Verbindungstechnik Schrauben leicht gemacht

Redakteur: Güney Dr.S.

Aluminiumschrauben reduzieren bei Leichtbaukonstruktionen das Gewicht und erhöhen die Verbindungssicherheit.

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Schraubverbindungen sind bei vielen Bauteilen unverzichtbar, vor allem, weil sie sich bei Bedarf wieder lösen lassen. Entsprechend groß ist der Anwendungsbereich und die Vielfalt von Schrauben in Art, Form und Größe. Größter Abnehmermarkt für Schrauben in Deutschland ist die Fahrzeugindustrie mit ihren Zulieferern. Ein vergleichbar kleiner Anteil der Produktion entfällt auf Schrauben aus Aluminium. Fachleute schätzen den Produktionsanteil (gewichtsbezogen) derzeit auf unter 1%. Doch das noch kleine Segment wächst. Dabei geht es nicht einfach um eine werkstoffliche Substitution von Stahl durch Aluminium. Vielmehr handelt es sich um eine neue Verschraubungstechnik, die große Fortschritte bei der Realisierung von Leichtbaukonstruktionen ermöglicht.

Zu den Vorreitern der Entwicklung zählt der Kraftfahrzeugbau, der zunehmend Bauteile aus leichten Aluminium- oder Magnesium-Legierungen einsetzt. Das geringe spezifische Gewicht von Aluminium (2,7 g/cm2 gegenüber 7,25 g/cm2 bei Grauguss) ermöglicht es zum Beispiel bei Motorblöcken für Mittelklassefahrzeuge 30 bis 35 kg und damit rund ein Viertel des Gewichtes einzusparen. Als Verbindungselemente werden dabei noch überwiegend Schrauben aus niedrig legiertem Vergütungsstahl benutzt. Die Verschraubung mit Stahlschrauben wirft jedoch eine Reihe von Problemen auf, die sich mit Aluminiumschrauben lösen lassen.

Dies bestätigt auch das gerade abgeschlossene Forschungsvorhaben „Ermittlung der Gebrauchseigenschaften von Schrauben aus Aluminiumwerkstoffen“ der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) und der Forschungsgesellschaft Stahlumformung e.V. (FSV). So heißt es unter anderem in der Abschlusszusammenfassung, dass „unter Recyclingaspekten Stahlschrauben in Aluminiumbauteilen eine ungünstige Lösung sind, da sie beim Shreddern abbrechen und damit als metallurgisches Gift in die Aluminiumschmelze gelangen“.

Weitere Probleme bereiten die unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl- und Leichtmetallwerkstoffen. Der thermische Ausdehnungskoeffizient von Aluminium-Legierungen ist mehr als doppelt so groß wie der von Stahl. Bei Magnesium-Legierungen liegt dieser Wert noch einmal rund 30% höher. Die Studie weist darauf hin, dass durch Temperaturerhöhungen am verschraubten Bauteil je nach Werkstoffpaarung deutliche Flächenpressungen unter dem Schraubenkopf auftreten, die unter ungünstigen Umständen die Druckfließgrenze der verspannten Teile überschreiten.

Die Folge sind Vorspannkraftverluste, so dass Funktionsstörungen wie Undichtigkeiten nicht ausgeschlossen sind.Als Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen kommt das Forschungsprojekt zu dem Schluss, dass Aluminiumschrauben für entsprechende Anwendungsfälle empfehlenswert sind: „Generell kann gesagt werden, dass für die meisten Anwendungsfälle die Bauteile wesentlich höhere Belastungen ertragen als gefordert, so dass hier in der Regel noch Sicherheitsreserven vorliegen.“ „Besonders interessant ist die Gewichtseinsparung durch Aluminiumschrauben bei bewegten Teilen wie Robotern oder Handhabungssystemen“, sagt Wolfgang Heidrich, Referent für Technik und Maschinenbau beim Düsseldorfer Gesamtverband der Aluminiumindustrie. Im Fahrzeugsektor ist der Motorbereich zu nennen, aber auch Getriebegehäuse, Saugmodule und Befestigungen für Nebenaggregate wie Generatoren oder Wasserpumpen.

Hinzu kommen Befestigungen für Airbags, Gurte, Sitze und Konsolen. Zum Verschrauben von Magnesiumkomponenten unter korrosiven und thermischen Belastungen, wie sie bei Fahrzeugmotoren und -getrieben auftreten, hat sich beispielsweise die Aluminium-Legierung Al 6056 bewährt. Sie ermöglicht eine Zugfestigkeit der Schraube von 400 MPa bei gleichzeitig hohem Widerstand gegen Kontaktkorrosion. Dazu kommt die gute Temperaturbeständigkeit: Bis zu etwa 150 °C sind die mechanischen Eigenschaften der Schrauben bei Langzeitbelastung annähernd stabil. Kontaktkorrosion bei Verbindungen tritt vor allem bei der Kombination von Schrauben aus Vergütungsstählen mit Bauteilen aus Magnesium-Legierungen auf. Verantwortlich dafür sind die großen Abstände in der elektrochemischen Spannungsreihe.

Übliche Beschichtungssysteme helfen nicht oder nur bedingt gegen Kontaktkorrosion. Mit Aluminiumschrauben lässt sich das funktionsgefährdende Phänomen der Kontaktkorrosion praktisch vollständig vermeiden. Schon blanke Schrauben aus geeigneten Aluminiumlegierungen der Reihe 6000 mit geringem Kupfergehalt sind diesbezüglich sogar speziell geschützten Stahlausführungen überlegen, aufwändige Beschichtungen in der Regel deshalb nicht nötig. Ein weiteres Problem beim Verbinden von Leichtbauwerkstoffen mit Stahlschrauben sind Vorspannkraftverluste, die auf die unterschiedlichen Längenausdehnungskoeffizienten von Stahl und Leichtmetall sowie auf Relaxation zurückzuführen sind. Als Relaxation bezeichnet man den Verlust an Vorspannkraft durch Plastifizierung der Werkstoffe.

Vorspannkraftverluste können Undichtigkeiten und damit Korrosion hervorrufen, aber auch akustische Auswirkungen wie Klappern, Knistern oder Quietschen haben. Im schlimmsten Fall können zu geringe Vorspannkräfte sogar zum vollständigen Versagen der Verbindung führen. Versuche bei Schraubenherstellern haben gezeigt, dass mit Aluminiumschrauben trotz anfänglich geringerer Montagevorspannkräfte schon nach kurzer Zeit deutlich höhere Rest-Vorspannkräfte möglich sind als mit Stahlschrauben.

Der Grund: Infolge des niedrigen E-Moduls und des hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Aluminium liegt eine sehr gute Anpassung an Aluminium-, Magnesium- und Kunststoffkomponenten vor. Aluminiumschrauben dehnen sich thermisch mit den Bauteilen - es entstehen weniger plastische Verformungen im System, die die Vorspannkraft verringern können. Aufgrund dieser Effekte können die höheren Zugfestigkeiten von Stahlschrauben bei Leichtmetallbauteilen zwar bei der Montage genutzt werden, stehen später aber nicht mehr zur Verfügung. Das heißt, die Schraube mit kleinerer Ausgangsfestigkeit liefert aufgrund der besseren thermischen Anpassung die höhere Restvorspannkraft. Bei einem großen Getriebehersteller stellte man entsprechende Vergleiche an. Mit Stahlschrauben ergab sich eine Restvorspannkraft in Aluminium von 50%, bei Magnesium-Bauteilen sogar von nur 10 %.

Dagegen wiesen Aluminiumschrauben in Aluminium-Bauteilen eine Restvorspannkraft von 85% und in Magnesium-Bauteilen von 70% auf.Andere Untersuchungen bei einem Schraubenproduzenten dokumentieren den zeitlichen Verlauf der Relaxation. Sie zeigen, dass trotz deutlich geringerer Montagevorspannkraft bereits nach 100 Stunden Temperaturbelastung die Verbindungen mit Aluminiumschrauben eine höhere Restvorspannkraft aufweisen. Nach etwa 200 Stunden ist dabei ein konstantes Vorspannkraftniveau erreicht, während bei Verbindungen mit Stahlschrauben selbst nach 500 Stunden die Relaxationsvorgänge trotz Restvorspannkräften nahe Null nicht abgeschlossen waren.Natürlich tragen Aluminiumschrauben auch zur Gewichtseinsparung bei.

Bei einem Magnesiumschaltgetriebe, dessen Gehäuse mit 20 Aluminiumschrauben zu je 6 g statt mit Stahlschrauben zu je 18 g verschraubt ist, beträgt die Gewichtseinsparung bei reiner Substitution rund 240 g. Bei einem neuen stufenlosen CVT-Automatikgetriebe lassen sich sogar 400 g allein mit Aluminiumschrauben einsparen.Dieses Einsparpotenzial lässt sich sogar noch vergrößern. Bei Verbindungselementen und Bauteilen mit gleichen Werten für den thermischen Ausdehnungskoeffizienten kann die tragende Länge der Schraubenverbindungen kleiner dimensioniert werden als bei Werkstoffen mit stark abweichenden Werten.

Setzt man Schraubenwerkstoffe mit einer Festigkeit von rund 400 MPa voraus, so kann die Mindesteinschraubtiefe um bis zu 50% reduziert werden. Bei Stahlschrauben in Aluminium- oder Magnesiumbauteilen gilt für das Verhältnis von tragender Länge zum Durchmesser des Gewindes der Faktor 3 bis 4. Bei Aluminiumschrauben ist dagegen nur der Faktor 1,5 bis 2 anzusetzen. Daraus ergibt sich ein doppelter Gewichtsvorteil: Zum einen ist die Aluminiumschraube kürzer und leichter, zum anderen kann die Gewindebohrung kleiner und damit das Bauteil weniger massiv ausfallen. MM Das IndustrieMagazin · 39/2003 35

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