gruppenweite Industrie-4.0-Themen errichtet. Zusätzlich ist der Ausbau des Bereichs Aerospace-Spezialprodukte vorgesehen.

Daneben steht das AKO-Logistik-Zentrum in Halle kurz vor der Inbetriebnahme. In Halle werden mit Unterstützung der Schaeffler Gruppe bei einem externen Dienstleister rund 600 Arbeitsplätze mit Tarifbindung geschaffen.

250-300 Mio. Euro freiwerdendes Kapital

Das Maßnahmenpaket soll zu einem Einsparpotenzial in Höhe von 250-300 Mio. Euro p.a. führen, das 2023 zu 90 % realisiert sein soll und in etwa hälftig auf die Sparten Automotive OEM und Industrie entfällt und nur zu einem geringen Teil auf die Sparte Automotive Aftermarket. Diesem stehen Transformationsaufwendungen in Höhe von rund 700 Mio. Euro gegenüber, von denen voraussichtlich der Großteil als Rückstellung im Jahr 2020 gebucht werden soll. Das im Zuge der Umsetzung des heute vorgestellten Maßnahmenpakets freiwerdende Kapital wird in Deutschland in Zukunftsgeschäfte und -technologien reinvestiert.

(ID:46852468)