Industrie 4.0 Smarter Sensor macht kostengünstige Ferndiagnose von Niederspannungsmotoren möglich

Autor Ute Drescher

Millionen von Motoren sollen sich in Zukunft einfach und kostengünstig warten lassen. Möglich macht es ein Sensor, der – wie ein Fitness-Tracker – am Elektromotor angebracht wird.

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Werker vor Ort müsen in Zukunft nicht mehr die komplette Fertigung ablaufen, um Motordaten mit tragbarem Equipment zu erfassen und auszuwerten – ABBs Smart Sensor macht die Ferdiagnose möglich.
Werker vor Ort müsen in Zukunft nicht mehr die komplette Fertigung ablaufen, um Motordaten mit tragbarem Equipment zu erfassen und auszuwerten – ABBs Smart Sensor macht die Ferdiagnose möglich.
(Bild: Bild: ABB)

Die beiden Stars könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine auffällig, markant und lebhaft, der andere klein und unscheinbar. Auf der Hannover Messe 2016 hatte ABB zwei Neuentwicklungen zentral auf dem Messestand ins Rampenlicht gerückt: den kollaborierenden Roboter Yumi, der schnell alle Blicke auf sich zog, und direkt daneben, in der Größe einer Zigarettenschachtel und fast nur für Eingeweihte erkennbar, ein neues Multisensor-Datenerfassungssystem – den Smart Sensor.

Dabei hat es der Kleine in sich. „Mit dem Smart Sensor befördern wir den klassischen Niederspannungsmotor in das Internet-Zeitalter“, fasst Dr. Otto Preiss knapp zusammen. Das Prinzip dahinter erklärt der Business Unit Manager (Global) Motors & Generators bei ABB so: „Der Smart Sensor ist vergleichbar mit einem Fitness-Tracker: Er erfasst die Betriebs- und Zustandsdaten des Motors, um sie dann zu übermitteln. Der Motor kann also sagen: Mir geht es nicht gut, ich brauche Wartung.“

Die meisten Niederspannungsmotoren werden heute nicht gewartet

Bislang ist es aufwendig und teuer, Niederspannungsmotoren zu überwachen und vorausschauend zu warten. „Da ist noch viel Luft nach oben“, kommentiert Jonas Spoorendonk, Local Unit Business Manager Motors & Generators bei ABB in Deutschland die aktuelle Situation bei der Zustandsanalyse von Niederspannungsmotoren. „Die meisten der heute eingesetzten Millionen von Elektromotoren werden gar nicht gewartet, das macht mit den derzeit verfügbaren Technologien auch wirtschaftlich gar keinen Sinn“, sagt Spoorendonk.

Aber: Wartung von Elektromotoren lohnt sich

Gleichzeitig führt eine schlechte Auslastung der Motoren zu hohem Energieverbrauch und Störungen zu teuren Ausfällen. Eine regelmäßige Wartung würde die Energieeffizienz der Motoren erhöhen. Die wird aber aufgrund der bekannten Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der Motoren vernachlässigt. Messungen in den USA ergaben, dass sich mit einer besseren Wartung zwischen 3 % und 10 % der Stromkosten einsparen ließen, schreibt zum Beispiel die Deutsche Energie Agentur Dena in ihrem Ratgeber „Elektrische Motoren in Industrie und Gewerbe“. Dort heißt es weiter: „Bei schlecht gewarteten Standardmotoren verschlechtert sich der Wirkungsgrad um bis zu 2 %.“

Das soll sich mit der ABB-Neuentwicklung nun ändern. Mit dem smarten Sensor können Anlagenbetreiber jetzt den Zustand ihrer Motoren über ein Smartphone oder einen PC jederzeit überprüfen. Mit sofort verfügbaren, exakten Informationen über den Zustand jedes ihrer Motoren können sie die Wartung auf Basis des tatsächlichen Bedarfs planen und sind nicht mehr alleine auf Zeitintervalle oder Betriebsstunden angewiesen. Außerplanmäßige Stillstände lassen sich dadurch verhindern und die Betriebszeit verlängern. „Angesichts der Tatsache, dass eine Ausfallstunde in der Prozessindustrie leicht mehrere Zehntausend Euro kosten kann, ist dies ein ganz zentraler Aspekt", macht Jonas Spoonendonk auf einen weiteren wichtigen Punkt aufmerksam.

Schlüsselelement: der Sensortag

Schlüsselelement ist der smarte Sensor. Er misst 90 mm × 55 mm × 12 mm, ist mit einer Kommunikationsschnittstelle ausgestattet und wird außen am Motor angebracht. Das kann ab Werk geschehen oder nachträglich bei bereits montierten Elektromotoren. Eine harte Verdrahtung ist nicht nötig – weder in den Motor selbst noch in die Applikation muss eingegriffen werden.

Das Multisensor-Datenerfassungsgerät erfasst die Motordaten in regelmäßigen Abständen. Dazu gehören unter anderem

  • Rotorzustand
  • Zustand der Lager
  • Temperatur
  • Abweichung im Luftspalt
  • Vibration
  • Überlastung
  • Kühlzustand

So ermittelt der Sensor beispielsweise Zeit- und Frequenzdaten und setzt sie in Relation zu den Lagereigenschaften. Das ermöglicht die genaue Erfassung des Lagerzustands und dessen möglichen Ausfall. Außerdem ermittelt das Gerät den Energieverbrauch mit einer Genauigkeit von ±10 %, die Leistung sowie die Betriebsstunden.

Diese Daten sendet das Gerät dann drahtlos mit Hilfe von Standardprotokollen an sichere cloud-basierte Server von ABB. Eine spezielle Software analysiert und protokolliert sie für eine Trendanalyse. „Wichtig ist“, betont Jonas Spoonendonk, „dass die Daten dem Betreiber gehören. Wir schreiben Cyber-Security groß!“

Cyber-Security wird groß geschrieben

Die Informationen über den Motorzustand lassen sich dann etwa an ein Smartphone oder ein internetbasiertes Kundenportal senden. Sie werden dort als Ampelsignale dargestellt, die den Zustand des Motors anzeigen: „Rot“ für einen kritischen Zustand, der sofortiges Eingreifen erfordert, „Gelb“ für einen Zustand, der eine Wartung erfordert, die aber noch Zeit hat, und „Grün“ für normalen Betrieb. Diese Anzeige ist intuitiv und benutzerfreundlich. Der Anwender kann dann über ein Portal die Trenddaten einsehen und erhält weitere Informationen über das Betriebsprofil des Motors.

Die Analyse der gespeicherten Daten kann neue Wege eröffnen, um Betrieb und Wartung von Anlagen zu optimieren, etwa durch Informationen über den Energieverbrauch der Motoren zur Erstellung effizienterer Lastprofile. Gleichzeitig schafft sie neue Geschäftsmodelle auf der Grundlage internetbasierter Daten. Alle Vorteile zusammengenommen, amortisieren sich die ohnehin eher geringen Kosten für den Sensortag schnell. „Uns ist es gelungen, sehr viele Funktionen in einem kleinen Gerät unterzubringen und dabei – und das ist der Knackpunkt – die Kosten deutlich zu senken“, betont auch Jonas Spoonendonk. ABB will den Sensortag in Europa ab 2017 für etwa 50 Euro anbieten.

* Ute Drescher ist Chefredakteurin der Fachzeitschrift konstruktionspraxis

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