Steuerungen anwendungsgerecht auswählen Steuerungen für Maschinen und Anlagen auswählen

Grundsätzlich kann man in der Steuerungstechnik zwar einen Trend zu modularen, softwarebasierten Funktionsbausteinen feststellen. Trotzdem geht die Entwicklung nicht zu einer Grundsteuerung, die nur mit einer anderen Software bespielt wird, sondern zu anwendungsgerecht abgestimmten Steuerungsplattformen, die zwar gleich zu programmieren sind, aber unterschiedliche Funktionen bieten.

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(Bild: Phoenix Contact)

Für jeden Konstrukteur stellt sich bei etwas komplexeren Maschinen und Anlagen die Frage, wie die Steuerung aussehen soll. Natürlich hängt dies immer auch von den entsprechenden Aufgaben ab. Wir befragten dazu einige Hersteller von Steuerungen, was sie dem Anwender empfehlen. Bei einfachen Zuführanwendungen hängt das laut Günther Bock, Leiter Technology, Test, Infrastructure & Processes bei Siemens, von der Ausdehnung der Maschine beziehungsweise Anlage ab: „Bei größeren Anlagen ist ein dezentraler Ansatz vorzuziehen, zum Beispiel mit intelligenten Antrieben. Generell lassen sich solche Aufgaben mit kleinen SPS, wie der Simatic S7-1200 sehr gut erledigen.“

Ausdehnung der Anlage bestimmt Steuerungsplattform

Auch bei einfachen Pick-and-place-Anwendungen hänge die Steuerungsplattform von der Ausdehnung der Maschine oder Anlage ab. „Hier bietet sich eine mit SPS erweiterte Motion-Funktionalität wie zum Beispiel Simotion an“, so der Siemens-Technologieleiter.

„Je einfacherer die Steuerungsfunktion, umso leichter lässt sich diese isoliert oder eben auch später am Aufstellungsort einrichten“, sagt dazu Marcel Wöhner, Produktmanager im Bereich Operating and Monitoring and Tools beim Automatisierungsunternehmen Pilz. „Darum finden wir dort häufig dezentrale Motoren mit leicht einstellbaren Steuerungen beziehungsweise Kompaktantrieben.Pick-and-place lässt sich zunehmend mit offenen PLC-Plattformen sowie Soft-PLC umsetzen. Der Vorteil hier ist, dass die notwendige Bewegungssteuerung mit allen anderen notwendigen Prozessfunktionen im selben Steuerungsprogramm umgesetzt werden kann. Also weniger Synchronisation mit anderen beteiligten Steuerungen“, meint Wöhner.

Dezentraler Ansatz bei großen Anlagen

Heiner Lang, technischer Leiter des Geschäftsbereichs Industrial Applications bei der Bosch Rexroth AG, glaubt, dass bei Zuführanwendungen und einfachen Pick-and-place-Anwendungen ein wichtiger Trend in Richtung schaltschrankloser Automatisierung geht: „Maschinenhersteller und Systemintegratoren können damit unabhängig von einem zentralen Schaltschrank Maschinenmodule vormontieren und in Betrieb nehmen. Damit sparen sie Zeit und Kosten. Dezentrale und robuste Kompaktsteuerungen werten vor Ort an der Maschine E/A-Signale aus und steuern Aktoren dezentral. Komplexere Aufgaben mit koordinierten Bewegungen übernehmen zunehmend schaltschranklose Servoantriebe mit integriertem Motion-Logic-System.“

Roboteranwendungen sind vielfältig

Roboteranwendungen hingegen decken ein sehr breites Spektrum ab, angefangen von Pick-and-place-Anwendungen über Montage, Bahnbewegungen, bis hin zur spanenden oder sogar auftragenden Fertigung (additive manufacturing). „Dort hängt der Trend von der Komplexität der Roboterkinematik und der Komplexität und Variabilität der Aufgabe ab. Wo interaktive Programmierung beziehungsweise Teachen gefordert ist, muss auch höherer Aufwand in die Sinumerik-Bedienoberflächen gesteckt werden, sodass sich Plattformen anbieten, die grafische Programmierung unterstützen. Andererseits müssen auch die Safety-Anforderungen von Roboteranwendungen beherrscht werden, was mit spezialisierter Hardware oft besser umsetzbar ist“, sagt Siemens-Technologieleiter Bock. „Hier gibt im allgemeinen die Komplexität der auszuführenden Bewegung die Steuerung vor“, erklärt der Fachmann von Pilz und fährt fort: „Die meisten Roboter bringen nach wie vor ihre eigenen und hoch optimierten Steuerungen mit. Trotzdem ist ein Trend sichtbar, dass zunehmend Steuerungsfunktionen für Robotic auch bei etablierten PLC-Anbietern zu finden sind“.

Robotersteuerungen sind auf dem Rückzug

Der technische Leiter von Bosch Rexroth ist sogar der Meinung, dass reine Robotersteuerungen auf dem Rückzug sind, weil sie die Komplexität unnötig erhöhen: „Vielmehr setzen sich aktuell integrierte Motion-Logic-Systeme durch, die auch Roboterfunktionalitäten abdecken. Auf einer Hardware können Maschinenhersteller mit durchgängigen Engineeringtools SPS, Motion und Robotik umsetzen – ohne Schnittstellen und Handshakes.“

Bei komplexen 5-Achs-Werkzeugmaschinen gibt es die Diskussion über „Trends“ schon seit vielen Jahren. De facto wird die Kernfunktion nach wie vor am besten von spezialisierter Hardware mit darauf zugeschnittener Software erbracht. Im Bedienbereich kann man feststellen, dass bei Technologiesprüngen der PC-Anteil typischerweise steigt, um dann allmählich, wenn sich die wirklich nützlichen Features herausgeschält haben und in die Steuerungssoftware integriert wurden, wieder zurückzugehen. Es dominiert laut Bock „spezialisierte CNC-Hardware wie die Sinumerik, und es ist nicht erkennbar, warum sich das in absehbarer Zeit ändern sollte.“

5-Achs-Bearbeitung auch in der Standardklassegwünscht

Lang stimmt dem zu: „Bei komplexen 5-Achs-Werkzeugmaschinen müssen Steuerungs- und Antriebstechnik optimal aufeinander abgestimmt sein, um die hohen Präzisions- und Zykluszeitanforderungen zu erfüllen.“ Darüber hinaus spiele Skalierbarkeit eine wichtige Rolle. „Hersteller von Werkzeugmaschinen wollen zunehmend auch in der preisgünstigen Standardklasse die 5-Achs-Bearbeitung abbilden. Dazu benötigen sie wirtschaftliche Kompaktlösungen, die sie mit einem geringen Engineeringaufwand integrieren können“, sagt Lang. Am anderen Ende des Spektrums stünden komplexe Anwendungen mit bis zu 250 Achsen. In dieser Bandbreite würden die Hersteller Steuerungslösungen suchen, die skalierbar mit gleichem Software-Kernel und identischen Engineeringtools arbeiten.

Bei Heidenhain ist man der Meinung, dass es das Wichtigste ist, dass der verantwortliche Facharbeiter an der Maschine über seine Steuerung – also der Heidenhaun TNC – das perfekte Werkstück fertigen kann, hinsichtlich Formgenauigkeit und Effizienz. Insbesondere im 5-Achs-Bereich sollte die Steuerung dabei direkten Zugriff auf die Maschine haben, sodass es keine Ausfälle oder Störungen aufgrund von „dazwischengeschalteten“ Elektroniken gebe und diese sollten auch keinen Einfluss auf die Effizienz oder gar die Fertigung –also die Genauigkeit der Form – haben.

„Aufgrund der Technologie beziehungsweise der optimierten Achs- und Bearbeitungsfunktionen sehen wir hier nach wie vor die Hauptdomäne der spezialisierten CNC-Hersteller wie Fanuc, Siemens, Heidenhain beziehungsweise in anderen Maschinenbereichen eben auch andere Hersteller“, bestätigt der Fachmann von Pilz.

„Tatsächlich dominieren die traditionellen Steuerungen, weil sie für die Aufgabe am besten zugeschnitten sind. Der IPC ist nur für die Visualisierung gedacht. Zur Steuerung benutzen wir spezialisierte Hardware wie Sinumerik, das ist Visualisierung und Steuerung in einem System“, so der Fachmann von Siemens.

Bei Werkzeugmaschinen beginne sich gerade das Thema 3D und 5-Achs-Steuerung auszubreiten, was dazu führe, dass dies eine „Kerneigenschaft der State-of-the-Art-Steuerungen wie der Sinumerik geworden ist“, erklärt Bock.

Offene Standards sind notwendig

Lang sieht dies etwas anders: „Entscheidend ist die Frage, ob und wie einfach sich Steuerungen in vernetzte Umgebungen und Industrie-4.0-Anwendungen einfügen: Dazu sind offene Standards und herstellerübergreifend normierte Schnittstellen zwingend notwendig. Industrie 4.0 bedeutet das Ende proprietärer Systeme, weil Vernetzung Offenheit verlangt. IPC als Teil der Steuerungslösung bieten hier mehr Reserven für den ständig anwachsenden Aufgabenumfang der Steuerung.“ Über die Abarbeitung der NC-Sätze hinaus müsse die Be- und Entladung gesteuert und zunehmend auch Maschinen-, Prozess- und Produktionsdaten erfasst und ausgewertet werden, zum Beispiel für Condition Monitoring. Darüber hinaus steige der vertikale Datenaustausch mit übergeordneten Systemen deutlich an, was höhere Rechenleistungen erfordere.

Dem stimmt Wöhner zu: „Auch hier wird sichtbar, dass sich komplexere Maschinen ebenfalls von IPC-basierten Steuerungen realisieren lassen. Zumindest werden die etablierten Hersteller diesen Druck mittlerweile spüren.“

Mit fortschreitender Digitalisierung zur weiteren Verbesserung der Produktivität und Verfügbarkeit wird es laut Bock zunehmend darauf ankommen, verschiedenste Systeme zu vernetzen, weitere Funktionen zu integrieren, etwa die Steuerung eines Roboters oder Handlinggerätes oder eine maschinennahe Intelligenz: „Die physikalische Welt wird ergänzt werden durch virtuelle Abbilder und Cloud-Plattformen, die zusätzliche Möglichkeiten für neuartiges Geschäft schaffen. Diese Anforderungen benötigen eine leistungsfähige, skalierbare Systemarchitektur. Ebenso wie der Aufwand für eine immer bessere Kundenschnittstelle, also Usability, um die immer komplexeren Funktionen der Software für den Anwender einfach handelbar zu machen.“

Varianz auf Hardwareseite wir minimiert

Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Prozessoren wird laut Dipl.-Ing. Holger Meyer, Head of Marketing der Business Unit Control Systems bei Phoenix Contact Electronics, die Steuerungshardware immer stärker Mittel zum Zweck, weshalb die Differenzierung verstärkt innerhalb der Firmware stattfinde: „Durch die zunehmende Leistungsfähigkeit der Prozessoren sind zudem nicht mehr viele Varianten innerhalb einer Plattform oder unterschiedliche Plattformen notwendig. Die Differenzierung kann somit über nachladbare Funktionen innerhalb einer Hardwareplattform vorgenommen werden, was die Varianz auf der Hardwareseite minimiert und die Stückzahl erhöht. Dafür muss die Firmware diese Flexibilität entsprechend unterstützen, aber auch die Verkaufssysteme müssen lernen, Firmware-Komponenten im Nachhinein zu lizenzieren.“

Dabei spiele der Sicherheitsaspekt eine entscheidende Rolle, damit es keine offenen Hintertüren für Angriffe gebe. „Allerdings gilt immer noch die Berücksichtigung der funktionalen Anforderungen, der technischen Möglichkeiten und der langen Kompatibilität respektive sehr hohen Produktlebenszyklen. Hier muss ein Optimum gefunden werden, denn neue Prozessoren kommen stetig schneller auf den Markt, haben jedoch einen immer geringeren Lebenszyklus“, gibt Meyer zu bedenken.

„Steuerungsplattformen sind für Maschinenhersteller wichtig, um die Leistung ihrer Maschinen wirtschaftlich zu skalieren“, sagt der technische Leiter von Bosch-Rexroth. Sei eine Steuerungshardware ausreichend fein abgestuft, ermögliche dies den Maschinenherstellern genau die Leistung auszuwählen, die sie für ihre Anwendung benötigen. „Wichtig ist dabei, dass sie bei allen Hardwarevarianten die gleichen normierten Programmiersprachen und Engineeringtools nutzen können. Damit schützen sie ihre Investitionen in die Software“, ergänzt Lang.

Industrie 4.0 bringt Trend zur Software

Die Bedeutung der Software wird durch Industrie 4.0 noch weit mehr zunehmen, als das bislang schon geschehen ist. Hier sind sich alle Fachleute einig. Der Technologieleiter von Siemens glaubt aber, dass man die Software nicht mehr nur in der klassischen Form haben wird: „Neuartige Modelle wie sie sich im Consumer-Bereich schon etabliert haben, werden dazukommen. Damit wird gleichzeitig die Lösung von Security-Themen bei offenen Systemen eine entscheidende Rolle spielen. Nur so kann ein sicherer Betrieb mit allen Vorteilen eines vernetzten Systems sichergestellt werden.“

„Schon seit vielen Jahren werden früher mechanisch ausgeführte Funktionen zunehmend in die Software verlagert“, ergänzt Lang. Industrie 4.0 werde diesen Trend noch beschleunigen. „Ein Ziel für die industrielle Fertigung ist die Umrüstung auf neue Produkte mit einem Mausklick. Auch vorausschauende Wartung erfordert entsprechende Softwarefunktionen. Automatisierungshersteller sind hier gefordert, Standardfunktionen bereits vorzudefinieren und Engineeringtools zur Verfügung zu stellen, die Routineaufgaben bei der Programmierung automatisieren. Eine immer größere Rolle spielen übrigens Hochsprachen in der Automatisierung. Auf jeden Programmierer mit SPS-Kenntnissen kommen bestimmt hundert, die C-Sprachen oder Java beherrschen.“

Software wird immer wichtiger

Auch für Meyer steht fest: „Die Software wird immer wichtiger, denn über sie kann die Varianz der Hardware klar verringert werden. Die Firmware-Konzepte müssen dem aber Rechnung tragen und diese Flexibilität mit sich bringen.“ Gerade bei der klassischen Steuerungstechnik reiche es nicht mehr, dass der Programmierer seine Programme lediglich in IEC 61131 schreiben kann. Der Trend gehe hier ungebrochen in Richtung Hochsprachenprogrammierung, weil die SPS neben ihrer klassischen Arbeit weitere Aspekte erfüllen soll.

„Und in diesem Umfeld dominieren die IT-Protokolle und neuerdings das Thema Cloud“, fährt Meyer fort. „Die SPS kann nämlich frühzeitig als IT-Gateway oder für das Fog Computing genutzt werden. Das heißt, die Steuerungsplattform muss in der Lage sein, auf der Firmware-Ebene funktionale Erweiterungen auch für den Anwender zulassen zu können, um ein Maximum an Flexibilität zu erreichen.“ Dies könne auch der Grund sein, weshalb immer weniger Maschinenhersteller auf selbstentwickelte Elektronik, sondern auf leistungsfähige Seriengeräte setzen, die die neuen Techniken integrieren können und außerdem eine „Weiterentwicklung“ mit den zukünftigen Trends sicherstellen.

Bitte lesen Sie dazu auch den Beitrag:

Von der SPS bis zur Sicherheitssteuerung

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