Mensch-Maschine-Kollaboration So lassen sich Cobots in industrielle Montageprozesse integrieren

Von Kathrin Kirschner |

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Technische Spezifikationen sind eine Sache. Wer sich in seine Montage Cobots zur Unterstützung holt, braucht erstmal einen guten Plan. Item Industrietechnik skizziert, wie sie im eigenen Produktionszentrum den Kollegen Cobra20 eingeführt haben.

Um Mitarbeiter in der Kleinteilemontage zu entlasten, entschied sich Item für den Einsatz eines Cobots, von der Belegschaft Cobra20 getauft.
Um Mitarbeiter in der Kleinteilemontage zu entlasten, entschied sich Item für den Einsatz eines Cobots, von der Belegschaft Cobra20 getauft.
(Bild: Item)

Dass Cobots etliche Vorteile in Montageprozessen haben können, hat sich rumgesprochen: Sie sind vielseitig und flexibel einsetzbar, lassen sich schnell an unterschiedliche Arbeitsanforderungen anpassen und benötigen wenig Platz. Die kollaborativen Roboter teilen sich einen gemeinsamen Arbeitsraum mit den Mitarbeitern und sind nicht durch nur Schutzzäune oder ähnliches vom Menschen getrennt. Das unterscheidet die Cobots von klassischen Industrierobotern. Ausgestaltet wie ein Arm übernehmen die Kollegen aus Stahl meist monotone und kräftezehrende Arbeiten und können dadurch die Mitarbeiter effektiv entlasten.

Doch wie integriert man einen Cobot möglichst optimal in die bestehenden Prozesse? Und überzeugt auch das Team von dem sinnvollen Einsatz – ohne Ängste um den eigenen Arbeitsplatz zu schüren?

Am Beispiel der Cobot-Einführung im eigenen Montagebereich und Kleinteilelager im Produktionszentrum Pipersberg in Solingen skizziert die Item Industrietechnik GmbH, wie sich so ein Projekt realisieren lässt. Item selbst ging es dabei auch um schlanke Prozesse: „Der Lean-Gedanke ist in unserem Unternehmen fest verankert“, sagt Przemyslaw Krzysztyniak, Projektleiter und Innovationsmanager bei Item, einem internationalen Anbieter von Systembaukästen für industrielle Anwendungen wie beispielsweise Lösungen zum Bau von Maschinen, Betriebseinrichtungen und Anlagen. „Das bezieht sich nicht nur auf unsere eigenen Produkte, sondern auch auf Arbeits- und Produktionsprozesse innerhalb des Unternehmens.“

Im Sinne des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) entschied sich Item, innerhalb der Montage die Abläufe schlanker zu gestalten und unter möglichst geringem Aufwand teilweise zu automatisieren. Der Schwerpunkt lag auf der Kleinteilemontage, bei der manuelle Tätigkeiten überwiegen.

Eine einfache und intuitive Bedienung ist wichtig, wenn möglichst viele Mitarbeiter in der Montage den Cobot eigenständig nutzen sollen.
Eine einfache und intuitive Bedienung ist wichtig, wenn möglichst viele Mitarbeiter in der Montage den Cobot eigenständig nutzen sollen.
(Bild: Item)

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Flexibel und vielseitig: Einige Vorteile von Cobots liegen meist schnell auf der Hand. Allerdings kann die Integration in die Montageprozesse eine Herausforderung sein.

Um die Abläufe in der Montage schlanker zu gestalten, entschied sich Item, mit einer flexiblen Lösung teilweise zu automatisieren.

Für eine Mensch-Maschine-Kollaboration steht neben den Sicherheitsaspekten auch die Integration der Mitarbeitenden im Fokus.

Konkrete Vorgehensweise: Arbeitsplätze analysieren

Dafür hat Item die Bereiche Bearbeitung, Montage und Konfektionierung intern geprüft und analysiert. Ein eigens gebildetes Team betrachtete dabei die komplette Prozesskette, die einzelnen Produkte und genutzten Systeme. Was gibt es bereits am Markt, und was ist am besten geeignet, um ausgewählte Prozesse zu optimieren? Item entschied sich für einen Leichtbauroboter der Firma UR.

Der Fokus der neuen Lösung lag vor allem auf der Fertigung kleiner Losgrößen. So wählte das Team die manuelle Montage einer Laufrolle aus, die aus mehreren Komponenten besteht. Diese mussten nacheinander zusammengefügt werden – eine sehr kräftezehrende und monotone Arbeit. Dieser Vorgang sollte optimiert und die Mitarbeiter durch den Cobot entlastet werden. Bei der Realisierung des Projektes konnte Item auf eigene Produkte zurückgreifen. Der Leichtbauroboter wurde nach dem Baukastenprinzip einfach in die vorhandene Arbeitsumgebung integriert, die aus unternehmenseigenen Produkten wie ergonomischen Arbeitsplätzen und Bereitstellungs-Wagen besteht. In einem späteren Schritt realisierte Item den Anbau eines Werkstückträgersystems in einer separaten Funktionsinsel.

Der Roboter sortiert das fertige Produkt nach der Montage in den Werkstückträger ein. Während der Cobot werkellt, kann sich der Mitarbeitende um andere Aufgaben kümmern.
Der Roboter sortiert das fertige Produkt nach der Montage in den Werkstückträger ein. Während der Cobot werkellt, kann sich der Mitarbeitende um andere Aufgaben kümmern.
(Bild: Item)

Aufgabenprofil des kollaborierenden Roboters abstimmen

Während Mitarbeiter früher die einzelnen Komponenten der Laufrolle auspackten und in mehrere Schalen legten, um sie anschließend in einer pneumatischen Fügevorrichtung zur Laufrolle zusammenzufügen, übernimmt nun der Cobot einen Großteil dieser Arbeiten. Die Mitarbeiter füllen dazu mehrere Magazine mit den Einzelteilen auf. Der Cobot entnimmt die notwendigen Komponenten und legt sie in die Fügevorrichtung. Der Fügevorgang läuft automatisiert ab. Anschließend sortiert der Roboter das fertige Produkt in den Werkstückträger ein. Auf diese Weise können drei unterschiedliche Rollen gefertigt werden.

Die Kollaboration in diesem Prozess ist sporadisch: Der Roboter ist zu 90 Prozent ausgelastet, der Mensch zu 10 Prozent. Während der Cobot seine Tätigkeiten verrichtet, kann sich der Mitarbeiter anderen Aufgaben zuwenden. Da sich in den Magazinen vor Beginn der Tätigkeit die gleiche Anzahl an Rollen befindet wie auch nachher im Werkstückträger, ist durch eine einfache optische Kontrolle sofort ersichtlich, ob der gesamte Vorgang ordnungsgemäß und fehlerfrei durchgeführt worden ist.

Für die Fertigung der Item-Laufrolle entnimmt der kollaborative Roboter die notwendigen Komponenten und legt sie in die Fügevorrichtung.
Für die Fertigung der Item-Laufrolle entnimmt der kollaborative Roboter die notwendigen Komponenten und legt sie in die Fügevorrichtung.
(Bild: Item)

Mitarbeiter entlasten und ihre Zeit in mehr Wertschöpfung lenken

Durch die Cobot-Lösung konnte die Belastung der Mitarbeiter in diesem Beispiel um 90 Prozent reduziert werden, da sie sich jetzt nur um den Nachschub und das Auffüllen der Magazine kümmern müssen. Die gewonnene Zeit kann in andere wertschöpfende Tätigkeiten investiert werden. „Vor dem Einsatz des Cobots musste ein Mitarbeiter täglich bis zu 700 Mal manuell die Presse betätigen, was nach gewisser Zeit zu körperlichen Beschwerden führte“, sagt Nasim Mahek, Leitstandmitarbeiter der Kleinteilemontage. „Nun ist die Arbeit erheblich ergonomischer und gesundheitsschonender.“

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Zusätzlicher Benefit: Item spart Verpackungsmaterial ein, denn die fertigen Laufrollen lassen sich gesammelt auf dem Werkstückträger einlagern. Vor Einsatz des Cobots hatte Item eine definierte Anzahl in Kartons verpackt. Nun übernimmt der Roboter auch Zählaufgaben: Ist eine vorgegebene Stückzahl gefertigt und der Werkstückträger voll, signalisiert der Cobot dies durch eine optische Hilfseinrichtung. In einer Kiste werden die vollen Werkstückträger gestapelt, abgedeckt und im automatisierten Kleinteilelager eingelagert. Im Ergebnis spart das Unternehmen so mehrere Arbeitsschritte ein und fertigt die Produkte nachhaltiger.

Wenn Kollege Roboter ins Team soll, ist die Einbindung der Mitarbeiter entscheidend – frühzeitig. Item hat die Mitarbeitenden abteilungsübergreifend an dem Implementierungsprozess beteiligt.
Wenn Kollege Roboter ins Team soll, ist die Einbindung der Mitarbeiter entscheidend – frühzeitig. Item hat die Mitarbeitenden abteilungsübergreifend an dem Implementierungsprozess beteiligt.
(Bild: Item)

Akzeptanz der Mitarbeiter als Erfolgsfaktor

Wichtig für eine erfolgreiche Implementierung von Cobots ist die frühzeitige und abteilungsübergreifende Einbindung der Mitarbeiter. Das Projektteam hat ihre Wünsche und Ideen aufgenommen, Ergebnisse offen kommuniziert und die Mitarbeiter über die laufenden Schritte der Entwicklung informiert. „Eine umfassende Transparenz gleich zu Beginn und während der Realisierung ist das A und O, soll Akzeptanz statt Ablehnung erreicht werden“, sagt Projektleiter Przemyslaw Krzysztyniak. „Die Applikation arbeitet für die Mitarbeiter, nicht gegen sie.“

Den Monteuren kommt dabei nach wie vor eine wichtige Aufgabe zu. Ohne sie kann der gesamte, teilautomatisierte Ablauf nicht funktionieren. Tatsächlich nutzen die Mitarbeiter den Cobot wie ein ganz reguläres Werkzeug oder Betriebsmittel und legen ihre Arbeitsgeschwindigkeit individuell fest.

Ein weiterer Aspekt: Viele Mitarbeiter sollten den Cobot eigenständig betätigen können. Daher legte Item großen Wert auf eine einfache und intuitive Bedienung. „Die Einführung der neuen Technologie hat alle restlos begeistert“, konstatiert Nasim Mahek. „Wir haben eine bessere Arbeitsatmosphäre geschaffen und der Cobot ist ein Teil der Mannschaft geworden.“ Die Belegschaft schätzt ihren neuen Helfer und gab ihm sogar einen Namen: Cobra20, wegen der schlangenähnlichen Bewegungen und dem Jahr der Implementierung.

„Der Cobot mit der Robotertechnik ist ein Teil des Ganzen“, so Przemyslaw Krzysztyniak. „Großen Einfluss auf eine erfolgreiche Integration haben die Mitarbeiter und die eingesetzten Betriebsmittel sowie natürlich wirtschaftliche Aspekte.“ Daher ist es unumgänglich, dass Cobra20 nicht nur für einen Prozess eingesetzt wird, sondern mehrere Fertigungen übernehmen kann. Nach kurzer Rüstzeit soll der Roboter Schraubapplikationen realisieren und damit Komponenten aus drei verschiedenen Produktgruppen fertigen.

Sicherheitsaspekte der Mensch-Maschine-Kollaboration

Natürlich spielen auch sicherheitstechnische Aspekte eine große Rolle bei der Einführung von Robotern. Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG sowie diverse Normen und technische Spezifikationen wie die ISO/TS 15066 sind zu berücksichtigen. Außerdem sollten nur zertifizierte Komponenten zum Einsatz kommen.

Um die Mitarbeiter bestmöglich zu schützen, ist der Cobot bei Item derart in die Arbeitsumgebung integriert, dass ein zufälliger Kontakt mit dem Menschen nahezu ausgeschlossen ist. Virtuelle Zäune sorgen für zusätzliche Sicherheit. Verlässt der Roboterarm diesen vorgegebenen Arbeitsraum, wird die Bewegung automatisch abgebremst.

Eine weitere Einflussgröße auf den Erfolg ist die Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern, welche die benötigten Komponenten liefern, beispielsweise perfekt passende Greifer. So lässt sich der Greifer der Firma Zimmer flexibel für mehrere Tätigkeiten programmieren. „Unser Ziel ist, Cobra20 an verschiedenen Arbeitsplätzen für unterschiedliche Fertigungen mit wechselndem Personal einzusetzen“, so Przemyslaw Krzysztyniak. „Das System ist nicht fest installiert, sondern als flexible Lösung konzipiert, die sich bei Bedarf an den jeweiligen Arbeitsplätzen andocken lässt.“ Die Vorrichtung kann mit verschiedenen Funktionsinseln nach dem bewährten Item-Baukastenprinzip kombiniert werden. So entstehen schnell und unkompliziert (teil)automatisierte Fertigungsstraßen aus manuellen Montagearbeitsplätzen.

 

* Teamleitung Marketing bei Item

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