Hydraulik Schnelles Engineering mit servohydraulischem Aktuator
Bahnpuffer sind sicherheitsrelevante Bauteile, deren Funktion regelmäßig überprüft werden muss. Ein Sondermaschinenhersteller hat dazu eine maßgeschneiderte Prüfpresse entwickelt. Nur ein servohydraulischer Aktuator konnte die Anforderungen auch hinsichtlich des Engineeringaufwands erfüllen.
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Der Zug bremst – rund 50 Güterwagen mit jeweils bis zu 35 t Gewicht drücken nach vorn. Bahnpuffer an den Stirnseiten der Güterwagen federn die Stöße ab, sonst könnte sich der Zug aufschwingen und entgleisen. Bahnpuffer, massive Stahlhülsen mit einem kraftvollen Federpaket, sind sicherheitsrelevante Bauteile wie Bremsen und Radaufhängungen. Eine Inspektion im eingebauten Zustand ist nicht möglich, darum werden die Bahnpuffer regelmäßig ausgebaut und auf speziellen Prüfständen getestet. In der Schweiz hat der Sondermaschinenhersteller Lindenberg Technics dafür nun eine maßgeschneiderte hydraulische Presse entwickelt, die sich daten- und regelungstechnisch in Industrie-4.0-Umgebungen einfügt. Neben dem Prüfen von Bahnpuffern kann die Lösung auch zum Prüfen von Zugeinrichtungen sowie für kundenspezifische Montageprozesse eingesetzt werden.
Servohydraulik als ideale Kombination von Geschwindigkeit und Kraft
Die eigentliche Prüfbewegung mitsamt der Closed-Loop-Regelung übernimmt ein servohydraulischer Aktuator (SHA) von Rexroth. „Die Lösung stellt die ideale Kombination von Geschwindigkeit und Kraft zur Verfügung, die der Kunde für den Prüfprozess braucht“, betont André Kälin, Geschäftsführer und Mitinhaber der Lindenberg Technics AG mit Sitz am Zürichsee. Servohydraulische Aktuatoren sind komplette Antriebseinheiten, bei denen hydraulische Bewegungen digital gesteuert über drehzahlvariable Pumpenantriebe der Sytronix-Familie erzeugt werden.
„Schon bei der Konzeption hatten wir Vorstellungen, wie wir die Vorteile der Hydraulik mit moderner Regelung verknüpfen“, erinnert sich Kälin. Die Lösung sollte ein extrem breites Spektrum an Prüfkräften und Geschwindigkeiten bereitstellen und als einbaufertige Baugruppe einen minimalen Engineeringaufwand in Hard- und Software verursachen. „Ein solches Paket haben wir sonst nirgendwo gefunden, nur bei Bosch Rexroth“, hebt der Geschäftsführer hervor.
Energieeffiziente Pumpenantriebe durch Drehzahlregelung
Die Prüfanwendung stellt besondere Anforderungen an die Systemfähigkeit der Hydraulik. Für die Umstellung auf die verschiedenen Prüfzyklen unterschiedlicher Bahnpuffer muss ein Softwarebefehl reichen. „Unsere Presse deckt das gesamte Spektrum der verschiedenen Bahnpuffer im Einsatz ab und erreicht eine Maximalkraft von bis zu 1500 kN“, beschreibt Kälin die Vielseitigkeit der Maschine.
Die Spezialisten von Bosch Rexroth in der Schweiz stellten für Lindenberg ein Komplettpaket aus Aggregat, hydraulischen Komponenten plus Motion-Control-System MLC für Mehrachsanwendungen, Servoregler und -motoren sowie vorprogrammierter Software zusammen. Die MLC koordiniert die Servoregler. In einem geschlossenen Regelkreis passen sie die Drehzahlen für die Sytronix-Pumpenantriebe des Aggregats an den aktuellen Leistungsbedarf der Aktuatoren an. Geschwindigkeit und Kraft werden bedarfsgerecht erzeugt und präzise geregelt. Die Verdrängersteuerung ersetzt die bislang in der Stationärhydraulik übliche Drosselsteuerung mit Ventilen. Anstatt den mit viel Energie erzeugten Volumenstrom intern wieder abzubremsen, senken die Sytronix-Pumpenantriebe die Drehzahlen bei Teillast ab. Dadurch arbeiten sie bis zu 80 % energieeffizienter als Konstantdrucksysteme und können jederzeit auf neue Bewegungsabläufe umgestellt werden.
Ein weiterer Vorteil: Da nahezu keine Drosselverluste entstehen, die Wärme erzeugen, kann Lindenberg bei der Prüfpresse auf eine Kühlung des Hydraulikmediums verzichten. Das spart Bauraum und Systemkosten, gleichzeitig erreicht das Fluid dadurch eine längere Standzeit. Die Drehzahlabsenkung bei Teillast reduziert darüber hinaus die mittlere Geräuschemission, sodass Lindenberg keine Sekundärmaßnahmen für die Geräuschdämmung einsetzen muss.
Schnelle Inbetriebnahme: Parametrieren statt Programmieren
Das Hydraulikaggregat von Rexroth erzeugt einen Förderstrom von maximal 170 l/min bei einem Tankvolumen von 250 l. Es versorgt den Hauptzylinder sowie weitere Aktuatoren wie den Ausstoßzylinder. In der Motion Control hat Rexroth hydraulikspezifische Funktionen und Besonderheiten wie nichtlineare Überschwinger in Bibliotheken bereits berücksichtigt. „Bei der Inbetriebnahme musste nicht programmiert werden, die Techniker haben lediglich die Parameter festgelegt“, berichtet André Kälin. Ein besonderes Augenmerk legte der Schweizer Maschinenhersteller auf die Maschinensicherheit, denn im Einrichtbetrieb sowie bei einigen Bahnpuffervarianten müssen die Bediener bei geöffneter Schutztür in den Arbeitsraum eingreifen. In den Indradrive-Antrieben ist die zertifizierte Sicherheitsfunktion „sicher herabgesetzte Geschwindigkeit (SLS)“ aktiviert. Zusätzlich setzt Lindenberg zwei stellungsüberwachte Sicherheitsventile ein, um den geforderten Performance Level PLe zu erreichen. Die komplette elektrohydraulische Baugruppe wurde von Rexroth in der Schweiz vormontiert und geprüft. Servicetechniker unterstützten Lindenberg bei der mechanischen Integration und der Inbetriebnahme.
Vorteile der Fluidtechnik mit digitalen Diagnosefähigkeiten verbunden
Die Presse bietet wesentlich mehr als variable Kraft und Geschwindigkeit. Sie erfasst bei jeder Prüfung alle relevanten Daten und speichert sie auf übergeordneten Systemen ab. Die Motion Control unterstützt für einen nahtlosen Informationsaustausch alle gängigen Echtzeit-Ethernet-Protokolle auf einer Hardware und fügt sich mit einem OPC-UA-Server in vernetzte IT-Umgebungen ein. Besonders wichtig ist das detaillierte Erfassen des Kraftverlaufs als Indikator für die Funktionsfähigkeit des Bahnpuffers und das Abbilden in Diagrammen. Entspricht der Kraftverlauf nicht den Sollwerten, geben die Abweichungen Hinweise, wo das Problem liegt und welche Arbeiten notwendig sind, um die ordnungsgemäße Funktion wiederherzustellen.
Was datentechnisch ebenfalls wichtig war: „Die Maschine mitsamt allen Komponenten des servohydraulischen Aktuators ist komplett fernwartungsfähig; das war ein ausdrücklicher Kundenwunsch, um eine maximale Verfügbarkeit zu gewährleisten“, bekräftigt der Geschäftsführer. Damit verbindet die Servohydraulik die Kraftdichte und Robustheit der Fluidtechnologie mit allen Vorteilen digitaler Regelungs- und Diagnosefähigkeiten.
Lindenberg Technics ist ein Spezialist für besondere Aufgaben: „Wir wollen den Prozess im Detail verstehen, um mit fundiertem Ingenieurswissen und Leidenschaft die beste Lösung zu finden“, so Kälin. Das Unternehmen entwickelt und produziert sowohl Sonderlösungen als auch Standardmaschinen. Schwerpunkt sind hydraulische Pressen für Montage- und Prüfprozesse, Vulkanisierpressen sowie kundenspezifische Lösungen.
* Weitere Informationen: Manuela Kessler, Bosch Rexroth AG in 97816 Lohr am Main
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