Marktchancen Schweiz Schweiz: Kooperationen mit der Schweiz bleiben interessant

Redakteur: Stéphane Itasse

Für manche Einkäufer und Vertriebler hat sich die Welt radikal verändert: Seit dem 15. Januar hat die Schweizer Nationalbank den Wechselkurs des Franken wieder freigegeben. Was das für die Zusammenarbeit von deutschen und schweizerischen Unter­nehmen bedeutet, erläutert Oliver Müller, Direktor des Verbands Swissmechanic.

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Welche Perspektiven haben Schweizer Unternehmen in der aktuellen Situation und was bedeutet es für die Kooperation mit deutschen Partnern?
Welche Perspektiven haben Schweizer Unternehmen in der aktuellen Situation und was bedeutet es für die Kooperation mit deutschen Partnern?
(Bild: Swissmechanic)

Wie sehen Sie die Verflechtung der Schweizer und deutschen MEM-Industrie?

Grundsätzlich lässt sich eine tiefe, historische Verbundenheit beider Industrien feststellen. Als Verband unterstützen wir zum einen die Exportorientierung unserer Mitglieder. Diese kleinen bis mittleren Unternehmen exportieren rund 80 % ihrer Leistungen in den EU-Raum, mit Abstand am meisten nach Deutschland. Auf der anderen Seite stehen die Wirtschaftsgüter, die von deutschen und anderen europäischen Unternehmen in die Schweiz importiert werden. Hier sind die Verflechtungen mit deutschen Unternehmen sehr stark, auch weil der Hauptteil der MEM-Industrie im deutschen Sprachraum liegt. Mit ihrer Lage mitten in Europa hat die Schweiz natürlich eine spezielle Stellung inne, auch die KMU sind auf den internationalen Märkten starke Partner.

Welche Produkte werden für die Schweizer Fertigungsindustrie eingeführt?

Das sind vor allem Grundmaterialien unserer Industrieproduktion, das reicht von Stahl bis hin zu Halb­erzeugnissen. Die Schweiz gilt als ein eher rohstoffarmes Land. Daneben sind Unternehmen der direkten Nachbarstaaten Teil der Produktionskette, mit denen als Zulieferer sehr eng zusammengearbeitet wird. So schicken wir bei der Herstellung von Teilen für Kunststoffverarbeitungsmaschinen halbfertige Produkte zur Wärmebehandlung ins Ruhrgebiet, um sie dann in der Schweiz fertigzustellen. Weiterhin werden von deutschen Unternehmen Komponenten aus der Massenproduktion stark nachgefragt, wie Motoren, Getriebe und Steuerungseinrichtungen.

Worauf legt der Einkäufer eines Schweizer KMU üblicherweise besonderen Wert?

Die sind von der gleichen Motivation getrieben wie die deutschen Einkäufer. Sicher spielen Qualität, Liefertreue, Flexibilität eine Rolle. Da die Schweiz ein teures Land in der Herstellung ist, liegt der Fokus zum großen Teil auf qualitativ äußerst hochwertigen Teilkomponenten. Der Preis wird dann zum entscheidenden Faktor, wenn die Funktionalität bei austauschbaren Komponenten nicht maßgeblich für das Gesamtprodukt ist. Demnach gibt es keine spezifischen schweizerischen Eigenheiten im Einkauf. Wir spielen da in einer sehr ähnlichen Liga.

Vergleichen wir kurz die SBB mit der deutschen Bahn …

… Da wissen Sie, dass die Schweiz Weltmeister in Präzision und Zuverlässigkeit ist. Damit setzen wir uns vom Rest der Welt ab, aber gegenüber Deutschland sind wir gerade im Bereich Maschinenbau auf Augenhöhe.

Also ist die Beziehung zwischen der Schweizer und der deutschen MEM-Industrie eine Beziehung auf Augenhöhe?

Genau. Daneben stehen enge Beziehungen, in denen die Schweizer Firmen als Lieferanten für spezielle Lösungen stehen. Für die Herstellung von schweizerischen Spezialmaschinen für die Produktionsstraßen der Automobilindustrie in Deutschland setzen die Unternehmen wiederum deutsche Komponenten ein. Als Teil der Produktionskette ist es für unsere Unternehmen besonders wichtig, dass die Funktionalität und Qualität der Komponenten stimmt, was uns zu einem Abnehmer deutscher Produkte macht.

In welchem Preis- und Qualitätssegment kauft die Schweizer Fertigungsindustrie in erster Linie ein?

Da wir in der Regel anspruchsvolle Maschinen bauen, sind die Komponenten auch anspruchsvoll und dementsprechend hochpreisig. Leider hat sich das zum Standard und zu einem Swiss-Premium-Preisspiegel entwickelt.

Es werden also Unterschiede in der Preisbildung für den Schweizer Markt im Vergleich zu anderen Märkten gemacht?

Das ist im Moment eines unserer größten Probleme. Die Schweiz ist auch historisch betrachtet ein Markt, in dem Unternehmen glauben, hohe Preise zu erzielen. Oft bezahlen deshalb Schweizer Unternehmen für dieselben Produkte in der Schweiz wesentlich mehr als im benachbarten Ausland. Es gibt konkrete Fälle, in denen durch Exklusivverträge der Schweizer Markt abgeschottet wird und auch keine anderen Kanäle zur Verfügung gestellt werden. Das ist in allen Segmenten so. Solange die Schweizer Unternehmen das in ihrer Wertschöpfung problemlos weitergeben konnten, hat das auch einigermaßen funktioniert.

Was hat sich mit der Freigabe des Franken-Wechselkurses geändert?

Im Zuge der Freigabe des Franken-Wechselkurses haben wir einen Punkt erreicht, an dem das nicht mehr so funktioniert. Schweizer Unternehmen mussten eine Verteuerung von 15 % innerhalb von kürzester Zeit kompensieren. Wenn dann Importware in die Schweiz nicht freigegeben wird und zusätzlich der Premiumpreis erzielt werden soll, schwächt das mittelfristig auch die Nachfrage nach deutschen Produkten. Das sieht man zum Beispiel beim Einkauf von Hydraulikkomponenten: Eine deutsche Firma hat Exklusivverträge mit einem Schweizer Handelsunternehmen. Das führt zu hohen Preisen in der Schweiz. Ein Schweizer Hersteller verbaut die Komponenten und exportiert die Endprodukte wieder. Den Zuschlag im Einkauf können wir uns im Zuge eines starken Franken nicht mehr leisten und die Unternehmen umgehen die normalen Handlungswege, weil diese zu hohe Preise verlangen.

Wofür stehen Sie ein in dieser angespannten Situation?

Mir ist wichtig festzuhalten: Der Eindruck täuscht, dass die Schweiz nicht mehr fähig ist, zu international vernünftigen Konditionen Produkte anzubieten. Wir kämpfen dafür, dass wir marktfähige und kompatible Preise und Leistungen anbieten können.

Was erwarten Sie in diesem Zuge von den deutschen MEM-Unternehmen?

Es ist falsch, von vornherein davon auszugehen, dass Schweizer Produkte zu teuer sind. Wir sind sehr eng mit der gut laufenden deutschen Wirtschaft verbunden und in den Kunden-Lieferanten-Beziehungen gibt es genügend Aufträge. Bei denen muss sehr wohl sichergestellt werden, dass die Preise kompatibel bleiben. Versuchen Sie, uns zu denselben Konditionen zu bedienen wie die Abnehmer in anderen Ländern, weil Sie damit diesen Markt längerfristig absichern. Vergessen Sie das Swiss-Premium in der Schweiz! Wenn Sie das weitertreiben, würgen Sie die Industrie in der Schweiz als verlässlichen Handelspartner ab.

Wenn Sie aus der Sicht der deutschen Maschinenbauer argumentieren: Was können sie von engen Kooperationen mit der Schweizer MEM-Industrie erwarten?

Es gibt viele kleine schweizerische Unternehmen, die Ihren hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden. Deswegen möchte ich den deutschen Firmen Mut machen: Wenn Sie anspruchsvolle Aufgaben haben, denken Sie daran, in der Schweiz gibt es vielleicht Leute die Lösungen haben. Das kann ich aus eigener Erfahrung im Vertrieb eines deutschen Maschinenbauers bestätigen.

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