Supraleitung bereits bei Raumtemperatur
Mit kurzen Infrarot-Laserblitzen ist es Forschern schon gelungen, eine Keramik bei Raumtemperatur supraleitend zu machen. Nun liefern sie eine mögliche Erklärung. Die Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung von neuen supraleitenden Materialien helfen.
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Supraleitung ist ein bemerkenswertes Phänomen: Supraleiter können elektrischen Strom ohne jeden Widerstand und damit völlig verlustfrei transportieren. In manchen Nischen kommen sie bereits zum Einsatz, etwa als Magneten für Kernspintomografen oder Teilchenbeschleuniger. Allerdings müssen die Materialien dafür auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt werden. Nun ist es Forschern das erste Mal mit Hilfe von kurzen Infrarot-Laserblitzen gelungen, eine Keramik bei Raumtemperatur supraleitend zu machen – wenn auch nur für wenige millionstel Mikrosekunden. Nun stellt ein internationales Team, an dem Physiker des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie beteiligt waren, im Fachmagazin Nature eine mögliche Erklärung des Effekts vor: Demnach führen die Laserblitze zu kurzzeitigen Verschiebungen einzelner Atome des Kristallgitters und stärken dadurch die Supraleitung. Die Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung von Materialien helfen, die bei deutlich höheren Temperaturen supraleitend werden und dadurch für neue Anwendungen interessant wären.
Aussichtsreichstes Material ist Keramik
Ursprünglich kannte man Supraleitung nur in einigen Metallen, und zwar bei Temperaturen bei -273 °C. Doch in den 80iger Jahren entdeckten Physiker eine neue Klasse, basierend auf keramischen Materialien. Diese leiten Strom bereits bei Temperaturen von etwa -200 °C verlustfrei, deshalb bezeichnet man sie als Hochtemperatursupraleiter. Eine dieser Keramiken ist die Verbindung Yttriumbariumkupferoxid. Sie zählt zu den aussichtsreichsten Materialien für technische Anwendungen wie supraleitende Kabel.
Der YBCO-Kristall hat eine spezielle Struktur: Dünne Doppelschichten aus Kupferoxid wechseln sich mit dickeren Zwischenlagen ab, die neben Kupfer und Sauerstoff auch Barium enthalten. Ausgangspunkt der Supraleitung sind die dünnen Kupferdioxid-Doppelschichten. Hier können sich Elektronen zu Cooper-Paaren zusammenfinden. Diese Paare können zwischen verschiedenen Lagen „tunneln“, können diese Lagen bildlich gesprochen durchqueren wie Geister eine Wand – ein typischer Quanteneffekt. Supraleitend wird der Kristall allerdings erst unterhalb einer „kritischen Temperatur“. Erst dann tunneln die Paare nicht nur innerhalb der Doppelschichten, sondern „spuken“ auch durch die dickeren Lagen hindurch zur nächsten Doppelschicht. Oberhalb der kritischen Temperatur fehlt diese Kopplung zwischen den Doppelschichten, das Material wird ein schlecht leitendes Metall.
Durchbruch für die Technik
2013 hat ein internationales Team um Max-Planck-Forscher Andrea Cavalleri entdeckt, dass YBCO, wenn man es mit Infrarot-Laserblitzen bestrahlt, kurzzeitig bei Raumtemperatur supraleitend wird. Offenbar hatte das Laserlicht die Kopplung zwischen den Doppelschichten im Kristall verändert. Der genaue Mechanismus aber blieb unklar – bis ihn die Physiker nun mit einem Experiment mit dem stärksten Röntgenlaser der Welt enträtseln konnten. „Zunächst schickten wir erneut einen Infrarotblitz in den Kristall, er regte bestimmte Atome zu Schwingungen an“, erläutert Max-Planck-Physiker Roman Mankowsky, Erstautor der Nature-Studie. „Kurz darauf schickten wir einen kurzen Röntgenblitz hinterher, um die genaue Kristallstruktur des angeregten Kristalls zu vermessen.“ Das Ergebnis: Der Infrarotblitz hatte die Atome nicht nur in Schwingungen versetzt, sondern zusätzlich ihre Position im Kristall verschoben. Dadurch wurden die Kupferdioxid-Doppelschichten kurzzeitig um 2 pm dicker, die Lage zwischen ihnen um denselben Betrag dünner. Das wiederum erhöhte die Quantenkopplung zwischen den Doppelschichten so stark, dass der Kristall für wenige Picosekunden bei Raumtemperatur supraleitend wurde. Zum einen hilft das neue Resultat, die noch unvollständige Theorie der Hochtemperatursupraleiter zu verfeinern. „Zum anderen könnte es Materialforscher dabei unterstützen, neue Supraleiter mit höheren Sprungtemperaturen zu entwickeln“, sagt Mankowsky. „Bis hin zum Traum eines Supraleiters, der bei Raumtemperatur funktioniert und ganz ohne Kühlung auskommt.“ Bislang müssen supraleitende Kabel noch mit flüssigem Stickstoff auf extreme Minusgrade gebracht werden. Könnte man darauf verzichten, dürfte das für die Technik einen Durchbruch bedeuten.
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